Schlettau - Um 11.38 Uhr rollt der Triebwagen am Bahnhof Schlettau an, doch der Führerstand ist verwaist. Allerdings ist hier im Erzgebirge kein Geisterzug unterwegs, sondern die Bahntechnik der Zukunft wird erprobt.
Zeitgleich sitzt in Braunschweig Lokführer Volker Grube vor zwei Bildschirmen und steuert den Wagen mit sicherer Hand. Dazu bekommt er in Echtzeit Kameradaten aus dem Zug übertragen. Rund drei Jahre wurde an dem Projekt zur Fernsteuerung von Zügen geforscht - mit dem Ergebnis zeigten sich die Beteiligten aus Wissenschaft und Wirtschaft am Mittwoch sehr zufrieden.
Züge aus der Ferne zu steuern ist nach Expertenangaben ein wichtiger Baustein hin zu autonomen Fahren auf der Schiene - etwa als Rückfallebene. Dabei müsse sichergestellt werden, dass ein Lokführer in der Ferne alle Informationen erhalte, um den Zug genauso sicher zu steuern, als säße er drin, erklärte der Leiter des Instituts für Verkehrssystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Michael Ortgiese. In Schlettau werden dazu die Daten mittels 5G-Mobilfunk übertragen.
Ein wichtiger Schritt
Für Laien ist die Testfahrt bis auf den fehlenden Lokführer vor Ort relativ unspektakulär: Der Triebwagen fährt mit maximal 15 Stundenkilometern wenige Hundert Meter. Dann wechselt er die Fahrtrichtung und kehrt zurück. Ortgiese spricht dennoch von einem "wichtigen Schritt". Ausschlaggebend sei, das Funktionieren der Technik in einem realistischen Szenario unter Beweis zu stellen. Gerade die Fernsteuerung und der Zugriff auf Schienenfahrzeuge über Mobilfunknetze seien Meilensteine in der Entwicklung eines modernen Bahnbetriebs.
Sachsen wolle Vorreiter bei der Entwicklung und Erprobung des autonomen Fahrens auf Straße und Schiene sein, betonte Landesverkehrsminister Martin Dulig. "Automatisierte Schienenfahrzeuge werden in Zukunft die Mobilität nachhaltig und prägend verändern." Dabei sei die Sicherheit wichtig. Hierzu biete der Freistaat mit dem "Smart Rail Connectivity Campus" samt Teststrecke im Erzgebirge eine wichtige Voraussetzung. Eine solche Infrastruktur brauche es , um bei der Bahntechnik international konkurrenzfähig zu bleiben.
In Annaberg-Buchholz wird seit Jahren mit Millionenförderung der Aufbau eines Forschungscampus rund um das Eisenbahnsystem der Zukunft vorangetrieben. Dabei geht es etwa um automatisiertes Fahren sowie hybride Antriebe. Zum Netzwerk gehören mehr als 100 Partner, darunter wissenschaftliche Einrichtungen wie die Technischen Universitäten Dresden, Chemnitz, Ilmenau und Braunschweig, Institute der Fraunhofer-Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt. © dpa
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