Sie kennen uns und unsere Zurückhaltung. So begrüßen wir Sie zu diesem Vergleichstest, denn der ist: das größte Duell des Jahres. Zum ersten Mal treten die neuen Generationen von BMW 5er und Mercedes E-Klasse gegeneinander an. Das muss sich im Text widerspiegeln: Die Schatten der Nacht ziehen langsam die Flanken des Berges empor, als die beiden Wagen oben stehen. Nur das leise Abkühl-Knistern ihrer Wärmekraftmaschinen tickert durch die andächtige Stille. Passender, sinnbildlicher könnte es gar nicht sein. Denn eine der beiden Limousinen wird auf dem Gipfel ihrer Fertigkeiten abtreten.
Was einerseits noch lange hin ist, andererseits soll es keine weitere E-Klasse auf eigener Verbrenner-Plattform mehr geben, wie Mercedes direkt bei der Präsentation des W 214 mitteilt. Das ist eine, nun, zumindest ungewöhnliche Kommunikationsstrategie, wenn man die vorfreudige Aufmerksamkeit auf die neueste Evolutionsstufe jenes Modells lenken will, das seit neun Generationen und 70 Jahren alles repräsentiert, was Mercedes ausmacht. Das immer die Erwartungen der Zeit erfüllt und dabei dennoch immer das Tempo des Fortschritts nicht nur mitgeht, sondern vorgibt. Das heißt: mit vorgibt.
Denn seit 1972 ist der BMW 5er dem Mittelklassebaureihen-Benz mal dicht auf den Fersen, mal ein paar Schritte voraus – abhängig vom Zeitversatz, mit dem die zwei in ihren jeweils neuesten Versionen starten. Zum zweiten Mal überhaupt debütieren nun eine E-Klasse und ein 5er zur gleichen Zeit.
Größenunterschied zwischen BMW 5er und Mercedes E-Klasse
Während Mercedes die E-Klasse also noch als mild- und Plug-in-hybridisierten Verbrenner (und alternativ als Vollzeitstromer den EQE auf eigener Plattform) anbietet, folgt BMW wie bei 4er und 7er der Strategie der Multitraktions-Plattform. Was – als ginge es nicht schon um genug – das Duell um die Spitze der Oberklasse um die Frage der Richtigkeit einer teuren Grundsatzentscheidung erweitert. Sollte man meinen. Und dann kommt es auch so. Also los.
Video: Alle Details zum neuen BMW 5er & i5 (G60)
Den Anspruch, eine neue Dimension zu erlangen, erfüllt der 5er auf jeden Fall bei den Abmessungen. Da reckt er sich auf ein Maß, das fast genau jenem des 7er der Generation F01 entspricht, der während seiner Regentschaft in der Luxusklasse 2008 bis 2015 auch nicht im Ruf der Schmächtigkeit stand. Doch das viele Draußen setzt der 5er in gar nicht mal viel mehr Drinnen um als der Mercedes. Von 11,1 cm mehr Länge bekommen die Fondpassagiere nur vier an weiterreichendem Normsitzraum ab. Auch von 2,0 cm mehr Breite und 4,7 cm mehr Höhe profitiert weniger die Reise-Etage als vielmehr die Technik-Katakombe der Karosserie. Schließlich gilt es, dort jede Antriebsart unterzubringen: ein bis zwei E-Motoren und die große Batterie beim i5; Verbrenner, E-Maschine und kompakten Akku beim Plug-in; gern auch mechanischen Allradantrieb beim Verbrenner. Und da bestimmt die jeweils raumgreifendste Baugruppe die Mindestgröße.
Antriebsart bestimmt Fahrwerks-Hardware des BMW 5er
Das Fahrwerk stimmt BMW nicht nur je nach Modell und dessen Gewicht – der i5 M60 xDrive wiegt rund 480 kg mehr als der 520d xDrive – anders ab, sondern verbaut auch spezifische Komponenten: geräuschisolierende Lager bei den Elektros oder ein Aluminium-Schubfeld am Vorderachsträger der Allradler. Das soll wie die gut ausbalancierte Gewichtsverteilung oder das im Testwagen montierte adaptivgedämpfte Fahrwerk und die Allradlenkung (maximal 2,5 Grad Lenkwinkel) die Fahreigenschaften zu noch höherer Souveränität befördern. Und gleichzeitig dem Handling trotz der Größe eine solch kompakte Gewandtheit verschaffen, wie man sie von BMW erwartet.
