Namensänderung, Vertragsverlängerung, neuer Sponsor – die Veranstalter von Deutschland Tour, Eschborn-Frankfurt und Cyclassics haben umtriebige Wochen hinter sich. Wir haben mit A.S.O. Germany-Geschäftsführer Matthias Pietsch gesprochen.

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ROADBIKE: Herr Pietsch, gefühlt trudelte zuletzt täglich eine Pressemeldung von Ihnen ins Haus: Als Ausrichter von Deutschland Tour, Eschborn-Frankfurt und Cyclassics in Hamburg heißen Sie ab sofort A.S.O. Germany, mit dem Bund Deutscher Radfahrer haben Sie eine langfristige Kooperation bis ins Jahr 2050 zur Ausrichtung der Deutschland Tour vereinbart, und dann konnten Sie den ADAC als neuen Partner bei allen A.S.O.-Veranstaltungen in Deutschland vorstellen. Läuft bei Ihnen.

Matthias Pietsch: Ja, die letzten Wochen waren sehr angenehm. Die Namensänderung unserer Firma von "Gesellschaft zur Förderung des Radsports" in "A.S.O. Germany" wirkt auf den ersten Blick vielleicht am wenigsten spektakulär, ist aber ein folgerichtiger Schritt und zeigt, wo wir hingehören: Wir sind seit 2017 eine hundertprozentige Tochter der A.S.O., dem weltweit größten Radrennveranstalter und Ausrichter der Tour de France – das spiegelt sich nun auch im Namen wider. Für den Radsportfan ändert sich dadurch wenig. Für uns ist es aber ein naheliegender Schritt gewesen, der uns helfen wird, weiter an Bekanntheit zu gewinnen und unsere Rennen sicherstellen zu können. Dass wir im Falle der Deutschland Tour langfristige Planungssicherheit geschaffen haben durch den Vertrag mit dem Deutschen Radsportverband, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt. Große Rennen sind aber nur mit Sponsoren zu finanzieren. Die ADAC-Partnerschaft ist deshalb ein Knaller! Das war wirklich eine tolle Nachricht zum Jahresende – nicht nur für uns.

Den ADAC verbinden wir instinktiv erstmal mit motorisierten Gefährten. Was ist der Hintergrund?

Der ADAC ist Europas größter Verkehrsclub und hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Produkte und Dienstleistungen rund um Mobilitätsthemen entwickelt – weit über den motorisierten Verkehr hinaus. Dazu zählt unter anderem auch die ADAC-Fahrradpannenhilfe. Die Partnerschaft mit unseren Rennen ist vielfältig: In Hamburg wird der Mobilitätsclub künftig als Namenspartner der ADAC Cyclassics auftreten – sowohl für das Profi- als auch das Breitensportrennen. Bei Eschborn-Frankfurt wird der ADAC als Namenspatron die Rennen der Hobbysportlerinnen und -sportler unterstützen, die künftig unter ADAC Velotour firmieren. Und das Breitensportrennen der Lidl Deutschland Tour heißt ab sofort ADAC Cycling Tour, beim Profirennen ist der ADAC zudem Partner der Tageswertungen. Wir sind glücklich und stolz, dass wir eine weitere große deutsche Marke begeistern konnten, sich im großen Stil im Radsport zu engagieren. Das ist ein wichtiger Meilenstein! Wir erhalten mit diesem langfristigen Engagement Planungssicherheit und können wiederum den ADAC dabei unterstützen, den Wandel in der Mobilität mitzugehen.

Ist es nicht paradox, dass sichtbar mehr Fahrrad gefahren wird sowohl im Alltag, als auch sportlich, viele Events gut gebucht oder gar ausverkauft sind und Profirennen ein großes Publikum anziehen, gleichzeitig aber die Fahrradindustrie in einer tiefen Krise steckt?

