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Die CDU erleidet mit einer Umfrage zum vermeintlichen Verbrenner-Verbot ab 2035 Schiffbruch. Warum nicht nur das bedauerlich ist, sondern auch die ganze Kampagne. Kommentar.

Verbote sind selten beliebt. Wer dagegen ist, schon eher. Dachte sich die CDU und hat gut zwei Wochen vor der Europawahl eine Kampagne gegen das sogenannte Verbrenner-Verbot ab 2035 gestartet. Eine Online-Abstimmung sollte beweisen, dass diese im Einklang mit dem Wählerwillen steht.

Neben der Umfrage auf der Website stand: "Verbrenner-Verbot abschaffen!" Die Frage lautete: "Unterstützen Sie die Forderung zur Rücknahme des Verbrenner-Verbotes?" Die zwei Antwortmöglichkeiten waren klar und deutlich: "Ja" oder "Nein". Eine Registrierung war nicht nötig. Offensichtlich wollte man es den Teilnehmern einfach machen, um möglichst viele Stimmabgaben zu erreichen. Das scheint geklappt zu haben.

Video: Der Kompromiss für E-Fuels und Verbrenner erklärt

85 Prozent fürs Verbrenner-Verbot?

Nur das Abstimmungsergebnis entwickelte sich nicht so, wie von der CDU gehofft. Laut "Bild am Sonntag" entfielen bis Samstagvormittag mehr als 85 Prozent der Stimmen auf "Nein" – also für ein Verbot von Verbrennungsmotoren und gegen die Position der CDU. Laut tagesschau.de sprach die mit der Befragung beauftragte Firma von einer massiven Manipulation. Es seien zehntausende Stimmen automatisiert abgegeben worden. Man habe der CDU daher empfohlen, die Abstimmung abzubrechen. So geschehen am Samstagmittag.

Besser wäre gewesen, die CDU hätte die Idee mit der Abstimmung gar nicht erst umgesetzt. Denn wäre genau das umgekehrte Ergebnis herausgekommen, hätten Freunde des Verbrenner-Verbots dasselbe sagen können, wie die CDU jetzt: alles manipuliert.

Es gibt kein Verbrenner-Verbot

Problematischer allerdings ist, dass schon die Frage irreführend war. Denn wie meine Kollegen völlig richtig notiert haben: Es gibt weder ein Verbot von Verbrennungsmotoren noch eine Pflicht, auf Elektroautos umzusteigen. Denn das Gesetz gilt lediglich für neu zugelassene Fahrzeuge. Bestandsfahrzeuge betrifft die neue EU-Vorgabe nicht.

Ab 2035 keine Neufahrzeuge mehr zu erlauben, die beim Betrieb Treibhausgase emittieren, soll dem mittelfristigen Ziel der EU dienen, eine klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen – mit welchen Mitteln auch immer. Bis dahin gibt es schrittweise Senkungen für die sogenannten Flotten-Grenzwerte. Darauf hatten sich EU-Parlament und EU-Kommission im Jahr 2023 verständigt.

Wie wirkungsvoll und realistisch die geplante CO₂-Senkung funktioniert, wollen die EU-Gremien 2026 erneut unter die Lupe nehmen. Gegebenenfalls werden die entsprechenden Gesetze dann angepasst. Im Herbst 2024 soll zudem konkretisiert werden, ob und wie E-Fuels ihren Beitrag zur CO₂-Neutralität leisten können. Klar ist allerdings schon lange: Verbrenner, betrieben mit fossilen Kraftstoffen, wie wir sie aktuell massenhaft nutzen, stoßen jede Menge Treibhausgase aus.

Emotionen und Widerstand statt Diskussionen und Lösungen

So weit die Fakten. In der Rufezeichen-Rhetorik der CDU sind diese bis zur Unkenntlichkeit verkürzt und digitalisiert im Sinne binärer Aussagen: 0 oder 1, ja oder nein, dafür oder dagegen. Das wird weder der Komplexität noch der Wichtigkeit des Themas gerecht. Und die CDU ist damit ausgerechnet an der digitalen Welt gescheitert: Dass im Netz nicht nur offene Umfragen Ziel von Manipulationen und Bots sind, ist selbst den meisten Nutzern klar. Schließlich müssen sie ständig irgendwo beweisen, dass sie kein Roboter sind, indem sie virtuelle Puzzleteile verschieben oder Ampeln, Flugzeuge und Fahrräder auf schlechten Fotos identifizieren.

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Dazu kommt: Abstimmungen vor einer Wahl sind keine. Sie taugen allenfalls als populistische Stimmungsmache. Demokratien hingegen stimmen in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" ab.  © auto motor und sport

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