Das Zeitalter der Wirtschaftsweisen scheint ausgelaufen zu sein: In politischen Diskussionen geht es mehr oder weniger nur noch um die Wahl der Waffen, wenn man eigene Interessen durchsetzen möchte – sei es militärisch oder ökonomisch.
Video: Moove (145) - VW mit der Einheitszelle gegen Chinas Übermacht
Die USA jedenfalls öffnen jetzt die Büchse der Pandora und erlassen Strafzölle für Produkte aus China: Es geht um Lithium-Ionen-Batterien, Solarzellen, Halbleiter und Elektroautos, bei denen der Strafzoll auf 100 Prozent erhöht wurde. Warum? Weil die USA China vorwerfen, den Weltmarkt mit billigen Gütern zu überschwemmen, den internationalen Wettbewerb zu verzerren und die eigenen Unternehmen damit in Existenznöte zu bringen. China, klar, wie kann es anders sein, kündigt Vergeltung an, Europa erwägt, es den USA gleichzutun.
Dabei gibt es keinen Run auf Elektroautos. Weder auf deutsche noch auf chinesische. Im Gegenteil, der Absatz bricht aktuell ein. Und wer darüber nachdenkt, Strafzölle hierzulande zu erheben, schadet durchaus der eigenen Industrie: Rund 50 Prozent der E-Autos, die von China nach Europa kommen, stammen von westlichen Marken: Der neue Smart beispielsweise, der einem Joint Venture zwischen Geely und Mercedes entstammt. Der neue Cupra Tavascan aus dem VW-Konzern und der BMW iX3 werden ebenfalls in China gebaut (siehe Bildergalerie). BMW-Chef Oliver Zipse hat die Gefahr dieser Politik so auch klar benannt: "Protektionismus setzt eine Spirale in Gang", ließ er in diesen Tagen verlauten. "Zölle führen zu neuen Zöllen." Recht hat er. Für alle, die Schwierigkeiten haben, diese Argumentation nachzuvollziehen: Ein Fünftel der BMW-Belegschaft arbeitet in China, der geplante Ausbau der eigenen Elektroauto-Sparte gelingt nur, wenn BMW auch auf dem chinesischen Markt erfolgreich ist.
Und stellen wir uns doch zunächst einmal die Frage, warum E-Autos sich aktuell nicht verkaufen – im April belief sich ihr Marktanteil nur noch auf 12,2 Prozent, im Vorjahreszeitraum waren es noch 14,7 Prozent. Klar, es fehlt der Impuls der Kaufprämie. Aber es gibt aktuell keine günstigen Stromer, nicht mal aus China. Das Gros ist teuer, schwer und groß. Der Kunde hat an diesem Angebot kein Interesse. Und genau da liegt das eigentliche Problem: Die Industrie hat das Interesse der Konsumenten auf fatale Art und Weise falsch eingeschätzt. Mercedes und Co bleiben auch ihren strombetriebenen Luxusmodellen sitzen. Die Folge: Es wird über neue Plattformstrategien nachgedacht, der Verbrenner dürfte länger leben als geplant.
Was helfen in dieser Situation Strafzölle? Nichts. Und im Gegenzug gilt es zu beachten, dass der Erfolg der deutschen Automobilindustrie in den letzten Jahrzehnten viel mit guten Geschäften in China zu tun gehabt hat. Audi hat das Land lange Jahre als zweiten Heimatmarkt bezeichnet. Und speziell deutsche Verbrenner finden im Reich der Mitte noch viele Abnehmer.
Umgekehrt dürften Strafzölle dazu führen, dass die chinesische Konkurrenz vermehrt nach Europa strömt und wie im Fall von BYD eigene Werke wie in Ungarn bauen dürfte. Damit ist die ungeliebte Konkurrenz auch näher am Puls der europäischen Kundenwünsche.
Immerhin, in dieser Angelegenheit hat Verkehrsminister Volker Wissing die Zeichen der Zeit richtig erkannt: "Einen Handelskrieg durch Strafzölle zu beginnen, ist der falsche Weg." Wissing sieht die heimischen Unternehmen für einen internationalen Handel mit fairen und einheitlichen Wettbewerbsregeln gut gerüstet. Es wäre ja auch schlimm, wenn es anders wäre. Und günstige E-Autos gibt es irgendwann auch von der deutschen Automobilindustrie – in etwa ab 2025/26. © auto motor und sport
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