BMW bekam kürzlich eine Erfindung einer neuartigen Vorkammerzündung patentiert. Das passive System soll den Verbrauch von Benzin deutlich senken. Für Motorräder ist das denkbar, aber unwahrscheinlich. MOTORRAD erklärt.

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Ingenieure und Entwickler stehen stets vor einem grundlegenden Zielkonflikt: Wie maximale Leistung mit höchster Effizienz in Einklang bringen? Diese beiden Faktoren sind entscheidend für die Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren, insbesondere in Zeiten, in denen sowohl die Nachfrage nach leistungsstarken Fahrzeugen als auch der Druck zur Reduzierung von Emissionen wächst.

Video: Kurz erklärt - BMW Patent zur Vorkammerzündung

Der Zielkonflikt bei der Motor-Entwicklung

Eine vielversprechende Technologie, die helfen könnte, diesen Zielkonflikt zu lösen, ist die Vorkammerzündung. Ein kürzlich veröffentlichtes Patent von den Bayerischen Motoren Werken (BMW) beschreibt detailliert, wie diese im Grunde alte Technik optimiert werden kann, um in Kraftfahrzeugen und damit möglicherweise auch in Motorrädern die Effizienz zu steigern – und gleichzeitig hohe Leistung zu gewährleisten.

Wie funktioniert eine Vorkammerzündung?

Die Vorkammerzündung hat eine lange Geschichte, die bis in die frühen Tage der Dieselmotoren anno 1908 zurückreicht. Diese Technologie nutzt eine kleine Kammer – die sogenannte Vorkammer – in die der Kraftstoff eingespritzt und dort selbst-gezündet wird, bevor die Flamme in den Hauptbrennraum übertritt. Ursprünglich wurde die Vorkammerzündung entwickelt, um den zuvor nötigen Kompressor bei Diesel-Motoren zu ersetzen. Positive Nebeneffekte waren: Die Verbrennung verlief effizienter, und gleichzeitig sanken die Emissionen.

Von der Direkteinspritzung verdrängt

Ab Ende der 1990er-Jahre wurde die Vorkammer bei Diesel-Motoren jedoch weitgehend von modernen Direkteinspritzsystemen verdrängt. Übrigens: Moderne Direkteinspritzungen und die Common-Rail-Technik wurden von den Nachfahren von Prosper L´Orange entwickelt, der 1908 den ersten funktionstüchtigen Vorkammer-Diesel-Motor für die Mannheimer Motorenwerke entwickelte, bevor er bei Mercedes die Entwicklung fortführte.

Aktive und passive Vorkammer im Ottomotor

Heute erlebt die Vorkammerzündung eine Renaissance, allerdings für fremdgezündete Ottomotoren, die durch die notwendigen Zündkerzen die ein oder andere technische Hürde aufstellt. Mahle schlug 2018 mit einem neuen System für große Nutzfahrzeug-Motoren auf und war maßgeblich an der Entwicklung entsprechender Systeme für die Motoren der Formel 1 beteiligt. Aktuell gibt es 2 unterschiedliche Bauweisen der Vorkammerzündung in fremdgezündeten Motoren.

Die aktive Vorkammer hat eine direkte Kraftstoffeinspritzung, sprich das fette Gemisch entsteht in der Vorkammer selbst, während die Einspritzung das magere Gemisch im Hauptbrennraum nachgelagert bildet. Die passive Vorkammer spritzt direkt in den Hauptbrennraum ein und bildet das fette Gemisch erst über Überstromkanäle oder Prallbleche in der Vorkammer. Anschließend laufen beide Verfahren gleich ab: Eine Zündkerze zündet das fette Gemisch fremd, die Flammen breiten sich in den Hauptbrennraum aus und entzünden dort das magere Gemisch.

Vorteile und Nachteile der Vorkammerzündung

Die Vorkammerzündung bietet eine Reihe von Vorteilen, die sie zu einer Option für verschiedene Motoranwendungen machen. Einer der wichtigsten Vorteile ist die bessere Verbrennung: Durch die vorbereitende Verbrennung in der Vorkammer wird die Flammenfront kontrolliert in den Hauptbrennraum geleitet. Dies führt zu einer gleichmäßigeren und effizienteren Verbrennung, da das Gemisch im Hauptbrennraum bereits optimal vorbereitet ist.