Ohne Experte für die Fahrradindustrie zu sein: Vermutlich muss man trennen zwischen dem Spaß am Radfahren und der Attraktivität des Profisports einerseits und dem konkreten Konsumklima andererseits, das ja gerade allgemein gedämpft ist. Aus unserer Sicht, die sehr stark durch die Vermarktung unserer Veranstaltungen geprägt ist, kann ich sagen: Der Radsport ist nicht in der Krise. Als wir 2016 bis 2018 angefangen haben, die Deutschland-Tour wiederzubeleben, war es für uns viel schwieriger, Sponsoren zu gewinnen. Es gab mehr Skepsis, mehr Erklärungsbedarf, mehr Absagen. Heute führen wir trotz der eigentlich schwierigen wirtschaftlichen Situation in Deutschland sehr viele gute Gespräche, stoßen auf offene Ohren und freuen uns über erfolgreiche Abschlüsse neuer Partnerschaften oder die Verlängerung von bestehenden Verträgen. Auch der Einstieg von Red Bull ins Radsportsponsoring ist ein wichtiges Zeichen und zeigt: Das Blatt hat sich gewendet.

Vielleicht auch Ausdruck dessen, dass der Radsport für Sponsoren ein vergleichsweise gutes Preis-Leistungsverhältnis bietet?

Das mag sein. Wir sprechen aber auch ein globales und besonderes Publikum an und haben viele Anknüpfungspunkte: Sport und Lifestyle, gesundes Leben, nachhaltige Mobilität, um nur einige zu nennen. Viele Menschen fahren Fahrrad, können sich leicht damit identifizieren und fühlen sich angesprochen.

2025 wird es keinen German Cycling Cup mehr geben, die große Serie von Hobbyrennen in Deutschland. Wie nehmen Sie die Situation des Jedermann-/-frauradsports in Deutschland wahr?

Die Rennserie gibt es nicht mehr, und dafür wird der Verband seine Gründe haben. Grundsätzlich boomt der Hobbyradsport in Deutschland, so meine Wahrnehmung. Bei Eschborn-Frankfurt waren wir dieses Jahr ausverkauft mit über 10 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern [Rennbericht von ROADBIKE], was bedeutet, dass sich das Publikum seit 2017/18 verdoppelt hat. Die Cyclassics in Hamburg hatten früher mehr Teilnehmende, das ist richtig, aber die Entwicklung ist positiv, und die vergangenen Zahlen zeigen das Potenzial und was man wieder schaffen kann. Die Cycling Tour, also das Jedermann-/-fraurennen im Rahmen der Deutschland Tour, ist ein Sonderfall, da sie jedes Jahr an einem anderen Standort stattfindet. Also ist es stets eine spannende Herausforderung, vor Ort und darüber hinaus für das Event zu trommeln. Das sind jetzt nur unsere Events, aber bei den anderen läuft es ja auch gut. Radfahren funktioniert gerade!

Eine wichtige Frage ist die Sicherheit, auch bei den Cyclassics in Hamburg dieses Jahr gab es Stürze.

Das ist leider richtig. Die Sicherheit aller Teilnehmenden ist uns sehr wichtig, und deshalb gibt es auch Grenzen des Wachstums, die wir nicht überschreiten werden. Ein wichtiger Hebel ist die Streckengestaltung und deren Sicherung – übrigens durch viele Freiwillige. Aber auch die Teilnehmenden können zur Sicherheit beitragen. Mein Appell ist deshalb, solche Events vielleicht nicht immer zu 100 Prozent als Wettkampf zu sehen, sondern als Gemeinschaftserlebnis und seltene Gelegenheit, auf gesperrten Straßen zu fahren. Leider beobachten wir die Tendenz, dass leistungsstarke Fahrer sich für Blöcke weit hinten anmelden bzw. dort aufstellen. Es mag ein gutes Gefühl sein, ständig zu überholen, führt aber zu gefährlichen Situationen. Auch wenn es nicht ganz einfach ist, werden wir versuchen, solche Verhaltensweisen künftig zu erschweren.

Sprechen wir über die Deutschland-Tour. Was sind die Ziele, jetzt wo die Austragung bis 20250 in Händen der A.S.O. Germany liegen wird?