Auf den Vergleich dazu richtet sich die E-Klasse ebenfalls mit Allradlenkung (4,5 Grad) sowie adaptivem Luftfahrwerk ein – dazu innen in noch edlerer Materialauswahl, aber mit nicht gar so bequemem Mobiliar wie beim Fünfer mit Komfortsitzen (2.200 Euro). Dagegen sitzt die Bedienung beim Mercedes: Mit flacheren Bedienebenen, größeren Tastflächen (abgesehen von flutschigen Wischtasten auf den Lenkradspeichen) und besonders verständiger Sprachbedienung organisiert er die Funktionsfülle zugänglicher als der BMW.
Bedienung im BMW jetzt ohne iDrive-Controller
Dass es keine bessere Bedienung als den iDrive gibt, beweisen sie dort gerade. Allerdings eher ungewollt. Denn das aktuelle Infotainment richtet sich primär auf den Touchscreen und die Sprachassistenz aus. Daher passt die Struktur auch nicht mehr zum Drehdrücker, der sich in den tiefschichtigen, verschachtelten Bildschirmmenüs verheddert. So muss man sich an Funktionen, die man sich bisher locker aus dem Handgelenk zurechtdrehdrückerte, umständlich herantasten. Man mag – erst recht, ist man nicht allein unterwegs – ja auch nicht dauernd mit der Sprachbedienung palavern.
Ach, und dann sind da noch diese Digitalinstrumente des 5er. Sie wechseln nach nichtssagenden Bezeichnungen ("Personal", "Relaxed", "Modern Art") zwischen unterschiedlich gestalteten, aber gleichermaßen banalen, informationsarmen und schlecht ablesbaren Layouts.
Dieselmotoren in BMW und Mercedes ähnlich
So, nun aber mal Startknöpfe drücken. Die beiden Zweiliter-Vierzylinder selbstzünden los. Den 520d plustern zwei in Reihe geschaltete Lader auf 197 PS und 400 Nm. Beim 220 d genügt ein VTG-Lader für die gleiche Leistung und 440 Nm. Zudem unterstützt ihn ein mit 17 kW/205 Nm erheblich stärkerer Riemenstarter-Mildhybrid. Der boostet den Antrieb über das kurze Anfahrzaudern hinweg, harmonisiert die Leistungsentfaltung, rekuperiert emsiger und speichert schneller und häufiger genug Energie, um den Verbrenner in Rollphasen eilig auszuknipsen. So rollt der E erstaunlich oft, weit und lange einfach leise dahin. Das Wieder-Zuschalten des doppelt NOx-gereinigten OM 654 gelingt ohne Ruckeln.
Womöglich mag es auch an der Kraftfülle liegen, dass die Automatik noch gefälliger durch ihre neun Stufen wandlert als der nicht minder treffsichere Achtstufenautomat des 520d. Bei dem dieselt nun der neue Baukastenmotor mit modifizierten Einlasskanälen und Brennräumen sowie optimierter Nockenwellensteuerung, Einspritzung, Abgasführung und Common-Rail-Einspritzung. Anders als bei den Sechszylindern, bei denen als Mildhybrid ein E-Motor ins Getriebe integriert ist, lässt es BMW bei den Vierzylindern bei einem Riemenstarter-System bewenden. Das mindert keineswegs das Temperament des Antriebs. Ja, trotz geringerem Boost beschleunigt sich der 520d bei den Fahrleistungen einen kleinen Vorteil zusammen. Größer allerdings fällt der Nachteil beim Verbrauch aus mit 6,9 zu 6,6 l D/100 km im Testschnitt. Und die 5,0 l D/100 km, die dem BMW auf der Eco-Runde genügen, unterbietet der E 220 d gar um zehn Prozent. Was das enorme Effizienzpotenzial des Diesels aufzeigt: 4,5 l/100 km, ohne Trödeln, in einer der komfortabelsten, fahrsichersten und handlingvergnüglichsten Limousinen, die es derzeit gibt.
Überraschend agile Mercedes E-Klasse
Denn bereits als eher harmloser 220 d 4Matic mit Allradlenkung und Luftfederung fährt die E-Klasse dem 5er nicht nur im Slalom davon, sondern selbst einem AMG C 63 Performance+. Doch mehr noch als auf der Messstrecke überragt das Handling des Mercedes auf der Landstraße. Da drängelt der BMW mit seinem etwas strafferen Set-up und der präzisen, handfesten, aber spitzer ansprechenden und damit hibbeligeren Lenkung immer zu einer Eile, mit der er bald nicht mehr mitkommt – und für die er wegen seiner Dimensionen auch einfach zu raumgreifend ist auf den vergnüglicheren der Landstraßen. Anders als den früheren Generationen gelingt es dem G60 nicht mehr, bei all seiner Stattlichkeit noch ein Gefühl der Kompaktheit zu inszenieren. Trotz spitzerer Lenkung und gleichmäßigerer Gewichtsverteilung wirkt er ungelenker. Seine Masse zwingt ihn in Kurven schließlich in ein Untersteuern, aus dem ihn auch die variable Momentenverteilung des Allrads nicht mehr herausdrückt.
