• In Kairo gibt es einen Trend, von dem kaum ein Autofahrer hierzulande etwas ahnt.
  • Ägypter montieren sich deutsche Kennzeichen auf ihre Autos. Warum? Um anzugeben.

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In seinem Geschäft für Autozubehör hat Salim Warda einiges im Angebot: Scheibenwischerblätter, Verschlusskappen für Tanköffnungen oder Lithium-Knopfzellbatterien. Zwischen all den Waren aus dem großen Reich der Kraftfahrzeuge hängen an einer Regalwand auch ein paar Nummernschilder, die dem deutschen Auge bekannt vorkommen: links ein blauer Balken, darin ein "D" unter Sternenkreis der Europäischen Union. Dann noch die Buchstaben "ME" für Mettmann, Kreis in Nordrhein-Westfalen im Regierungsbezirk Düsseldorf.

Warda ist weder Kennzeichen-Sammler, noch wurde Mettmann im Großraum Kairo eingemeindet. In der ägyptischen Hauptstadt sind die deutschen Nummernschilder vielmehr ein Accessoire, ein schickes Extra, um den eigenen Wagen aufzuhübschen. Man sieht deutsche Kennzeichen an Taxis, Transportern oder Minibussen. Im Blechmeer von Kairo kann man oft eins pro Minute entdecken. "Die Nachfrage ist hoch, die Leute mögen es", sagt Warda. Ein deutsches Nummernschild diene der Dekoration, egal ob an einem BMW oder einem Mitsubishi.

Händler: "Ägypter lieben deutsche Autos und Deutschland allgemein"

Wer sich in Al-Taufikaija umsieht, Kairos Markt für neue und gebrauchte Autoteile, findet die Dinger irgendwann stapelweise. "GI" (Gießen) und "HR" (Homberg/Hessen) sind genauso im Angebot wie "EIC" (Eichsfeld/Thüringen), "KUS" (Kusel/Rheinland-Pfalz), "B" (Berlin) oder "BN" (Bonn). Autobesitzer montieren die Kennzeichen meist unter oder neben die ägyptischen, so dass der blaue Balken neben den arabischen Ziffern und Buchstaben auftaucht. "Stylish", beschreibt ein Taxifahrer die Praxis.

Ägyptische Verkehrspolizisten dulden den deutschen Autoschmuck, solange das örtliche Nummernschild korrekt zu sehen ist. Auch aus deutscher Sicht gebe es keine Bedenken, so lange das jeweils zuvor in Deutschland zugelassene Fahrzeug abgemeldet worden sei, sagt Sprecher Stephan Immen vom Kraftfahrzeug-Bundesamt in Flensburg. Mit diesem Schritt werde das Kennzeichen entwertet und verliere seine Gültigkeit. Ob es dann in der Mülltonne, bei Ebay oder auf Kairos Straßen lande, habe für die Behörde eine "relativ geringe Relevanz".

Für Aiman Gab aus Giseh, der seit 16 Jahren Taxi fährt und der selbst mit deutscher Nummer unterwegs ist, steckt mehr dahinter. "Die Deutschen sind Genies. Ich bewundere sie. Sie sind sehr gut organisiert und machen ihre Arbeit mit Leidenschaft."

Ähnlich beschreibt es einer der Kennzeichen-Händler: "Ägypter lieben deutsche Autos und Deutschland allgemein." Gelegentlich taucht mal ein "F" (Frankreich) oder ein "E" (Spanien) im Verkehr auf, aber das "D" scheint besonders verbreitet.

Angeben – auch wenn die Herkunft der Schilder unklar ist

An dem Trend verdienen mit Fälschungen inzwischen auch ägyptische und sogar chinesische Hersteller mit. Salim Wardas Mettmanner Kennzeichen "ME-4444" hat eine (offenkundig falsche) TÜV-Plakette, ein Siegel vom Landratsamt Hohenlohekreis in Baden-Württemberg – und es stammt aus China. Auf ägyptischen Nachahmungen finden sich ebenfalls das "D" und die EU-Sterne, Schriftart und Farben weichen aber klar von den Originalen ab. Ein gefälschtes Schild aus China kostet 25 Pfund (1,30 Euro), ein altes deutsches Original etwa 75 Pfund (3,90 Euro).

Wie genau die Schilder von Deutschland nach Kairo kommen, lässt sich nicht immer genau nachverfolgen. Teils würden sie in Kisten bei Straßenverkehrsämtern landen, sagt Autoverwerter Hagen Hamm. "Da greift der eine oder andere auch mal rein." Laut ADAC werden pro Jahr aber auch rund 160.000 Kennzeichen in Deutschland gestohlen. Nicht ausgeschlossen, dass davon einige zum Rohstoffpreis für Aluminium ins Ausland gehen. Kai Berkau vom Auto-Dienstleister PS Team sagt: "Einen legalen Weg, alte Kennzeichen zu kaufen, gibt es nicht."

Dass die Ägypter die Nummernschilder an mitunter verbeulten Autos von asiatischen Herstellern befestigen, scheint Nebensache bei dem Trend. "Es geht um Angeberei", sagt Salim Warda. "Es kümmert niemanden, ob er wirklich einen Mercedes fährt." (Johannes Sadek, dpa/af)

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