Als wir 2016 das Comeback der Deutschland Tour geplant haben, war die Vision klar: Sport auf internationalem Top-Niveau und ein modernes Mitmach-Programm für Alle, um für Spaß am Radsport zu sorgen. Mit diesem Gedanken haben wir der Marke "Deutschland Tour" einen zeitgemäßen Anstrich verliehen. Das Feedback der Profis, Fans und Etappenstädte auf die Austragungen bisher ist durchweg positiv. Genau daran wollen wir anknüpfen und haben dafür Planungssicherheit, auch dank vieler Sponsoren wie Lidl, Škoda, Tissot, Ferrero, zuletzt ADAC und vielen mehr. Das lässt keinen Zweifel: Die Deutschland Tour lebt!

Würde dazu beitragen, die Protagonisten der Tour de France wie Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard und Co. bei der Deutschland Tour am Start zu haben?

Das würde mit Sicherheit nicht schaden. Auf die Kaderplanung der Teams haben wir aber keinen Einfluss. Ich dene, dass sich die Starterfelder der letzten Jahre sehen lassen können.

Gibt es Pläne für die Einführung einer Deutschland-Tour der Frauen?

Wir prüfen das natürlich kontinuierlich, zumal die A.S.O. mit der Tour de France Femmes, aber auch Vuelta, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne und Flèche Wallonne gute Erfahrungen sammelt und den Frauenradsport stark pusht. Ich muss gestehen, da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: für den Radsportfan, der gerne eine Deutschland-Tour der Frauen sehen würde, und für den Geschäftsführer der A.S.O. Germany, der weiß, dass das Team mit den bereits bestehenden Veranstaltungen derzeit gut ausgelastet ist. Aktuell gibt es deshalb keine konkreten Pläne, mittelfristig wäre das aber schön!

Wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem französischen Mutterkonzern?

Sehr eng, die Teams stehen täglich in Kontakt. Vom strategischen bis hin zum operativen Geschäft. Es ist ein sehr guter Austausch, eine sehr gute Zusammenarbeit! Für die A.S.O. war die Übernahme von Deutschland Tour, Eschborn-Frankfurt und Cyclassics eine große Investition, aber der deutsche Markt entwickelt sich gut, das Publikum- und Sponsoreninteresse an unseren Rennen wächst, und auch die Tour de France wird jedes Jahr stärker wahrgenommen.

Wann kommt die Tour de France wieder nach Deutschland?

Das würden wir sehr gerne sehen und hoffen, dass wir mit unserer täglichen Arbeit das Interesse am Radsport in Deutschland weiter steigern und dazu beitragen, die Tour eines Tages wieder nach Deutschland zu holen. Klar ist: Der Grand Départ in Düsseldorf ist schon eine Weile her – langsam wird es wieder Zeit. Zudem gibt es auch konkrete Nachfragen: Städte und Gemeinden, die mit uns zusammengearbeitet und erkannt haben, wie stark sie von der Ausrichtung eines großen Radrennens profitieren, setzen sich mit dem Thema Tour auseinander und fragen aktiv bei uns nach. Aktuell ist nichts zu vermelden, aber wir wollen die Tour mittelfristig wieder nach Deutschland holen. Die Frage ist nur wie: Ein kleiner Abstecher während einer Etappe ist natürlich viel einfacher zu organisieren, als wenn hier eine Etappe endet oder startet. Oder mehrere. Der größte Aufwand ist ein Grand Départ. Ich kann sagen: Unser Ziel wäre Letzteres.

Blicken wir in die Zukunft: Was erhoffen Sie sich von der Deutschland-Tour 2030 oder 2035?

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2030 hat die Deutschland Tour ein, zwei Etappen mehr, längere TV-Übertragungszeiten, und alle deutschen Fahrer stehen am Start, die vier Wochen zuvor noch in Frankreich für Furore gesorgt haben. 2035 spätestens steht der Tour de France-Sieger selbst am Start, der im Idealfall sogar mal wieder aus Deutschland kommt. Die Rundfahrt umfasst zwei Wochenenden und ist in die WorldTour aufgestiegen. Sie ist sportlich und wirtschaftlich komplett etabliert – und begeistert hunderttausende Menschen am Straßenrand und Millionen an den Bildschirmen.

Wir drücken die Daumen, vielen Dank für das Gespräch.  © Bike-X

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