Volkswagen und die USA – das ist eine lange, wechselvolle Geschichte, die an vielen Stellen exemplarisch das Nachkriegsverhältnis Deutschlands mit dem transatlantischen Partner illustriert. Am Dienstag, den 18. Januar 1949, kamen die beiden ersten VW Käfer im Hafen von New York an Land – damals hieß das heute legendäre Modell einfach nur "Volkswagen". VW selbst hatte mit der Auto-Überführung vor 75 Jahren nicht viel zu tun – die Fahrzeuge hatte der niederländische Geschäftsmann Ben Pon mit seinem "Pon's Automobielhandel" in die USA gebracht.
Video: Scout Teaser: In jedem von uns steckt ein Scout
Seit August 1947 war Pon VW-Generalimporteur für die Niederlande, in Nordamerika witterte er aber das ungleich größere Geschäft. Später illustrierten die massenhaft in den USA landenden automobilen Krabbeltiere das Wirtschaftswunder, in den 70er mutierte der Bulli zur Hippie-Ikone und zum Surfermobil gleichermaßen, es folgten Rabbit und Jetta. Absatzschwierigkeiten und der teure Diesel-Skandal markieren die Tiefpunkte. Wie weit es mit der Elektrifizierung aufwärts geht, ist noch nicht klar, der Bezug auf die Vergangenheit mit dem ID.Buzz verhilft zu einem Achtungserfolg. Gleichzeitig hat sich Volkswagen of North America mit eigenen Modellen mehr und mehr von der deutschen Mutter emanzipiert. Mit dem Atlas ging’s in einem volumenträchtigen Segment los, mit Scout wollen die Niedersachsen gar einen Pick-up ins Herz des US-Automarkts bringen.
Feierlichkeiten ohne Scout-Werbespot
Die 75 Jahre US-amerikanische Marktpräsenz nutzt VW nun für ein komplettes Jahr Feier-Werbung. Als die Feierlichkeiten begannen, wurde zudem darüber spekuliert, dass der Konzern den offiziellen Startschuss für das Scout-Comeback abfeuern könnte. Und zwar in Form eines Werbespots beim diesjährigen Super Bowl LVIII (Nummer 58). Doch dieser Idee erteilte Volkswagen auf Nachfrage offiziell eine Absage. Die ersten Teaservideos für den Spot deuten eher darauf hin, dass der Hersteller unter dem Titel "An American Love Story" allein seine Historie in den USA thematisieren wird.
Zurück zu den Anfängen: Der Niederländer Pon fand anfangs keinen US-Vertriebspartner für den Volkswagen, aber dann mochten die Amis das rundliche deutsche Auto, das seit 1950 Typ 1 hieß. Der Grund für die Umbenennung war der ab 1950 gebaute Bulli, der die Bezeichnung Typ 2 bekam. Ben Pon gilt übrigens als einer der Väter des ebenfalls legendären VW-Busses – mit einem von ihm gezeichneten Entwurf gab er den Anstoß zur Entwicklung. Die VW-Verantwortlichen gründeten erst 1955 Volkswagen of America und organisierten damit die Händler, außerdem stellten sie den Service und die Ersatzteilversorgung sicher. Schließlich verkaufte sich der zu großen Teilen von den in Niederösterreich geborenen Ingenieuren Béla Barényi und Hans Ledwinka entwickelte Käfer inzwischen prächtig.
VW-Werbung in den USA: Denke Klein – ausgerechnet
1959 schaltete VW dann seine "Think Small"-Werbung für den Käfer, die heute als ikonisch gilt: Auf einem großen weißen Blatt war oben links der winzig wirkende VW abgebildet. Die Amis hatten das Auto längst Käfer getauft – die New York Times nannte ihn bereits in einem Artikel aus dem Jahr 1938 "Beetle". VW selbst meldete den Namen Käfer als Marke im Februar 1968, und somit erst 30 Jahre nach Produktionsbeginn an.
Der Käfer galt in den USA als exotischer Kleinwagen mit guter Qualität. Den VW Bus hatten wiederum Surfer und später auch Hippies für sich entdeckt. Und ein VW-Image als coole Surfer-Hippie-Marke schwingt bei an der Ost- oder Westküste der USA lebenden Amerikanern bis heute mit. VW brachte auch den von 1955 bis 1974 gebauten Karmann-Ghia (Typ 14) in die USA – 61 Prozent der über 270.000 bei Karmann in Osnabrück hergestellten Exemplare gingen über den Atlantik. Das Modell sah sportlich aus, aber sein Motor leistete anfangs nur 30 PS. Trotzdem ist der Karmann-Ghia bis heute vielen US-Amerikanern bekannt. 2019 ließ US-Regisseur Quentin Tarantino in seinem Film "Once Upon a Time in Hollywood" Sharon Tate (gespielt von Margot Robbie) mit einem 1968er-VW-Karmann-Ghia durch Los Angeles fahren.
Kampf gegen japanische Konkurrenz
Seine wachsende Modellpalette hat VW auch auf dem US-Markt ausgebreitet: Der Typ 3 (VW Squareback), der Passat (zeitweise VW Dasher), der Golf (zeitweise VW Rabbit), der Scirocco, der Jetta, der New Beetle/Beetle und der Tiguan sollten die ganz normalen Verbraucher begeistern. Qualitativ galten und gelten die Modelle als gut, aber der Blick auf die Absatzzahlen verriet Jahr für Jahr: Die japanische Konkurrenz fand mehr US-amerikanischen Kunden.
