Seit Enzo Ferrari auch Straßenautos gebaut hat, fasziniert die Marke. Dass er genau das anfangs gar nicht wollte, ist das Geheimnis des Erfolgs.
"Eine Autosammlung ohne Ferrari ist keine Autosammlung", sagt Friedhelm Loh. Und er muss es wissen. Schließlich hat der Industrielle aus Mittelhessen nicht nur selbst über 300 mehrheitlich sportliche Oldtimer und Neuwagen. Er betreibt auch seit ziemlich genau einem Jahr das Nationale Automuseum - The Loh Collection in Dietzhölztal-Ewersbach, das der Marke aus Maranello gerade eine große Sonderausstellung widmet.
Für Loh ist es neben der Persönlichkeit und dem Unternehmensgeist des Firmengründers Enzo Ferrari vor allem die kompromisslose Technik, die die meist in Rosso Corsa ("Renn-Rot") lackierten Autos mit dem springenden Pferd als Logo ausmachen. Und es sind natürlich die sportlichen Erfolge. "Vor allem, wenn man Deutscher ist und über
Straßenautos sollten Ferraris Rennleidenschaft finanzieren
Mit dieser Leidenschaft ist er nicht alleine. Denn kaum eine Marke fasziniert die Fans so sehr wie Ferrari. Dabei wollte Firmengründer Enzo Ferrari ursprünglich gar keine Autos verkaufen. Der Commendatore war Motorsportler durch und durch und hatte anfangs nur widerwillig Straßenautos gebaut, um damit die Raserei zu finanzieren.
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Doch während er – egal ob bei Langstreckenrennen wie der Mille Miglia und in Le Mans oder bei der Formel 1 – einen Sieg nach dem anderen eingefahren hatte, wurden auch die ab dem Ende der 1940er Jahre gebauten Straßenautos zu Liebhaberfahrzeugen.
Und zwar genau aus diesem Grund: "Bei keinem anderen Hersteller ist die Verbindung von Motorsport und Serie so eng wie bei Ferrari", sagt Oldtimer-Spezialist Frank Wilke. Seit Gründung der Formel 1 sei Ferrari ununterbrochen in der Königsklasse des Motorsports aktiv. Und noch immer würde in den Topmodellen aus Maranello, wenn auch zeitlich versetzt, weitgehend ungefilterte Renntechnik verbaut, so der Chef des Marktbeobachters Classic Analytics.
Hinzu komme, dass Ferrari stets nur Sportwagen der oberen Leistungs- und Preisklassen gebaut und sein Image nicht durch erschwingliche Volumenmodelle verwässert habe. Zwar sei nicht alles Gold gewesen, was in Rosso Corsa lackiert war, räumt Wilke ein: "Sondern nüchtern betrachtet gab es immer wieder Modelle anderer Hersteller, die denen von Ferrari in der Summe ihrer Eigenschaften überlegen waren. Aber wer Sportwagen nüchtern betrachtet, der kauft ohnehin keinen Ferrari."
Trio mit dem springenden Pferdchen geht beispielhaft an den Start
Dabei hat Ferrari in der Rückschau ganz unterschiedliche Register gezogen. Drei Autos aus dem Fuhrpark der Loh Collection machen das mehr als deutlich. Dem Wesen nach am nächsten am Kern der Marke ist aus diesem Trio wahrscheinlich der Dino 206 S. Die Modelle der Submarke wurden nach Ferraris mit 24 Jahren früh verstorbenem Sohn Alfredo "Dino" benannt.
Dieser Spider, den Wilke auf rund drei Millionen Euro taxiert, steht für brutalen, rauen und ehrlichen Motorsport ohne Firlefanz. Er beamt einen damit zurück in die Gründertage der Scuderia: Schonungslos offen und eng wie ein Schraubstock. So kennt der um 1966 keine zwei Dutzend Mal gebaute Rennwagen mit seinem V6 von winzigen zwei Litern und trotzdem weit mehr als 147 kW/200 PS nur einen Drang: nach vorn – und zwar so schnell und ungestüm wie möglich.
Laut, wild und furios fliegt er so durchs hessische Hinterland und der Fahrer hat Wind und Wetter nach den ersten zwei Kurven vergessen, so sehr heizt der Dino ein. Und dafür muss man das Spitzentempo von 270 km/h nicht mal ansatzweise ausfahren.
Nicht nur puristische Renner, sondern auch pure Eleganz
Dass Ferrari es aber nicht nur mit Eile hatte, sondern auch mit einer schier unerreichten Eleganz, das beweisen Autos wie der ebenfalls in den 1960er-Jahren gebaute 250 GT Cabrio der Serie 2: Für den Boulevard statt für die Boxengasse entworfen, glänzt der Zweisitzer mit zeitlos schönen Linien.
Man sitzt auf wunderbar weichen Lederpolstern, schaut in ein Schmuckkästchen von Cockpit voller edler Instrumente und lässt sich den Wind sanft durch die Haare streifen. Bis die Brise merklich auffrischt. Denn auch dieser Schönwetter-Ferrari trägt einen Rennwagen im Herzen – und einen drei Liter großen V12-Motor unter der Haube.
