Sowohl Hondas Africa Twin als auch BMWs Boxer-GS gehören in den Alpen zu den am häufigsten gesichteten Motorrädern. Wir bitten R 1300 GS und die CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports zum Duell in den Alpen. Welche gewinnt den Vergleichstest?

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Die Fußstapfen, in welche die BMW R 1300 GS tritt, sind groß. Ihre direkte Vorgängerin R 1250 GS gewann das Alpen-Duell 2020 gegen die KTM 1290 Super Adventure S (MOTORRAD Ausgabe 18/2020). Der Testsieg ist ohne Zweifel auch der Anspruch der 1300er, obwohl sie als "sportlichste GS aller Zeiten" bei der Käuferschaft bislang nicht nur für Jubel sorgte. Wie MOTORRAD im direkten Vergleich mit der BMW R 1250 GS herausfand, blieb der bis dato stets hochgelobte Komfort der GS nämlich bei der Überarbeitung etwas auf der Strecke. Eine Kategorie, in der die seit diesem Jahr mit 19-Zoll-Vorderrad erhältliche Honda Africa Twin bekanntlich auftrumpft. Kann sie der neuen GS im Alpen-Test die Stirn bieten?

Video: Alpen Masters 2024: BMW R 1300 GS vs Honda CRF 1100 Africa Twin AS ES DCT

Nutzerfreundlichkeit der Reiseenduros im Vergleich

In puncto Nutzerfreundlichkeit schon mal nicht, das ist bereits klar, bevor die Motoren überhaupt gestartet werden. Zur Anpassung von Mapping, Traktionskontrolle, ABS und Co. im verschachtelt aufgebauten Menü der Africa Twin braucht’s ein IT-Studium, und um die Lenkerschalter zielsicher zu bedienen, eine Pilotenausbildung. Einen Fahrmodus nach den eigenen Vorlieben zu konfigurieren ist in etwa so kompliziert wie die vollständig ausgeschriebene Modellbezeichnung der Honda: CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES DCT. Im Vergleich ist die bekannte und logische Struktur der BMW-Elektronik eine Wohltat, auch wenn die Verwendung der neuen Multifunktionswippe zur Steuerung von etwa Höhenverstellung der Scheibe oder Griff- und Sitzheizung an der BMW R 1300 GS ebenfalls nicht ohne leichte Verwirrung gelingt.

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Pässe fahren mit der Africa Twin ohne Kupplung

Nach ein paar Minuten haben wir es dann aber geschafft, Honda Africa Twin und BMW R 1300 GS zu konfigurieren, und können endlich zum Wesentlichen übergehen: Fahren. Um die mit DCT (Dual Clutch Transmission) ausgestattete Honda Africa Twin in Bewegung zu setzen, muss weder eine Kupplung gezogen noch ein Schalthebel (beides nicht vorhanden) betätigt, sondern nur auf der rechten Lenkerseite der Schalter "D" gedrückt und dann am Gas gedreht werden. Gefühlvoll lässt die Honda Africa Twin daraufhin die Kupplung schleifen und fährt los.

Ihr bäriger und kultivierter Reihentwin mit 1.084 Kubikzentimetern Hubraum verkraftet es zunächst gut, dass die Elektronik es eilig hat, die höchste Fahrstufe einzulegen. Erhaben tuckert man deshalb unter kernigem Bollern in Richtung Berg. Dort angekommen treten aber bereits erste Schwierigkeiten auf, denn um aus einer Bergaufkehre amtlich herauszubeschleunigen, ist man stets mindestens einen Gang zu hoch unterwegs. Beim Umschalten in den Sport-Modus des DCT schaltet das System dagegen erst unnötig spät hoch, was dem Fahrkomfort nicht gerade zuträglich ist. Es bleibt die Möglichkeit, manuell über die Lenkerschalter zu entscheiden, wann geschaltet werden soll. Am Pass sinnvoll, vor allem wenn bergab die Motorbremse genutzt werden soll.

GS-Boxer – sanftmütig und übermächtig

Hat man sich einmal daran gewöhnt, in den Kehren mit Gas und Hinterradbremse den Schub zu dosieren, gelingen Wendungen mit der Honda Africa Twin gut und ohne Lastwechselreaktionen. Einen wirklichen Vorteil bietet das DCT der Honda Africa Twin hier aber nicht, besonders nicht im Vergleich mit dem Antrieb der BMW R 1300 GS.

