Stella Li, Vice President von BYD und damit nach Gründer und Präsident Wang Chuanfu zweitwichtigste Managerin beim weltweit größten Elektroautoherstellers, schlägt mutige Töne an, wenn es darum geht, BYD fit für den europäischen Markt zu machen.
Die Gespräche der wartenden Journalisten und dem internationalen BYD-Management verstummen: Stella Li betritt das Konferenzzimmer und nimmt den Raum für sich ein. Topmodern, mit Louis Vuitton-Stiefeletten, schwarzem Dress und auffälligem rosafarbenem Seidentuch. Die gebürtige Chinesin, die in Pasadena/Kalifornien lebt, verströmt die Aura einer eher westlich orientierten Managerin. Kein Wunder: Obwohl sie seit 30 Jahren bei BYD arbeitet, hat sie viel Zeit in westlichen Hemisphären verbracht. Schließlich ist sie für das gesamte Europa- und USA-Geschäft verantwortlich. Wo sie hier am liebsten wohnen würde? "Ich glaube in Paris, allein schon wegen des Essens", erzählt sie mit strahlendem Lächeln. Und dass es der Traum von BYD in Stunde eins war, Elektroautos zu bauen. "Wir haben jeden einzelnen Dollar dafür investiert."
BYD verkauft mehr E-Autos als Audi insgesamt
BYD und Stella Li, das ist eine Erfolgsgeschichte: 4,3 Millionen Autos hat der Konzern 2024 abgesetzt, davon 1,76 Millionen reine E-Autos. Audi hingegen hat mit seiner gesamten Modellpalette nur 1,67 Millionen Autos weltweit verkauft. Das hinterlässt Eindruck.
Der Haken an der Geschichte: In Europa, und damit speziell in Deutschland, läuft es bisher nicht rund: Bei uns wurden im letzten Jahr nur 2.891 Autos abgesetzt, was 1.000 Einheiten weniger sind als 2023 und einem Marktanteil von gerade einmal 0,1 Prozent entspricht. Und in auto motor und sport-Vergleichstests konnte noch kein BYD überzeugen.
BYD soll europäisch werden
Die Lösung liegt für Stella Li auf der Hand: "Wir müssen BYD stärker lokalisieren und daraus eine europäische Marke machen." Auch deshalb startet das Unternehmen eine europäische Produktion: Zuerst ab diesem Jahr in Ungarn (zunächst rund 150.000 Einheiten, später bis zu 300.000), ab Mitte 2026 in der Türkei, und später soll es noch ein drittes Werk geben. Wann und wo genau, das ließ Li in dem Gespräch offen.
Video: Sechs Dinge die uns am BYD Seal U aufgefallen sind
Ein weiterer Vorteil für BYD: "Wir haben mit Wolfgang Egger einen deutschen Designchef." Und der Aftersale-Service müsse in seiner Qualität zur Nummer eins aufsteigen. Grundsätzlich scheint es bei Service und Händlernetz noch großes Verbesserungspotenzial zu geben. "Wenn wir die Leute in die Autos bekommen, dann sind haben wir eine Konversionsrate von 60 Prozent." Bis zum Jahresende sind rund 140 Händler in Deutschland geplant, die an möglichst attraktiven Standorten angesiedelt sein sollen. Die Atmosphäre stellt sich Li wie in einem Apple Store oder bei Starbucks vor. BYD ist für sie eben keine typische chinesische Marke, sondern ein ingenieursgetriebenes Weltunternehmen, das mit hohen Kompetenzen beim automatisierten Parken und generell dem automatisierten Fahren punkten will. Ein wichtiges Standbein sind zudem die Plug-in-Hybride, die eine rein elektrische Reichweite zwischen 80 und 120 Kilometer bieten sollen. Aktuell das populärste Modell in Europa: Der BYD Seal U.
Kein Elektro-BYD für 10.000 Euro
Aber es geht nicht nur um BYD. Auch Denza soll auf den europäischen Markt kommen – unter Eigenregie: "Denza wurde ja im Ursprung gemeinsam mit Mercedes gegründet. Aber 2011 war die Zeit dafür noch zu früh", erklärt Li. In der Neuauflage nutzt Denza die gleiche Technik wie BYD, soll aber stärker als Designmarke positioniert werden. Ziel ist auch hier ein eigenes Händlernetz oder zumindest ein eigener Showroom. Los geht es zunächst in Italien.

Woran Stella Li nicht glaubt: Dass es ein Elektroauto für 10.000 Euro von BYD gibt und dass noch 20 weitere chinesische Automobilhersteller nach Europa kommen. Das hält den erfolgreichen chinesischen Automobilhersteller aus wirtschaftlichen Gründen für ausgeschlossen. Sprachs – und verließ mit ihrem ungewöhnlichen Charme den Raum. Eine Frau, die man so schnell nicht wieder vergisst. © auto motor und sport