Was für ein Wochenende beim Gravelbike-Rennen des Jahres! Beim legendären Unbound Gravel in den USA konnten gleich drei Deutsche in den wichtigsten Kategorien gewinnen.
Tränen, Matsch und platte Reifen: Das Unbound Gravel hat wieder ordentlich abgeliefert. Mit packender Action, jeder Menge Drama und sattem Materialverschleiß. Vor allem aber gab es beim wohl wichtigsten Gravelbike-Rennen des Jahres eine grandiose Erfolgsgeschichte. Zumindest wenn man das Wochenende durch die deutschgefärbte Brille betrachtet. Denn mit Svenja Betz und Sebastian Breuer beim Unbound XL sowie Newcomerin Rosa Klöser beim Unbound 200 gingen drei der vier wichtigsten Rennen an deutsche Gravelbikerinnen und Gravelbiker.
Insgesamt fünf Distanzen stehen mittlerweile beim Unbound Gravel zur Wahl. Die kürzeren Rennen führen über 25, 50 oder 100 Meilen, umgerechnet also 40, 80 oder 160 Kilometer. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf den beiden langen Strecken. Beim bereits seit dem Jahr 2006 ausgetragenen Rennen über die 200 Meilen oder rund 321 Kilometer sind die schnellsten Fahrerinnen und Fahrer der Welt am Start. Nicht von ungefähr gilt das traditionsreiche Rennen als die inoffizielle Gravelbike-Weltmeisterschaft. Und beim 350 Meilen oder mehr als 560 Kilometer langen Unbound XL sind die richtig harten Frauen und Männer unterwegs, die komplett auf sich allein gestellt auch durch Tag und Nacht fahren. Ganz im Sinne eines Unsupported Gravel Race.
Unbound XL: Männer
Zum Auftakt ins Rennwochenende starteten die Fahrerinnen und Fahrer bereits am Freitag um 15 Uhr Ortszeit in das XL-Rennen. Besser hätte es dabei aus deutscher Sicht nicht laufen können. Denn erst gewann GRAVELBIKE-Kolumnist Sebastian Breuer bei den Männern im Zielsprint vor dem US-Amerikaner Logan Kasper. Rund dreieinhalb Stunden später sicherte sich dann Svenja Betz den Sieg bei den Frauen mit einem Solo-Triumph und mehr als zwei Stunden Vorsprung auf die Zweitplatzierte Ivy Pedersen aus den USA.
Sebastian berichtet von einem hektischen Start. "Da gab es ein paar üble Stürze, wo sich die Leute gegenseitig in die Karre gefahren sind", sagt er. Dabei konnte sich Sebastian selbst aus den Scharmützeln heraushalten. Auch weil er in der ersten Passage mit grobem, spitzem Schotter lieber ein wenig Abstand gehalten hat. "Da wollte ich meine eigene Linie fahren", sagt er. Spannend: eigentlich hatte Sebastian fünf Stopps zum Auffüllen seiner Vorräte während des 560-Kilometer-Rennens geplant. "Am Ende waren es dann nur zwei Stopps, denn die anderen sind einfach durchgefahren", sagt er. In der Nacht schrumpfte die Spitzengruppe von zunächst acht auf schließlich drei Fahrer. "Nachts an den Bergen haben die beiden richtig draufgedrückt. Das tat ganz schön weh", gesteht Sebastian. Knifflig wurde es dann nochmal zum Sonnenaufgang, als der gefürchtete, klebrige "Erdnussbutter-Matsch" doch noch kam. "Ich bin sofort runter vom Rad, um Schäden zu vermeiden", sagt Sebastian. Statt zu fahren, liefen die drei schnellsten Männer dann anderthalb Stunden lang durch den Schlamm. Als es dann wieder losging, fiel Taylor Lideen. So kam es auf der langen Zielgeraden zum Sprint zwischen Sebastian Breuer und Logan Kasper. "Ich konnte mich auf der Zielgeraden ansaugen und zum Sieg sprinten. Das war ein unfassbar geiles Gefühl", berichtet Sebastian. Und er verrät: "Ich habe extra auf Winterreifen mit zusätzlichem Pannenschutz gesetzt. Das war genau die richtige Entscheidung." Marius Karteusch hingegen musste das Rennen mit Magenproblemen aufgeben. Im Jahr 2022 hatte er noch den zweiten Platz erreicht.
Unbound XL: Frauen
Viel Auf und Ab gab es im Rennen von Svenja Betz. Und zwar nicht nur topographisch betrachtet. Vor allem Rückenschmerzen und Probleme mit der Verpflegung erschwerten ihren Tag. Auch der lang ersehnte Tagesanbruch nach der langen Nacht machte es ihr nicht einfacher: "Als es hell wurde, war ich komplett allein und sah die unendlich langen, welligen Geraden vor mir. Da wünschte ich mir doch die Dunkelheit zurück." Auch sie spricht von der matschigen Sektion mit "Peanut butter mud vom Feinsten, da war mein Rad gleich 10 Kilo schwerer." Als der Abschnitt geschafft war, ging es "nur" noch darum, das Rennen nach Hause zu bringen. "Aber die letzten 100 Kilometer waren extrem hart. Ich musste meinen Kopf immer wieder davon überzeugen, dass ich auf dem Weg bin, das Rennen zu gewinnen", sagt sie. Aber sie hat es geschafft. Und sogar ihr Ziel erreicht, noch vor den Männern des Unbound-200-Rennens ins Ziel zu kommen.