Der Boxermotor mit Shiftcam-Technik läuft auch bei Standgas geschmeidig und geht so sanftmütig ans Gas, dass man keinen Gedanken daran verschwenden muss, die Kupplung einzusetzen. Öffnet man dann zum Aufrichten der BMW R 1300 GS das Gas weiter, wird aus sanftmütig schnell übermächtig. Wie der Boxer aus niedrigen Drehzahlen anschiebt, ist beeindruckend. Bei den Durchzugsmessungen bergauf mit Sozius hebt die GS eigenständig das Vorderrad – Wahnsinn. Kippmoment, Kardanreaktionen oder störende Vibrationen gibt’s zudem nicht, und auch wenn das Getriebe sehr rau und laut rastet, stellt der Antriebsstrang der BMW den der Honda in den Schatten.

Video: Test-Talk: BMW R 1300 GS Extrem-Test mit Rekordfahrt von 0 auf 6000 Meter

Handling der Adventure Bikes am Pass

Ganz so eindeutig verhält es sich beim Handling allerdings nicht – zumindest nicht, nachdem wir die zum Test mit Metzeler Karoo 4-Stollenreifen gelieferte Honda Africa Twin auf die serienmäßigen Bridgestone A41 gestellt haben. Auf den groben 50/50-Reifen hätte sie schlicht keine Chance gehabt, da die Pneus der Belastung von 265 Kilogramm plus Fahrer auf Asphalt nicht gewachsen sind. Auf Straßenreifen hingegen schwingt die Africa Twin leichtfüßig um die Radien, und trotz des sehr soft abgestimmten elektronischen Fahrwerks geht auch das Feedback voll in Ordnung. Wenn sich die Honda Africa Twin genussvoll den Pass hinaufschraubt, macht sich im Sattel schnell Entspannung breit – schön. Ein direktes oder gar sportliches Feeling darf man dabei freilich nicht erwarten.

Bei der BMW R 1300 GS aber dafür durchaus. Handlich und neutral wechselt sie auf Metzeler Tourance Next 2 die Fahrtrichtung ein ums andere Mal und erklimmt jeden Pass flotter und mit mehr Leichtigkeit. In Bewegung fühlt sie sich deutlich leichter an, als die Waage es anzeigt (256 Kilogramm vollgetankt). Bergab kommt ihr zudem die Evo-Telelever-Vorderradführung zugute, durch die die Front beim Bremsen (Die Stopper verzögern top, das ABS regelt fein) nicht abtaucht und das Handling bergab souveräner ist als je zuvor. Auch im soften Fahrwerksmodus "Road" trifft die R 1300 GS deshalb die Linie exakt. In diesem Modus ist der Komfort hoch, auch wenn harte Schläge im straffen Sitzpolster spürbar sind.

Elektronik auf hohem Niveau

An der Funktion der Elektronik gibt’s bei beiden Adventure Bikes nichts zu mäkeln, Traktionskontrollen und ABS arbeiten auf hohem Niveau. Bei der BMW R 1300 GS empfiehlt es sich aber, die vom Radarsensor gefütterte Front-Kollisionswarnung zu deaktivieren. Beim Kehren-Stop-and-go erkennt das System sonst immer wieder eine Gefahr, die keine ist, und macht mit eigenständiger Betätigung der Bremse inklusive Discobeleuchtung im Cockpit auf sich aufmerksam.

Honda CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ES DCT

(+) Komfortables Fahrwerk

(+) Unkompliziertes Handling

(+) Sanfte Gangwechsel durch das DCT

(+) Angenehme Ergonomie

(+) Top-Elektronik

(+) Guter Sozius-Komfort

(-) Undurchsichtiges Bedienkonzept

(-) DCT-Modi nicht Pass-tauglich

(-) Im Vergleich wenig Punch

BMW R 1300 GS

(+) Laufruhiger und überall starker Motor

(+) Kein Abtauchen der Front beim Bremsen dank Telelever

(+) Keine Lastwechselreaktionen

(+) Top-Elektronik

(+) Grandioses Handling

(+) Angenehme Ergonomie

(-) Sitzpolster straff

(-) Front-Kollisionswarner stört vor Kehren immer wieder

(-) Raue Schaltung

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Fazit

Am Pass ist der Motor der BMW R 1300 GS eine Macht. Mehr Punch und sanftere Lastwechsel gibt’s im Testfeld nicht. Zudem hebt der Evo-Telelever das Handling bergab auf ein eigenes Niveau. Die komfortable Honda Africa Twin hat gerade beim lockeren Touren ihre Vorzüge, muss sich aber der neuen GS geschlagen geben.  © Motorrad-Online

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