Video: Erster Check: Mercedes E-Klasse
Die 4Matic des Mercedes kann hier mehr Momente an die Vorderachse leiten, und da will der Grip einfach nicht abreißen. Fährst du mit eifrigem Tempo in eine Kurve, durchfährt sie der E einfach – praktisch unerschütterlich linientreu und von seiner grandiosen Allradlenkung in höchster Präzision geführt –, aber eben mit aller Souveränität und ganz ohne Zappeligkeit. Zwar denkst du da, dass es bereits sehr fix gewesen sei, doch dann steigerst du dennoch das Tempo. Jetzt grippen sich die Vorderräder noch bissiger in die Kurve, bleibt das Heck ebenso stabil. Das könntest du noch mal weiter treiben, aber ziemlich sicher hörst du damit auf. Nicht weil der Wagen nicht mehr könnte, sondern weil du schon so schnell bist, dass es dir genug ist – mehr als genug und viel mehr als erwartet.
Sehr guter Federungskomfort bei der Mercedes E-Klasse
Dabei verbindet die E-Klasse die Brillanz dieses Handlings mit einem Federungskomfort, mit dem sie auch weit oben in der Luxusklasse antreten könnte. Die Entwickler stimmten die Federung etwas straffer ab, was das Nachschwingen auf langen Wellen unterbindet – der E federt eine Unebenheit aus, dann steht der Aufbau wieder fest in den Luftbälgen. Und dennoch spricht das Set-up exzellent auf kleine Unebenheiten an, steckt selbst grobe, kurze Stöße flaumig weg. Diese Kombination aus höchstem Komfort, souveränen Fahreigenschaften und dennoch beschwingtem Handling ist derzeit einzigartig, schafft einen neuen Maßstab. Und ganz ehrlich, als Freunde der Kraftfahrt freut es uns doch, dass es mal nicht um diese dauernd so überpräsenten Konnektivitätsgeplänkel oder das ganze Smart-Car-Gezappel geht. Sondern um das, worauf es beim Auto ankommt: das Fahren.
Das hat ja auch der BMW sehr gut drauf. Auch sein Federungsvermögen erlangt absolutes Oberklasse-Niveau. Dass er wegen der strammeren Grundabstimmung etwas straffer auf Unebenheiten anspricht, sie etwas ungeschönter weitergibt – an sich genau das, was man von einem BMW erwartet. Was aber deshalb so wenig belobhudelt wird, weil der Mercedes eben so herausragend auftritt.
BMW 5er wechselt Spur selbständig
Immerhin kann hier bisher allein der 5er etwas allein: allein fahren. Die E-Klasse soll erst im nächsten Jahr auf Autobahnen allein fahren und selbstständig die Spur wechseln dürfen. Können könnte sie es jetzt schon, es ist ihr aber noch nicht erlaubt. Der BMW dagegen darf mit dem Autobahnpiloten bis 135 km/h ohne Hand am Lenkrad fahren. Gibt man ein Ziel ins Navi ein, wechselt der 5er gar allein die Spur zum Überholen, allerdings nur auf exaktest kartografierten Autobahnen. Auf denen bietet er im Display einen Spurwechsel an, den der Fahrer nur mit einem kurzen Blick in den jeweiligen Außenspiegel bestätigt. Das gelingt hervorragend. Und wie das Fahrwerk des Mercedes beweist es auch, wie enorm die Ingenieurskunst der deutschen Hersteller ist. Ja, dieses Autobauer-Bashing gegen die deutschen Marken ist gerade sehr in Mode. Aber man zeige sie uns, die so gehypten Wunderwagen von Tesla, Nio, Aiways, Build Your Dream, auf dass sie mal zeigen, dass sie auch nur annähernd so gut autonom, komfortabel, effizient und dynamisch fahren wie 5er und E-Klasse.
Zusammenfassung
Das in BMW 520d xDrive und in Mercedes E 220 CDI 4Matic Gebotene relativiert sogar die Preise der beiden. Ja, die Testwagen liegen nördlich von 80.000 Euro. Aber sie stellen das Maximum dessen dar, was in dieser Klasse möglich ist.
Viele werden sie sich nicht leisten können (wir übrigens auch nicht), aber das war bei Mercedes und BMW schon immer so. Andere werden sie sich nicht leisten wollen. Aber eines können sich BMW und Mercedes nicht leisten: weniger als das bestmögliche Auto zu entwickeln. BMW ist dabei ein sehr guter 5er gelungen, Mercedes aber mit der letzten E-Klasse auf eigener Plattform und gerade mit Vierzylinder-Diesel eines der besten Autos, die es je gegeben haben wird. © auto motor und sport
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