Vorteil: Weniger Emissionen

Diese verbesserte Verbrennung trägt auch dazu bei, dass die Motoren reduzierte Emissionen aufweisen. Insbesondere die Bildung von Ruß und Stickoxiden (NOx) kann durch die Vorkammerzündung verringert werden, was zu einer geringeren Belastung der Umwelt führt.

Vorteil: Weniger Vibrationen

Ein weiterer Vorteil der Vorkammerzündung ist die Laufkultur des Motors. Diese Technologie sorgt für einen ruhigeren Motorlauf, besonders bei niedrigen Drehzahlen. Da die Verbrennung in der Vorkammer weicher und gleichmäßiger erfolgt, werden Vibrationen und Geräusche reduziert.

Video: Der Avadi Motor im Video

Nachteil: Hohe Wärmebelastung

Trotz dieser Vorteile gibt es einige Nachteile der Vorkammerzündung. Einer davon sind die Wärmeverluste, die auftreten können, da ein Teil der Verbrennung in der Vorkammer stattfindet. Diese Wärmeverluste können den Wirkungsgrad des Motors reduzieren, da nicht die gesamte erzeugte Energie zur Leistungssteigerung genutzt werden kann.

Nachteil: Hoher Aufwand

Ein weiterer Nachteil ist die Komplexität der Vorkammerzündung. Der Bau solcher Motoren ist aufwendiger und erfordert eine präzise Abstimmung, um eine optimale Verbrennung zu gewährleisten. Diese Komplexität kann zu höheren Produktionskosten und einem erhöhten Wartungsaufwand führen, was die Attraktivität der Technologie in einigen Anwendungen einschränken kann. Zum Vergleich: BMW geht von einem optimalen Verhältnis von Vorkammer zu Hauptkammer von 0,2 Prozent aus, während alte Vorkammer-Diesel-Motoren noch 35 Prozent haben mussten. Sprich: Die neue Vorkammertechnik ist der alten weit voraus, dafür deutlich filigraner.

Neue BMW-Motoren mit Vorkammerzündung?

Das in dem BMW-Patent beschriebene passive Vorkammerzündsystem soll die Verbrennung im Motor optimieren. Ein zentraler Punkt ist dabei das gezielte Steuern des Kraftstoff-Luft-Gemischs in der Vorkammer im Vergleich zum Hauptbrennraum. Im Patent wird beschrieben, dass durch speziell gestaltete Öffnungen das Gemisch in der Vorkammer fetter, also mit mehr Kraftstoff, gebildet wird als im Hauptbrennraum, wohl über eine Schichtladung. Dies wird durch eine kontrollierte Einspritzung erreicht, die sicherstellt, dass die Verbrennung in der Vorkammer besonders intensiv und schnell verläuft. Je nach Kraftstoff und Einsatzart können entsprechend ausgestattete BMW-Motoren die gleiche Leistung mit bis zu 20 Prozent weniger Kraftstoff erreichen.

Vorkammerzündung ist kurzfristig keine Technik für Motorräder

Zwar liegt der Gedanke nahe, eine neue Generation Boxer, Reihenvierer, Paralleltwins oder Sechszylinder in Motorrädern von BMW bekämen die Vorkammerzündung eingebaut, doch es gibt Stand September 2024 keinen Grund dafür. Wo Flottenverbräuche beim Auto den Einsatz spritsparender Techniken bestimmen, unterliegen Motorräder keinen Regeln, um Kohlendioxid zu sparen, was direkt mit dem Verbrauch von Benzin zusammenhängt. Selbst wenn BMW fast traditionell Motoren mit vergleichsweise hoher Effizienz baut. Es werden – ohne Änderungen der Normen – erst einmal keine Motorradmotoren mit dieser Technik kommen. Tatsächlich ist die Vorkammerzündung noch 2 Schritte weiter als die Motoren in Motorrädern sind, denn die sind mit Saugrohreinspritzungen und bisher noch seltenen variablen Ventilsteuerungen technisch vergleichsweise alt und meistens rein auf Leistung getrimmt.

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Fazit

BMW hat ein Patent für eine optimierte Vorkammerzündung eingereicht, die Effizienz und Leistung von Motoren steigern soll. Diese Technik wird jedoch vorerst nicht in Motorrädern eingesetzt, da diese keine CO₂-Einsparungen erfordern. Die Vorkammerzündung bietet Vorteile wie bessere Verbrennung und weniger Emissionen, hat jedoch auch Nachteile wie hohe Wärmebelastung und Komplexität.  © Motorrad-Online

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