Un-pimp ze Auto
Im Februar 2006 landete VW einen unvergessenen Werbe-Kracher für die GTI-Version der fünften Golf-Generation. In drei 30-Sekunden-Spots verschrotten der schwedische Schauspieler Peter Stormare, als deutscher Ingenieur Wolfgang, und das Hamburger Model Zonja Wöstendiek, als seine Assistentin Helga, einen jeweils heftig getunten Mitsubishi Eclipse, Ford Focus und Honda Civic. Dann zeigten sie den überraschten Besitzern einen schneeweißen Golf GTI als Alternative. Stormares Sprüche wie "Un-pimp ze Auto", "V Dub in da House" und "V Dub – representing Deutschland" galten als Kult – auch, weil sie mit der nötigen Portion Selbstironie herüberkamen. Vielleicht hatte dieser PR-Erfolg die Abenteuerlust der VW-Entscheider weiter angefacht. Anders lässt es sich kaum erklären, dass die Wolfsburger zwischen 2008 und 2014 den Chrysler Voyager in den USA als "Routan" anboten – am Ende stand ein qualitativ und finanziell herber Misserfolg. Und dann kam es für die Wolfsburger ganz dick.
2015 deckte die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) auf, dass VW eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung seiner Diesel-Fahrzeuge eingesetzt hat, um das Einhalten von Emissions-Grenzwerten vorzutäuschen. VW hatte schlicht US-Behörden beschissen. Eine allergische Reaktion der Amerikaner mit immens hohen Strafzahlungen war programmiert. In diesem Zuge kam heraus, dass VW, und auch andere Hersteller sowie Zulieferer, weltweit mit manipulativer Software gearbeitet hatten. Das Ergebnis wirkt bis heute nach: Der Diesel-Skandal hat als einer der Tiefpunkte in der Geschichte des Automobils der gesamten Autobranche einen schweren Imageschaden zugefügt. Und die Kosten für VW inklusive Strafzahlungen, Rückforderungen und Nachbesserungen beziffern Experten inzwischen auf über 50 Milliarden Dollar. Immerhin hatte VW zu diesem Zeitpunkt schon ein speziell für den US-Markt entwickeltes Fahrzeug in der Entwicklung.
Neue VW-Marke Scout
Mit dem Atlas sollte der VW-Marktanteil in den USA wachsen. Das SUV basiert auf der größten Ausprägung des Modularen Querbaukastens (MQB), hat dank Quermotor eine tolle Raumausnutzung mit bis zu sieben Sitzen und es ist günstig: Bei 38.000 Dollar (aktuell umgerechnet zirka 34.900 Euro) geht es los. Diese Anpassung an die Wünsche der US-Kunden hat VW geholfen – auch wenn in Sachen Kundenzufriedenheit beim Atlas noch Luft nach oben ist, wie das unabhängige und mächtige US-Verbraucherschutz-Portal Consumer Reports 2023 vermeldet hat. Aber VW ist auf der richtigen Spur – und will jetzt mit einer neuen US-Untermarke durchstarten.
Der von 1960 bis 1980 von International Harvester gebaute Scout gilt bei Amerikanern inzwischen als Legende. International Harvester benannte sich 1984 in Navistar um und im Juli 2021 schluckte die VW-Nutzfahrzeugtochter Traton den amerikanischen Hersteller. Damit gingen auch die Rechte am Modellnamen "Scout" an VW – was die Wolfsburger jetzt geschickt nutzen. Scout soll als Marke für auf US-amerikanische Bedürfnisse zugeschnittene günstige Elektroautos wiederauferstehen. Als Erstes kommt ein Pick-up.
Pick-up für die Massen
Der Ford F-150 ist ein Pick-up und das seit Jahrzehnten ununterbrochen meistverkaufte Auto in den USA. Nicht umsonst bieten Toyota (Tacoma, Tundra), Honda (Ridgeline), Nissan (Frontier, Titan) und Mitsubishi (Triton/L200) dort seit Jahren in den USA produzierte Pick-ups an. Seinen Amarok hat VW bisher nicht in den USA verkauft – die 1964 als Ergebnis von Zoll-Streitigkeiten zwischen Europa und den USA eingeführte Chicken Tax macht in die USA importierte Nutzfahrzeuge unwirtschaftlich teuer. Außerdem waren Teile des Vorderwagens der ersten in Hannover und Argentinien gebauten Amarok-Generation mit denen des Porsche Cayenne identisch – und damit für den niedrigpreisigen Pick-up-Markt viel zu teuer. Die zweite Generation basiert auf dem Ranger von Kooperationspartner Ford, dem VW auf dem US-Markt aktuell keine Konkurrenz macht. Der neue VW Scout Pick-up entsteht in einem VW-US-Werk.
Um Scout hat VW lange ein Geheimnis gemacht. Zusätzlich zum Pick-up soll ein SUV kommen. Das Aussehen haben die Wolfsburger bisher nicht verraten – es gibt nur finstere Teaserbilder. Aber noch 2024 möchte VW seinen ersten Scout vorstellen. © auto motor und sport
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