Nur ein paar Zeichnungen überlebten von dem Auto Union-Projekt Typ 52. Audi ließ den ersten Supersportwagen der Welt 90 Jahre später zur Wirklichkeit werden. Ein erster ausführlicher Blick auf das aufsehenerregende Einzelstück.

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Es ist supergeheim. Ich darf vorher nichts verraten, heißt es in der Mail, die mich zum Windkanal nach Ingolstadt einlädt. Aber vielleicht könne ich mich ja schon mal zum Thema Auto Union Typ 52 einlesen. Was man vorher weiß: Als die Auto Union 1933 kurz nach ihrer Gründung aus den Marken Horch, DKW, Wanderer und Audi beschließt, mit den Konstruktionen des Ingenieurbüros Porsche in den Grand Prix-Sport einzusteigen, entsteht die Idee, die Technik der Rennwagen auf einen Straßensportwagen zu übertragen.

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Porsche wird mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, Zeichnungen und Entwürfe entstehen – unter anderem von Ernst Komenda, dem späteren Porsche-Karosserieentwickler. Das Projekt gedeiht so weit, dass der Sportwagen sogar einen Namen erhält: Typ 52. Er soll auf der Technik des ersten Grand Prix-Wagens, später Typ A genannt, basieren. Mit anderen Worten: 4,4 Liter-16-Zylinder längs vor der Hinterachse, mit reduzierter Verdichtung und geänderter Übersetzung immer noch rund 200 PS stark.

200 km/h sind möglich

Laut Berechnungen der Ingenieure soll das für 200 km/h reichen. Klingt heute nicht nach viel, Anfang der 30er wäre der Typ 52 der weitaus stärkste und schnellste Straßensportwagen der Welt gewesen. Der sogenannte Schnell-Sportwagen sollte an Privatleute verkauft, aber auch bei Langstrecken- und 24-Stunden-Rennen wie Mille Miglia oder Le Mans eingesetzt werden. Der Bau eines Versuchswagens wird beschlossen. Doch dazu kommt es wahrscheinlich nicht. Warum die Pläne nicht weiter gediehen, die Zeichnungen in Schubladen verschwanden und erst Jahrzehnte später im Porsche-Unternehmensarchiv gefunden wurden, ist nicht mehr nachvollziehbar. Auch die Tatsache, dass der Firmensitz in Zwickau nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Sowjettruppen geplündert, Autos, Pläne, Werkzeugmaschinen und Archivalien verschwanden, mag eine Rolle gespielt haben.

Bis heute. Da öffnet sich die Sicherheitsschleuse zum Windkanal und du stehst erst einmal sprachlos da. Obwohl du Zeichnungen und Modellautos, die den Typ 52 nachempfinden, studiert hast. Aber die Wirkung des als Straßensportwagen verkleideten Auto Union Typ A auf den unbefangenen Betrachter hat, ist tatsächlich atemberaubend. Lang und flach kauert er auf den Wiegeplatten des Kanals. Ein Lasersystem tasten die Konturen ab. Stefan Trauf, Chef der Audi Tradition und Timo Witt, Leiter der historischen Fahrzeugsammlung von Audi warten auf den Besucher. Es ginge heute darum, Stirnfläche und cw-Wert des Typ 52 zu messen, erläutert Timo Witt. Nicht, dass man die Werte bräuchte, sekundiert Stefan Trauf: "Wir haben als Audi Tradition das große Glück, Einrichtungen wie den Windkanal nutzen zu dürfen. Für die Mitarbeiter hier ist es ein besonderes Erlebnis, mal so ein Auto hier zu haben. Und sie machen mit viel persönlichem Engagement einiges möglich, was es sonst nicht gäbe."

520 PS und 6.005 Kubik

Die Ergebnisse der Windkanalmessung liegen noch nicht vor. Andere dagegen schon: 6.005 Kubik, 520 PS bei 5.200/min. Und ein Treibstoff, der aus 50 Prozent Methanol, 40 Prozent Superbenzin und zehn Prozent Toluol besteht. Für alle Nichtchemiker: Toluol ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, der unter anderem in seiner dreifach nitrierten Form als TNT bekannt ist. Der ursprünglich geplante Motor sollte aus dem Auto Union Typ A stammen. "Wir haben als Motor einen 16-Zylinder des Typ C verwendet. Einfach weil wir den bereits hatten", sagt Timo Witt. "Einige Teile waren vorhanden, doch es ist praktisch ein neuer Motor. Allerdings musste einiges geändert werden. Unter anderem, weil der Typ C-Motor als reiner Rennmotor nur von hinten per Fremdstarter gestartet werden konnte", führt der Ingenieur weiter aus.

