Die Regelung "begleitetes Fahren ab 17" ermöglicht es Jugendlichen in Deutschland seit einigen Jahren vor dem 18. Geburtstag Auto zu fahren. Aber wie beliebt ist dieses Modell? Wer darf als Begleitperson fungieren? Und wie unterscheidet sich der Führerschein ab 17 in Deutschland von der Umsetzung in anderen Ländern?
Am 17. Juni 2005 wurde im Bundestag ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes eingebracht, die den Weg für eine bundeseinheitliche Regelung "Begleitetes Fahren ab 17" (BF17) freimachte.
Während 2014 noch rund 411.000 Jugendliche unter 18 Jahren mit einer Begleitperson im Auto unterwegs waren, sank die Zahl im Jahr 2018 auf rund 365.000. "Vor allem in Ballungsräumen ist der Führerschein vielen jungen Menschen nicht ganz so wichtig. Sie haben hier die Möglichkeit, ganz unkompliziert mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs zu sein – benötigen den Führerschein also nicht sofort. Sie machen ihn dann oft erst einmal gar nicht bzw. einfach später", erklärt Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, der vor Einführung des BF17 bereits in einer Modellregion in Niedersachsen als Fahrlehrer tätig war, im Gespräch mit unserer Redaktion. Insgesamt nutzen mehr als 40 Prozent der jungen Erwachsenen die Option "Begleitetes Fahren ab 17".
"Günstigste und effektivste Fahrsicherheitsmaßnahme"
Mit sechzehneinhalb Jahren kann man sich für dieses Modell bei der Fahrschule anmelden. Fahrschüler absolvieren dabei dieselbe Ausbildung wie die älteren. Nach bestandener theoretischer und praktischer Prüfung geht’s dann in Begleitung ans Steuer. Für den Experten ist BF17 eine feine Sache: "Die jungen Autofahrerinnen und Autofahrer zählen zur Risikogruppe, was Unfälle betrifft. Durch die Fahrpraxis, die sie bei BF17 erlangen, werden sie deutlich sicherer. Begleitetes Fahren ist in meinen Augen die günstigste und effektivste Fahrsicherheitsmaßnahme. Wer in Begleitung übt, fährt besser, wenn er mit 18 Jahren allein unterwegs ist."
In einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Bedeutung der Fahrpraxis zeigt sich, dass junge Fahrer ein höheres Risiko haben, bestimmte Unfälle zu verursachen. Dazu gehören: Unfälle in Kurven, Abbiegeunfälle, Auffahrunfälle, Kollisionsunfälle an Kreuzungen, Unfälle in der Nacht und am Wochenende sowie alkohol- und geschwindigkeitsbedingte Unfälle. Diese Risiken können laut Dieter Quentin durch das begleitete Fahren abgemildert werden. "Man lernt, Situationen im Straßenverkehr mit der Expertise einer Begleitperson mit Fahrpraxis leichter, schneller und besser einzuschätzen."
Von PS-Beschränkungen für Fahranfänger – wie sie aktuell in der Schweiz gefordert werden – hält Dieter Quentin nichts: "Das ist nicht zielführend. Die Unfälle, die passieren, haben weniger mit der Motorleistung zu tun, sondern sind dem Anfängerrisiko zuzuschreiben. Und dieses kann durch Fahrpraxis verringert werden."
Führerschein ab 17: Wer begleiten darf und wer nicht
Aber wie läuft das Fahren ab 17 konkret ab? Voraussetzung dafür ist, dass die Fahranfänger bis zum 18. Geburtstag ausschließlich mit einer erwachsenen Person an ihrer Seite am Steuer sitzen dürfen. Die Begleitperson muss mindestens 30 Jahre alt sein und seit fünf Jahren ununterbrochen die Fahrerlaubnis mindestens der Klasse B oder der alten Klasse 3 besitzen. Außerdem darf die Begleitperson nicht mehr als einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg haben. Diese Voraussetzungen bedeuten übrigens auch, dass ein Fahrlehrer, der unter 30 Jahre alt ist, nicht im begleiteten Fahren ausbilden darf. Anders als ein Fahrlehrer darf die Begleitperson nicht aktiv in die Fahrzeugbedienung eingreifen. Die Zahl derjenigen, die den Fahranfänger begleiten können, ist nicht begrenzt. Beim Antrag auf das BF17 muss lediglich eine Begleitperson genannt werden – in den meisten Fällen werden zwei Personen eingetragen. Oftmals sind das die Eltern. Den Führerschein in Kartenform gibt’s übrigens auch erst mit 18. Davor wird eine so genannte "Prüfungsbescheinigung" ausgestellt, auf der die Begleitpersonen vermerkt sind. Die Probezeit beginnt beim Führerschein ab 17 mit der Aushändigung der Prüfungsbescheinigung und dauert zwei Jahre. Der oft beliebte Doppelerwerb des PKW- und Motorradführerscheins ist beim BF17 nicht möglich, weil die Fahrausbildung zum Motorradführerschein erst mit siebzehneinhalb Jahren begonnen werden darf.
Andere Länder, andere Regeln
Das begleitete Fahren mit 17 ist in Deutschland anders gestaltet als in anderen Ländern. "Bei uns geht das BF17 mit einer vollumfänglichen Ausbildung und Prüfung einher. Die komplette Ausbildung wird also nur zeitlich vorgezogen. In anderen Ländern gibt es Laienausbildungen mit Stufenmodellen, bei denen man nach einer gewissen Zeit wieder in die Fahrschule muss."
In Österreich müssen Fahrschüler beispielsweise nach einem Theoriekurs und mehreren Einheiten Praxis in der Fahrschule anschließend Praxisfahrten mit einer Begleitperson machen. Dann folgen nach einer festgelegten Kilometeranzahl Überprüfungsfahrten in der Fahrschule von Fahrschülern und Begleitpersonen sowie eine "Perfektionsschulung" in Theorie und Praxis. Wenn ein Fahrprüfer die BF17-Ausbildung absolviert, darf er jedoch nicht im Ausland damit fahren. Lediglich in Österreich wird die Prüfbescheinigung des deutschen BF17 anerkannt.
Dieter Quentin ist vom Führerschein ab 17 überzeugt. Er würde sogar noch weiter gehen und das Mindestalter für das Begleitete Fahren auf 16 senken. Auch die Verkehrsminister der Länder hatten bereits im April 2018 bekräftigt, das Mindestalter auf 16 Jahre senken zu wollen. Allerdings müsste dafür geltendes EU-Recht geändert werden, denn eine europäische Führerscheinrichtlinie von 2006 sieht das Autofahren erst ab 17 vor. Bislang hat der EU-Führerschein-Ausschuss das Thema noch nicht auf die Tagesordnung genommen. Quentin würde einen Modellversuch begrüßen, um die Vorteile deutlich demonstrieren zu können.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dieter Quentin
- Studie: "Bedeutung der Fahrpraxis für den Kompetenzerwerb beim Fahrenlernen" der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
- BF17 Führerschein
- ADAC
- Bußgeldkatalog
- Wikipedia
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