Unbound Gravel 200: Frauen
Samstagmorgen um 5:50 Uhr Ortszeit starteten die Männer ins 200-Meilen-Rennen. 15 Minuten später folgten die Frauen, die damit erstmals ihren eigenen Start hatte. So konnten sie ihr eigenes, nicht von den Männern beeinflusstes Rennen fahren. "Der eigene Frauenstart war legendär. Ich glaube wir haben der Welt bewiesen, dass wir unser eigenes Rennen verdient haben", sagt Rosa Maria Klöser. Da hatte die in Kopenhagen studierende Deutsche das größte Rennen ihres Lebens gerade gewonnen. Als Newcomerin, die viele vorher nicht wirklich auf dem Radar hatten, setzte sie sich im Sprint der neunköpfigen Spitzengruppe durch.
Dabei hatte es zwischenzeitlich gar nicht danach ausgesehen. Denn rund 130 Kilometer vor dem Ziel hatte Rosa einen Platten. "Ich bin dann erstmal 25 Kilometer nur auf den Inserts gefahren", sagt sie. Als sie mit neuem Laufrad aus der nächsten Verpflegungszone herauskam, hatte sie zwei Minuten Rückstand auf die Spitze. Eine Stunde war sie solo unterwegs, um das Loch wieder zuzufahren. "Aber dann wollte ich mich auch nicht lange ausruhen, damit die Amateur-Männer uns nicht einholen", sagt sie. Irgendwann war dann klar, dass die Unbound-Siegerin im Sprint ermittelt wird. "Vor der langen Zielgeraden wusste ich, dass ich auf keinen Fall als Erste in die letzte Kurve gehen will", verrät Rosa. "Ich bin dann als Dritte oder Vierte auf die Zielgerade, habe den Sprint früh eröffnet und dann gemerkt, dass niemand mithalten kann. Und dann war ich auch schon über die Linie", nimmt sie uns mit auf die letzten Meter des Rennens und spricht von einem "ziemlich ereignisreichen Tag und einer Erfahrung fürs Leben."
Mit um den Sieg sprintete auch Titelverteidigerin Carolin Schiff. Auch etwas beeinträchtigt durch ihren Sturz beim Rennen in Aachen vor drei Wochen war sie nach eigener Aussage allerdings nicht in Topform. So beendete sie das Rennen schließlich auf dem sechsten Rang. "Im Ziel war ich erstmal enttäuscht. Aber mit Blick auf die Voraussetzungen mit Verletzung und Antibiotika bin ich im Nachhinein doch ganz zufrieden und stolz", sagt sie. Zumal sie auch in diesem Rennen stürzte, als die Vorjahreszweite Sofia Gomez Villafane nach einem Defekt "einfach mitten im Feld stehen geblieben ist." Ansonsten berichtet Carolin von einem superschnellen Rennen, dass im welligen Terrain mit grobem Schotter irgendwann zu einem Ausscheidungsfahren wurde. "Mir fehlte dabei diesmal so ein bisschen das Epische", gesteht sie und spricht von einem Unbound, dass sich eher wie ein Straßenrennen anfühlte. Dazu passt, dass das Rennen insgesamt immer professioneller wird. Immer mehr Autos, Quads und mehr fahren um das Fahrerfeld, um Fotos und Videos einzufangen. Und aus den einst einsamen Stopps an örtlichen Tankstellen zum Auffüllen der Trinkflaschen und Energievorräte sind teilweise Szenen geworden, die an Boxenstopps in der Formel 1 erinnern.
Hinter Rosa und Carolin erreichte Jade Treffeisen das Ziel als dritte Deutsche auf Rang 19 mit rund 25 Minuten Rückstand auf die Spitzengruppe. "Nach 160 Kilometern hatte ich Probleme mit meinem Magen und musste die Gruppe ziehen lassen", sagt sie. Trotzdem ist sie zurecht stolz, sich ins Ziel gekämpft zu haben.
Unbound Gravel 200: Männer
Einen gebrauchten Tag hingegen erwischte Paul Voß im Rennen der Männer. Frei nach Murphys Law ging bei ihm so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte. Paul berichtet von technischen Problemen, platten Reifen, Stürzen und einem verbogenen Schaltauge. "Ich musste bestimmt achtmal anhalten", sagt er. Auch die Grippe im Vorfeld hat ihm nicht unbedingt geholfen. "Ich habe mich nach jedem Stopp zurück ins Feld gekämpft. Aber nach 200 Kilometern war der Ofen aus", sagt Paul und zeigt sich persönlich enttäuscht. Aus deutscher Sicht allerdings spricht er mit Blick auf die Siege von Sebastian, Svenja und Rosa von einem genialen Wochenende. "Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Paul.
Trotzdem gab es auch bei den Männern über die 200 Meilen eine besondere Geschichte. Denn im vierten Anlauf konnte sich Publikumsliebling Lachlan Morton endlich den ersehnten Unbound-Sieg sichern. Der Ex-Rennradprofi aus Australien hat sich vergleichsweise früh dem Gravelbike verschrieben. Bereits 2019 stand er erstmals in Kansas am Start, war einige Male nah am großen Erfolg. Doch bislang war der 3. Platz aus dem Vorjahr sein bestes Ergebnis. "Ich bin sprachlos. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier nochmal um den Sieg fahre", verrät er nach dem Rennen. © Bike-X
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