Der Motor habe ein Schwungrad mit Zahnkranz und Anlasser erhalten, so dass er ganz normal gestartet werden könne. Die Rennmotoren können ausschließlich von hinten mit einer Fremdstartanlage angeworfen werden, etwas unpraktisch bei einem Straßenauto. Und weil der Rennmotor über keine reduzierte Verdichtung verfügt, sei der besondere Treibstoff der Grand Prix-Renner Typ A bis D vonnöten. Denn der Wagen ist kein reines Schauobjekt, er fährt. Beim ersten Rollout auf einem kleinen Rennkurs in England habe der Typ 52 bis auf Kleinigkeiten problemlos funktioniert, erzählen die Audi-Leute.

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Crosthwaite & Gardiner

England? Ja, denn gebaut wurde das Auto Union-Einzelstück nicht bei Audi, sondern den englischen Spezialisten von der Firma Crosthwaite & Gardiner, die bereits mehrere Auto Union-Renner restauriert oder auch neu aufgebaut haben. Stefan Trauf hat nur lobende Worte für die englischen Fachkräfte übrig: "Wir haben mit Crosthwaite & Gardiner hervorragende Partner, die auf unsere Vorschläge eingehen und viele eigene Ideen einbringen, eine sehr gute Zusammenarbeit, um das bestmögliche Produkt herauszubringen", lobt der Chef. Und Timo Witt weist auf ein scheinbar nebensächliches Detail des Typ 52 hin: "Zu deren Liebe zum Detail passt auch, dass sie uns ein Werkzeugset mitgegeben haben, unter anderem mit einem Kupferhammer, um die Radmuttern beim Lösen oder Festziehen nicht zu verkratzen".

Wir umrunden den Wagen im Windkanal, was einige Zeit in Anspruch nimmt, weil er fast fünfeinhalb Meter lang ist, es unzählige Details zu bewundern gibt und das Duo Trauf und Witt zu jedem einige Geschichten kennen. Etwa zu den überraschend kleinen Scheinwerfern. Weil es keine so genauen Zeichnungen gebe, habe man etwas experimentieren müssen. Zu groß dürften sie nicht sein, weil das Auto erstens damit glubschig dreinschaue und weil ausladende Scheinwerfertöpfe zu weit in die Radhäuser ragten. Jetzt passten aber die Proportionen, finden beide. "Und an den integrierten Scheinwerfern erkennt man auch, wie weit das Auto aerodynamisch vorausgedacht war. Eigentlich war das ja noch die Zeit der freistehenden Scheinwerfer und offenen Kotflügel", erklärt Trauf. Auch mit der Lackfarbe sei es so eine Sache gewesen, genaue wisse man schließlich nicht, wie die Silberpfeile der 30er lackiert waren. Der Typ 52 ist jetzt Zellulose-Silber lackiert. Das gefällt allen so gut, dass es sogar Überlegungen gebe, die anderen Silberpfeile aus der Sammlung ebenfalls in Zellulose-Silber zu lackieren.

Drei Personen in Reihe 1

Der Fahrer sitzt übrigens in der Mitte, rechts und links sind zwei Sitze für leidensfähige Passagiere. Denn viel Platz ist trotz der 3,3 Meter Radstand nicht. Ob sich die Konstrukteure des McLaren F1 Inspirationen aus den Zeichnungen des Typ 52 holten? Man weiß es nicht. Rechts vom Fahrer ragt ein massiver Schalthebel aus einer offenen Fünfgang-Kulisse. Das alles sei so aus dem Typ C-Rennwagen übernommen, einschließlich des Getriebes. Wann erfährt denn die Öffentlichkeit vom Auto Union Typ 52? Am Vorabend des Goodwood Festival of Speed werde er enthüllt, danach beim Hillclimb von Hans-Joachim Stuck gefahren. Passend kann die Fahrerwahl nicht sein, denn schließlich gehörte Hans Stuck Senior zum exklusiven Kreis der Auto Union-Werkspiloten jener Epoche. Wie im Übrigen auch auto motor und sport-Gründer und -Verleger Paul Pietsch.

Und dann vergisst du vor lauter Staunen im Windkanal zu fragen: Warum macht Audi das, lässt in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit ein Auto entstehen, das es so nur auf Papier gab? Darauf hat Audi Traditions-Chef Stefan Trauf die passende Antwort: "Der Typ 52 wäre sicher einer der stärksten und schnellsten Straßen-Sportwagen seiner Zeit gewesen. Das war auch für uns ein Ansporn, diese Technikbegeisterung, die sich in diesem Entwurf zeigt, umzusetzen. Vorsprung durch Technik war schon damals bei der Auto Union ein Thema, auch wenn noch keiner wissen konnte, dass es den Slogan mal geben wird. Das Auto passt zu unserer Unternehmensgeschichte, zur Silberpfeil-Epoche. Und es verbindet die Auto Union jener Jahre mit unseren heutigen Fahrzeugen von Audi." Das kann man durchaus so sehen.  © auto motor und sport

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