Leichtfüßiges Tänzeln, schnelles Ausweichen, präzises Zuschlagen: Genau so stellt man sich einen Mittelgewichts-Champion vor. Wird die neue Ducati Streetfighter V2 S diesem Anspruch gerecht?
Auf die große Frage "Was kann der neue Ducati-V2-Motor ohne Desmodromik?" antwortet man am besten: Man stelle sich einen sportiven Desmo alter Schule vor, etwa den Testastretta Evoluzione (Streetfighter 1098) – antrittsstark, aus der unteren Mitte feste schwappend wie eine Woge, oben dann aber etwas blutarm. Dazu rufe man sich den Desmoquadro (letzte Streetfighter V2) in Erinnerung – drehzalmittig dünn, obenraus aber feurig.
Ducati Streetfighter V2 S rennt wie der Teufel
Genau zwischen den beiden skizzierten Welten siedelt sich der neue 890er mit 120 PS und variabler Einlassventilsteuerung an. Ab 4.000/min stehen hier 80 Prozent des maximalen Drehmoments (gut 93 Nm) zur Verfügung, drehen kann der kompakte und laufruhige V-Twin bis 11.350 Touren. Mit ein bisschen Prosa geschmückt, liefert der neukonstruierte und leichte Motor (9,5 kg weniger als der Superquadro) eine wohldosierte und wohldosierbare Dosis Kraft und Leistung, vereint praktisch das Beste aus beiden Welten.
120 PS reichen nicht zum Spaßhaben? Oh doch, die Ducati Streetfighter V2 S rennt bedarfsweise wie der Teufel, tritt immer gut an, spurtet oben raus trotzdem scharf – das geht richtig vorwärts. Die Beschleunigung im zweiten Gang reicht zwar nicht aus, um die Gabelbrücke von selbst dem Gesicht nahe zu bringen. Aber wenn man die Wheeliekontrolle ausschaltet, reicht ein sanfter Zupfer an der Kupplung gemeinsam mit etwas Zug am Lenker, damit sich die Ducati Streetfighter V2 S gutmütig aufs Hinterrad stellt. Ducati, ihr Lausbuben, das ist doch konstruktive Absicht – danke dafür (Grinsesmiley)!
Video: Fahrbericht: Ducati Streetfighter V2 S
Sensationell und ganz easy auf dem Hinterrad
Unter uns gesprochen: Die Ducati Streetfighter V2 S fährt sensationell und ganz easy auf dem Hinterrad, es ist herrlich. Dazu das "Peng, peng, peng", wenn man die Gänge des gut schaltbaren und relativ eng gestuften Getriebes per Quickshifter durchschaltet – macht schwer Laune. Laut ist die Ducati Streetfighter V2 S mit ihrer doppelflutig ausgeführten Auspuffanlage unterm Heck aber gar nicht, man kann völlig unbemerkt mit ihr die Dörfchen passieren. Was bleibt? Ein bildschöner Antrieb, der drückt, schiebt, dreht, laufruhig werkelt, fein abgestimmt ist – top.
Video: Live vor Ort Ducati Panigale V2 und Streetfighter V2 (2025) - Eicma 2024
Elektronik der Ducati Streetfighter V2 S
Bei der Ducati Streetfighter V2 S zeigt sich die ganze Erfahrung, die Ducati mittlerweile im Zusammenhang mit Assistenzelektronik und V2-Motoren besitzt. Sämtliche Funktionen, dazu zählen Traktionskontrolle, Wheeliekontrolle, Motorbremsmomentsteuerung sowie die vier Fahrprogramme Race, Sport, Road und Wet, sind fein abgestimmt, arbeiten nachvollziehbar und präzise. Eine Launch Control ("Rennstarthilfe") gäbe es optional im Zubehör zu erwerben, sprich freizuschalten. Dass der Motor sowieso gut am Gas hängt und kaum lastwechselt, wurde bereits angedeutet. Eine Slidekontrolle hat die Streetfighter V2 S im Vergleich zur großen Schwester V4 S jedoch keine – man vermisst sie auch nicht. Auch der DVO (Ducati Vehicle Observer) und eCBS sind nicht vorhanden. Sie kennen die Antwort: Die Ducati Streetfighter V2 S kommt gut ohne aus.
