Was kommt raus, wenn man einen Transit und einen GT40 kreuzt? Ein Supervan. Der Renntransporter von 1971 hat eine Odyssee hinter sich und Nachahmer gefunden.
Supervan – das ist die knappe Antwort auf die Frage, was ein Ford Transit und die Le-Mans-Legende GT40 gemeinsam haben. Ostermontag 1971 fuhr der schnelle Transporter das erste Mal. Es folgten weitere Showeinlagen im Rahmen von Motorsportveranstaltungen. Unter anderem ein Auftritt beim Großen Preis von Deutschland 1971, als er die Nürburgring-Nordschleife umrundete.
Video: Im Video: Ford Pro Electric SuperVan
Doch von vorn. Fords damaliger Motorsportchef Stuart Turner hatte offensichtlich eine britische Auffassung von Humor: Er ließ Terry Drury Racing in Rainham den Motor eines in Le Mans gelaufenen und später ausgebrannten GT40 in den Laderaum eines Ford Transit Mk1 einbauen. Wobei der sonst so brave Lieferwagen nur die Karosserie zur Verfügung stellte: Das Chassis stammte eigentlich vom alten Rennwagenmodell Cooper Monaco und wurde für den Supervan verbreitert.
Supervan Mk1: GT40-V8 statt V4
Statt eines V4-Motors hatte der Transporter nun einen V8 – was auch ein Schriftzug auf dem vorderen Kotflügel ankündigt. Dort, wo sonst Milchflaschen oder Gemüsekisten gestapelt waren, wütete nun ein Fünfliter-Smallblock-V8 mit 425 PS – etwa die zehnfache Leistung des Basismotors. Statt Starrachsen gab es Einzelradaufhängungen rundum. Die stammten ebenso wie die Scheibenbremsen aus der Can-Am-Rennserie. Motor, ZF-Fünfgang-Getriebe und Fahrwerk trug ein Rohrrahmen, der an sechs Punkten mit der Karosserie verschraubt war.
Wie schnell der Supervan fuhr, ist nicht sicher. Doch der Ford Motorsport Oldtimer Club Cologne (FOMCC) geht davon aus, dass der fünfte Gang trotz einer zu langen Übersetzung "wohl eine Spitzengeschwindigkeit von 240 km/h" ermöglichte. Auf dem Ford-Testgelände in Boreham soll der schnelle Transit im dritten Gang 216 km/h erreicht haben. Für den Sprint von null auf 160 km/h (100 mph) genügte es, einmal in den zweiten Gang zu schalten; nach 21,6 Sekunden war die Geschwindigkeit laut einer Messung des britischen Magazins "Autocar" erreicht.
Odyssee und Restauration
Als der Supervan seine PR- und Marketing-Aufgaben erfüllt hatte, begann für ihn eine lange und wenig glorreiche Odyssee. Terry Drury entfernte alles Wertvolle an ihm, darunter den Antriebsstrang, und ließ nur die Karosserie samt Rädern übrig. 1973 kaufte der damalige Ford-Nachwuchs-Ingenieur Andy Browne, der Terry Drury kannte, die Hülle des Renntransporters für 500 Pfund. Dieselbe Summe zahlte Browne dem ursprünglichen Erbauer für ein Transaxle-Getriebe. Für sein Vorhaben, den Supervan regulär auf der Straße fahren zu können, baute er erst einen 4,7-Liter-V8 samt neuer Abgasanlage ein und ließ ihn im nächsten Schritt zu, versteuerte und versicherte ihn. Ein paar Jahre behielt er ihn, bevor er den Supervan in den späten Siebzigerjahren verkaufte.
Viele Jahre danach – Browne war bereits in Rente – spürte er den originalen Supervan wieder auf. "Ich ging zu den Überresten und war mir sicher, dass es sich um den Lieferwagen handelte, der mir gehört hatte", sagt der Brite. "Es war nicht einmal ein Lieferwagen – nur eine Bodengruppe, ein Stück Stirnwand und einige Teile eines Fahrgestells, die zerschnitten worden waren." Er kaufte den Supervan – beziehungsweise das, was davon übrig war – erneut und startete einen behutsamen Wiederaufbau mit Originalteilen.
Erneut nimmt er Änderungen vor, damit sich der Supervan problemlos auf der Straße nutzen lässt. Beispielsweise vergrößert er den Öffnungswinkel der Fahrertür, die sich ursprünglich aufgrund der breiten Reifen und Radläufe nicht komplett aufschwingen ließ. Ganz fertig ist die Restaurierung des betagten Renntransporters noch nicht, doch Andy Browne hat bereits große Pläne damit: "Wenn er fertig ist, möchte ich das Foto von ihm auf drei Rädern bei voller Geschwindigkeit nachstellen", sagt der Ingenieur. Die Leute sollen erleben, was mit dem Auto damals möglich war. "Ich kann es kaum erwarten!"
Supervan 2 mit Cosworth-V8
Der Supervan war auf diversen Veranstaltungen unterwegs und kam laut FOMCC immer gut an. Nachdem Stuart Turner 1983 zu Ford zurückgekehrt war, gab es sogar einen Nachfolger: Der Supervan 2 auf Basis des Transit Mk2 war noch einmal schneller. Der Motor war wieder ein V8, ebenfalls aus einem Le-Mans-Auto. Der 3,9-Liter-DFL-Cosworth-V8 aus dem C100 leistete 590 PS. Der dreimalige Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart nannte diesen Transit "sicherlich den schnellsten Lieferwagen, den ich je gefahren bin".
Nach seinem Einsatz für Ford Motorsport war der Supervan 2 laut FOMCC für den Mineralölkonzern BP, die Ölmarke Duckhams und den Reifenhersteller Goodyear unterwegs. Formel-1-Fahrer Martin Brundle soll später mit dem Renn-Transit in Silverstone 283 km/h gefahren sein. Keine Überraschung: Das Fahrverhalten bei dieser Geschwindigkeit sei abenteuerlich gewesen.
Supervan 3: V8 aus Schumis F1
Kein Grund für Ford, nicht noch einen Schritt weiterzugehen und einen neuen Supervan zu bauen. Auf Basis eines Transit Mk3 erschien 1994 die dritte Auflage. Diesmal steckte ein Formel-1-Motor im Rohrrahmen. Mit dem Cosworth-V8 waren Schumacher und Senna während der Saison 1993 unterwegs. Der 3,5-Liter-Motor leistet bei 13.000/min 650 PS. Im Vergleich dazu wirken Front- und Heckspoiler dezent. Die 13-Zoll-Reifen sind vorn 10, hinten 12 Zoll breit, eine Brembo-Kohlefaserbremse verzögert den Transporter. Weil der Motor immer wieder ausfiel und das Auto schwer zu fahren war, installierte Ford später einen Dreiliter-V6-Vierventiler. Der Dreiliter-Motor mit Trockensumpfschmierung leistet 299 PS. Das reicht für immerhin 240 km/h.
Ford Pro Electric Supervan
Der bisher leistungsstärkste Supervan führte den Elektroantrieb in die Familie ein (siehe Video nach dem ersten Absatz). Nachdem er 2022 beim Goodwood Festival of Speed mit 2.000 PS debütierte, entwickelte er sich später zum SuperVan 4.2 mit weniger Gewicht und verbesserter Aerodynamik. Daraufhin begann er, Rekorde zu brechen: Auf Bestzeiten am Pikes Peak in den USA und auf Australiens legendärem Mount Panorama Circuit in Bathurst folgte im Juli 2024 Platz eins beim berühmten Bergrennen von Goodwood. © auto motor und sport
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