Und 176 kW/240 PS und 230 km/h Spitze reichen allemal für eine gepflegte Sturmfrisur. Und nur weil er nicht fürs Schnellfahren gemacht ist, sondern fürs Flanieren, ist er kein Schnäppchen. 1,15 Millionen Euro muss man laut Wilke schon einkalkulieren.
Hypercars seit den 1980er-Jahren – aktuell der LaFerrari
Hoch dosierter Sportsgeist, zeitlose Eleganz und der neueste Stand der Technik – all das kumulierte bei Ferrari etwa einmal pro Epoche in einem Topmodell, das heute wohl zurecht als Hypercar durchgehen würde. Begonnen hat diese Reihe 1984 mit dem 288 GTO und seitdem hat es vier weitere Exemplare dieser Extremsportler gegeben. Eingefleischte Fans kennen diese Modelle als "Big Five": 288 GTO, F40, F50, Enzo und LaFerrari.
Wir bitten den neuesten aus dem Quintett zur Ausfahrt. Zusammen mit dem Porsche 918 Spyder und dem McLaren P1 bildete der LaFerrari in der letzten Dekade das Triumvirat der Trümpfe in jedem Autoquartett und steht als Technologieträger für das Streben nach dem maximal Machbaren: Bei seiner Premiere 2013 stolze 1,2 Millionen Euro teurer und mit 708 kW/963 PS damals der bis dato stärkste Ferrari, brachte er das Kers-System (System zur Bremsenergierückgewinnung) aus der Formel 1 auf die Straße.
Die Fahrleistungen des Hybriden raubten der Autowelt den Atem. Denn unter 3 Sekunden von 0 auf 100 und über 350 km/h Spitze – was in Zeiten elektrischer Supersportler mittlerweile fast schon Standard ist, war noch vor zehn Jahren kaum von dieser Welt.
Türen hoch, in die enge Kabine hineinklettern und Abflug
Und auch heute ist es ein unerreichtes Erlebnis, wenn man unter den nach oben aufschwingenden Türen in die knappe Kabine kriecht, erst flüsterleise rein elektrisch davonsurrt und dann mit einem Gasstoß den 6,3 Liter großen V-12-Motor zur Arbeit ruft.
Dann bricht im Nacken ein Spektakel los, das einem schier das Trommelfell zerreißt und die Magengrube gleich mit, so vehement schleudert der Motor den Tiefflieger dem Horizont entgegen. Und nein, wirklich wohl fühlt man sich dabei nicht, wenn man auf nebelfeuchter Fahrbahn irgendwie den Kurs halten muss und einem zwischendurch in den Sinn kommt, dass vom La Ferrari nur 499 Exemplare gebaut wurden. Und dass der Wert auf mittlerweile 3,8 Millionen Euro taxiert wird, macht die Sache nicht besser.
Ferrari zu lieben, ist einfach – Ferrari kaufen ist dagegen schwer
Zwar teilen die Faszination für Ferrari viele. Doch bei kaum einer Marke ist das Missverhältnis zwischen Begeisterung und Bezahlbarkeit so groß wie bei den Italienern, so Oldie-Experte Wilke. Nicht nur, dass ein Ferrari 250 GTO von 1962 mit einem Transaktionspreis von knapp 50 Millionen US-Dollar lange Zeit als teuerster Oldtimer überhaupt galt.
Während es bei Marken wie Mercedes, Porsche, Jaguar, Rolls-Royce und Bentley oder beim Lokal-Rivalen Lamborghini immer auch mal ein paar erschwingliche Gebrauchtwagen oder Youngtimer gibt, ist die Hürde bei Ferrari durch die Bank weg höher.
Der günstigste Neu-Ferrari ist aktuell der Roma für 242.000 Euro aufwärts. Und in Wilkes Listen werden die Oldies der Scuderia in gutem Zustand ab 43.000 Euro geführt (Mondial 8). Berühmte und beliebte Modelle wie den 365 GTB/4 Daytona aus den Jahren 1968 bis 1973, den 308 GTB (1977 bis 1980) oder den von 1984 bis 1991 gebauten Testarossa taxiert Wilke auf 600.000, 79.000 oder 135.000 Euro.
Gucken kostet fast nichts – nur den Museumseintritt
Aber so unerreichbar diese Traumwagen für viele sein mögen, so nah kann man den Ferrari auf andere Weise kommen. Weil keine Sammlung komplett wäre ohne die roten Renner, sind sie in den allermeisten Automuseen bestens vertreten.
Und wer es nicht ins offizielle Ferrari-Museum an den Stammsitz Maranello oder ins Museo Enzo Ferrari an dessen Geburtsort Modena schafft, der kann noch bis mindestens Ende des Jahres die vielleicht spektakulärsten Sportwagen aus den letzten 80 Jahren in der Sonderausstellung der Loh Collection in Hessen bestaunen. Dabei lässt sich nebenbei auch lernen, dass es gar nicht immer rot sein muss, wenn es ein Ferrari sein soll. (Thomas Geiger, dpa/af)
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