Chassis, Fahrwerk, Räder und Bremsen
Das präzise Chassis teilt sich die Ducati Streetfighter V2 S mit dem neuen Supersportler Panigale V2/S, setzt sich also aus einem leichten Alu-Monocoque plus bemerkenswert filigran ausgeführter Zweiarmschwinge zusammen. Ein Zahlenwert: Die neue Streetfighter V2 S wiegt laut Hersteller 175 Kilogramm, mit allen Flüssigkeiten, aber ohne Sprit. Das heißt, mit vollem 15-Liter-Tank sprechen wir immer noch von unter 190 Kilogramm fahrfertig, was einer realen Gewichtsersparnis gegenüber der vorherigen Streetfighter V2 mit Superquadro-Motor von rund 20 Kilogramm entsprechen würde (wir haben das Vorgängermodell mit 210 kg gewogen und 149,5 PS gemessen).
Video: Fahrbericht: Ducati Streetfighter V4 S (2025)
In Hinblick auf das Leistungsgewicht bedeutet das zwar einen klaren Vorteil von fast 13 Prozent für das alte Modell (wegen höherer Spitzenleistung), aber die Aussagekraft dieses Werts ist dünn. Wir erinnern uns, der Superquadro-Motor legt den Fokus auf hohe Drehzahlen, zum höheren Fahrzeuggewicht gesellt sich hier also auch noch der drehzahlmittig schlappere Motor. Real profitiert die neue Ducati Streetfighter V2 S daher absolut von ihrem geringen Gesamtgewicht.
Handlich und mit transparentem Gefühl fürs Vorderrad
Die Ducati Streetfighter V2 S fährt auf ihren Alu-Rädern handlich und mit transparentem Gefühl fürs Vorderrad, bleibt insgesamt aber schön neutral und berechenbar. Über den auffallend breiten Lenker kann man die Duc easy steuern, gute Geradeauslauf- und Kurvenstabilität unterstützen das sichere Fahrgefühl. Achtung, die Pirelli Diablo Rosso IV-Reifen wollen gut durchgewärmt sein, erst dann wird’s geschmeidig.
Was die Grundabstimmung des Öhlins-Fahrwerks angeht, zeigt es neben gefühlvollem Ansprechverhalten auch hohen Komfort. Wow, das kannte man so von einem Ducati-S-Modell bislang gar nicht. Früher war mechanisches Ducati-Öhlins gern bretthart grundabgestimmt, die neue Ducati Streetfighter V2 S liegt beinahe kommod.
Kurven-ABS sowie ABS am Hinterrad abschaltbar
Insgesamt liefert das Fahrwerk gute Transparenz, federt und dämpft ausgewogen und dennoch Knallgas-tauglich – da schaukelt trotzdem nix. Einmal schlug die Gabel allerdings hart durch, als sie bei zügiger Fahrt auf eine besonders garstige Kante im Asphalt traf – aaah, zielsicher den Ausnahmefall getroffen – nun, man kann nicht alles haben. Der Lenkungsdämpfer kommt darüber hinaus nicht von Öhlins, sondern stammt von ZF und ist nicht einstellbar. Was die Bremsen angeht, freut man sich über Top-Ware von Brembo. Die M50-Zangen stoppen bärig, zuverlässig und auf den Punkt dosierbar. Kurven-ABS sowie am Hinterrad abschaltbar? Beides da, beides möglich.
Ergonomie auf der Ducati Streetfighter V2 S
Man sitzt gut integriert und sozusagen barrierefrei auf der Maschine. Wir sagen das, weil Naked Bikes von Ducati in der Vergangenheit auch schon eher spezielle Anforderungen stellten, beispielsweise aufgrund abenteuerlich verlegter Krümmer die Ferse auf der Fußraste nach außen gedrückt wurde oder sonstiges die Suche nach Halt auf der Raste verkomplizierte. Diesmal nicht, bei der Ducati Streetfighter V2 S passt alles wunderbar: Der Tank ist schmal und griffig, der Lenker breit und angenehm gekröpft, die Sitzhöhe auf 837 mm ein gutes Maß und der Knieschluss im besten Sinne okay. Genügend Bewegungsfreiheit auf dem Polster gibt es auch – was will man mehr?
Fazit
Mit der neuen Streetfighter V2 S bietet Ducati ein sportliches Naked Bike, bei dem so vieles so gut zusammenpasst. Der Motor macht Laune, Chassis und Fahrwerk können sowohl Attacke als auch Alltag, die Elektronik wirkt ausgereift und man kann auch noch einwandfrei auf ihr sitzen. Die beste Streetfighter mit V2, die Ducati bisher gebaut hat? Ja. Einzig, wer auf der Suche nach dem puren Drama ist, Sensation und Spektakel verlangt – der muss eben doch zehntausend Euro mehr für die Streetfighter V4 S lockermachen. © Motorrad-Online