Voge strebt nach Größerem. Die neue DS 900 X zeigt das klar. Genau hinsehen: Das ist die Kopie der BMW F 900 GS Adventure. MOTORRAD fuhr den Klon aus China.
So langsam wird klar, warum Loncin so eng und gern mit BMW Motorrad zusammenarbeitet. Es wirkt, als wäre der Deal, nach einigen Jahren die BMW-Technik für eigene Modelle nutzen zu dürfen – oder es einfach zu machen. Der neue Groß-Roller Voge SR 4 Max 350 deutet das an, die neue DS 900 X unterstreicht den Gedanken fett. Voge ist die Premium-Marke von Loncin, und die DSX ist unter dem eigenständigen Plastikkleid eine F 900 GS Adventure – mit besserer Ausstattung.
So fährt die Voge DS 900 X im Test bei MOTORRAD
Loncin ist einer der größten chinesischen Produzenten von Rollern und Motorrädern und obendrein Kooperationspartner, Produzent und Lieferant der BMW-Reihentwins für die Baureihen F 850 und F 900. So wundert es mäßig, dass die Voge DS 900 X nicht nur von Weitem der BMW F 900 GS sehr stark ähnelt, Motor und Fahrwerk sollen dem Vernehmen nach sogar identisch sein. Eine nähere Betrachtung der beiden Modelle widerspricht dieser These nicht.
BMW-Twin mit anderer Abstimmung
Der Twin in der Voge DS 900 X springt spontan an und entlässt einen leicht blechernen Ton. Die recht stramme Kupplung gezogen, der Ersten reingeklonkt, und: abgewürgt! Die Methode, mit Einrücken der Kupplung Gas zu geben und so flott und geräuscharm zu beschleunigen, funktioniert mit der Voge nur bedingt. Eine ausgeprägte Anfahrschwäche, die bis knapp 3.000/min anhält, ist der Grund. Abhilfe: stets über diese Marke drehen. Dann zeigt sich die Quickshifter-Blipper-Kombi geschmeidiger. Besonders beim Schalten vom Ersten in den Zweiten besteht für die Software noch Programmierbedarf. Die Schaltbox selbst macht ihren Mechanik-Job weitgehend unauffällig. Ähnliches gilt für den Twin, der von der erwähnten Anfahrschwäche abgesehen ein brauchbarer Begleiter ist. Wenngleich er bezüglich Laufkultur, mechanische Geräusche und Vibrationen nicht mit der Konfiguration samt Abstimmung für die BMW F 900 GS mithalten kann.
Video: Die Voge DS 525 X im Video
Fahrwerk mit Luft nach oben
Im Hinblick auf Federungskomfort gibt es für die Voge DS 900 X Luft nach oben. Die Grundabstimmung des bis auf die hintere Druckstufendämpfung voll einstellbaren Fahrwerks ist von der straffen Sorte. Das weitgehende Öffnen der Dämpfung brachte spürbare Besserung, ein Komfortwunder ist die DS nicht. Übrigens auch kein Handlingwunder. Besonders in schnellen Wechselkurven braucht es deutliche Impulse am breiten Rohrlenker, der serienmäßige Lenkungsdämpfer dürfte dazu beitragen. Dafür liegt sie in Schräglage souverän und erlaubt mit ihren Pirelli Scorpion II Pellen ordentliche Kurventempi, bevor sie spät mit ihren Rasten aus Aluminiumguss aufsetzt.
Ausstattung auf Top-Niveau
Da legt die Voge DS 900 X die Latte hoch. Sie bietet serienmäßig Features, die woanders gar nicht oder nur gegen Aufpreis zu haben sind. Nachstehend ein Auszug aus der längst nicht vollständigen Liste: Tempomat, Reifendruck- und Temperatur(!)-Anzeige, Griff- und Sitzheizung (jeweils mit Grillfunktion in der höchsten Stufe), sowie Nebelscheinwerfer, die sich bei laufendem Motor und aktiviertem Blinker als Abbiegelicht betätigen. Obendrein gibt es einen Totwinkel-Assistenten in den Rückspiegeln, sowie eine Funktion, die den Hintermann durch aktivierten Warnblinker und blinkendes Bremslicht darauf aufmerksam macht, dass er dicht genug aufgefahren ist und etliches mehr. Gewissermaßen die Kirsche auf der Sahne ist eine per Knopfdruck in der rechten Lenkerarmatur zu aktivierende, ebenfalls serienmäßig eingebaute Frontkamera. Zumindest theoretisch, denn beim Testmotorrad ist derzeit die Funktion deaktiviert, weil man, so der Importeur, noch die Gesetzeslage beim Datenschutz abklärt, ob und wie die Kamera aktiviert werden darf. Die Daten würden dann auf einer eigens einzusteckenden SD-Karte gespeichert.
Fazit zur ersten Fahrt mit der Voge DS 900 X
Abschließend darf konstatiert werden, dass diese 900er das bislang beste Bike chinesischer Herkunft ist, das wir bis dato in der Redaktion hatten. Da ist schon vieles sehr gut, allerdings gibt es durchaus noch Luft nach oben. Zwar sehen die gewaltigen Schutzbügel und der Gepäckträger aus wie aus der Stanze geholt, mit Ofenfarbe überzogen und dann sofort montiert, doch das sind die Ausnahmen. Die tief glänzenden, lackierten Kunststoffteile wirken hochwertig und solide, die Schweißnähte im sichtbaren Bereich sehen gut aus. Materialanmutung und Wertigkeit brauchen sich nicht zu verstecken.
BMW F 900 GS Adventure auf Chinesisch
Oft wird geschrieben, Modell XY basiere auf Modell XX, um die Verwandtschaft in technischen Sinnen zu verbildlichen. Bei der neuen Voge DS 900 X und der BMW F 900 GS Adventure wäre das Bild nicht falsch, es wäre nur sehr unscharf, denn Motor und Chassis der Voge sind mit der BMW identisch. Minimale Unterschiede zeigen sich in Gestalt der Motordeckel und leichten Änderungen der Motorhalteplatte aus Aluminium. Bremse, Schwinge, Felgen und Federelemente könnten eine Ersatzteilnummer von BMW eingraviert haben. Eigenständig gestaltet ist die Kunststoff-Karosse der DS 900 X.
Etwas länger und breiter der Schnabel, anderer Scheinwerfer à la Triumph Tiger 900, mit einem Hauch Aprilia Tuareg 660, ein Tank mit mehr Kanten und ein verändertes Heck geben der Voge einen eigenen Charakter. Interessant an der Voge: Trotz 190 Millimeter Bodenfreiheit des KYB-Fahrwerks ist die Sitzhöhe mit 825 Millimeter erstaunlich gering. Vergleichbar mit der BMW und deren extra niedrigen Sitzbank aus dem Originalzubehör.
900er-Motor mit mehr Leistung
Doch bevor nun bei BMW-Fans Herzrhythmusstörungen drohen, sei an dieser Stelle Entwarnung gegeben. Selbst wenn sich beide Antriebe wie eineiige Zwillinge gleichen und Kerndaten wie Bohrung und Hub (jeweils 86,0 x 77,0 Millimeter) oder die Verdichtung (jeweils 13,1:1) identisch sind, gibt es doch deutliche Unterschiede. Bei BMW leistet der Twin 77kW/105 PS bei 8500/min und wuchtet 93 Nm bei 6750/min auf die Kurbelwelle. Die entsprechenden Voge-Werte lauten 70 kW/95 PS bei 8250/min und 95 Nm bei 6000/min. Sie ist also zumindest auf dem Papier drehmoment-orientierter abgestimmt.
600 Kilometer Reichweite
Real dürfte die Voge DS 900 X sogar noch etwas mehr wiegen als die BMW, denn sie trägt insgesamt bis zu 30 Liter Benzin durch die Gegend, möglich durch einen Zusatztank mit 10 Liter Inhalt, dessen Lage bisher nicht bekannt ist. Idee: wie bei der Ducati Desert X am Heckrahmen. Spritvorrat in Summe 15 Liter mehr als die Basis-GS und 7 Liter mehr als die Adventure. Damit soll sie laut Voge über 600 Kilometer weit kommen. Klingt realistisch, da die F 850 GS Adventure bereits theoretisch bei 4,2 Liter Verbrauch pro 100 Kilometer 547 Kilometer weit kommt.
Wo kann ich die Voge in Deutschland kaufen?
Seit 2024 führt Voge in Deutschland die neuen DS 900 X offiziell, und zwar zum Preis ab 9.499 Euro. Zum Vergleich kostet eine neue BMW F 900 GS Adventure als vergleichbares Modell ohne Sonderausstattung ab 14.750 Euro. Wer in Bezug auf Ausstattung mit der Voge mitziehen möchte, muss für die BMW 16.750 Euro zahlen.
Fazit
Nach geleakten Bildern zeigte Voge auf der EICMA 2022 die neue Enduro DS 900 X auf Basis der BMW F 850 GS Adventure. Technisch die BMW, optisch eine adrett gezeichnete Enduro mit 21-Zoll-Vorderrad. Im ersten Fahreindruck bei MOTORRAD zeigte die erstaunlich üppig ausgestattete "9.500-Euro-GS" sich von ihren guten Seiten. Selbst wenn bezüglich Fahrwerk und Mapping noch Luft nach oben ist. © Motorrad-Online
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