Bergab die Motorbremse nutzen, schont die Bremsen und erhöht die Sicherheit. Doch wie funktioniert die Motorbremse? Wir erklären die Technik im Detail.
Wenn der Geruch von verbrannten Bremsen durch die Täler der Dolomiten weht, wissen erfahrene Fahrer, dass jemand die Abfahrt überwiegend mit der Betriebsbremse in Angriff genommen hat. Die Motorbremse, ein oft unterschätztes Hilfsmittel, kann in solchen Situationen Abhilfe schaffen. Doch was genau ist die Motorbremse und wie nutzt man sie optimal?
Bergab im selben Gang wie bergauf
Ein alter Merksatz aus der Fahrschule geht so: Bergab im gleichen Gang wie bergauf. Wenn ich also eine steile Passage im zweiten Gang hochfahre, nutze ich denselben Gang, wenn ich herunterfahre. Vereinfacht gesagt bremst dann der Widerstand des Motors das Auto ab, ich muss die Bremse seltener betätigen und rolle sicherer ins Tal. Würde dieselbe Strecke etwa im vierten Gang gefahren, müsste die Betriebsbremse Schwerstarbeit leisten.
Bremsen wandeln Bewegung in Wärme
Die Scheiben und Trommeln an den Achsen wandeln Bewegungsenergie in Wärme um. Werden die Bremsen zu stark beansprucht, ist das irgendwann zu riechen: Die Bremsbeläge verbrennen, Scheiben können glühen. Das ist ein Sicherheitsrisiko, denn heiße Bremsen verzögern schlechter – oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr. Kocht die Bremsflüssigkeit, kann die Bremse ebenfalls ganz ausfallen. Dann bleibt nur noch die Blechbremsung: Wer im flachen Winkel etwa gegen eine Leitplanke fährt, kann Schlimmeres verhindern.
So funktioniert die Motorbremse
Bei modernen Einspritzmotoren schaltet beim Gaswegnehmen die Kraftstoffzufuhr ab, das ist die Schubabschaltung. Ohne Sprit findet im Motorraum keine Verbrennung mehr statt, der Motor pumpt Luft durch seine Brennräume. Beim Benzinmotor ist die Drosselklappe geschlossen.
Der Grad der Bremswirkung eines Motors hängt von mehreren Faktoren ab, darunter die Motordrehzahl und -größe, die Getriebeübersetzung und das Fahrzeuggewicht.
Höhere Motordrehzahlen und größere Motoren erzeugen mehr Bremskraft, da bei höheren Drehzahlen mehr Reibung entsteht, was den Widerstand erhöht und somit die Bremswirkung verstärkt.
Weitere Parameter, die die Motorbremskraft speziell bei Lkw-Motoren erhöhen können, sind ein hohes Verdichtungsverhältnis und die Anzahl der Zylinder. Ein hohes Verdichtungsverhältnis sorgt für eine stärkere Kompression der Luft im Zylinder, was den Widerstand erhöhen kann. Auch mehr Zylinder bedeuten mehr Motorbremskraft, da jeder Zylinder zur Gesamthemmung des Fahrzeugs beiträgt. Ein großer Dieselmotor hat also mehr Bremskraft als ein kleiner Benzinmotor.
Welche Motorbremsen gibt es bei Lkw und Bussen?
Bei Lkw und Bussen verstärkt eine Klappe im Auspuff oder eine Konstantdrossel den Motorbrems-Effekt. Bei Bussen mit mehr als 5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und mehr als neun Sitzplätzen sowie bei Lastwagen mit mehr als 12 Tonnen Gesamtgewicht ist eine sogenannte Dauerbremse vorgeschrieben. Das kann eine Auspuffklappe, eine Konstantdrossel, eine Kombination aus beidem oder ein Retarder sein. Die Konstantdrossel ist ein zusätzliches Auslassventil im Brennraum, das mit Betätigung der Motorbremse bei Nullförderung des Kraftstoffs öffnet.
Dieses geöffnete Ventil lässt komprimierte Luft in den Auslasskanal strömen. Das vermindert den Expansionsdruck im 3. Arbeitstakt, verlangsamt den Kolben bei seiner Abwärtsbewegung und verstärkt die Wirkung der Motorbremse. Die Auspuffklappe hat bei niedrigen Drehzahlen eine bessere Bremswirkung, die Konstantdrossel bei höheren. Eine Kombination daraus erzeugt vor allem bei höheren Drehzahlen eine deutlich bessere Bremswirkung.
Eine Dauerbremse für einen Lastwagen oder Bus kann auch ein Retarder sein. Der kann hydrodynamisch, also mit Öl, oder elektrodynamisch über Wirbelströme Bewegungsenergie in Wärme umwandeln. Anders als Scheiben- oder Trommelbremsen arbeiten Retarder verschleißfrei.
Wie stark bremst die Motorbremse?
Die mögliche Bremskraft einer Motorbremse variiert je nach Fahrzeugtyp. Bei einem typischen PKW kann die Motorbremse eine Verzögerung von etwa 0,05 bis 0,1 m/s² erreichen. Um das in ein greifbares Beispiel zu setzen: Dies entspricht ungefähr der Bremskraft, die man empfindet, wenn man ein Fahrrad leicht abbremst, bevor man anhält. Bei Bussen kann diese Bremskraft etwas höher sein – insbesondere wenn zusätzliche Systeme wie Retarder integriert sind – und liegt etwa bei 0,1 bis 0,2 m/s². LKW, die mit speziellen Bremsvorrichtungen ausgestattet sind, können eine noch höhere Bremskraft erzeugen, die bei bis zu 0,3 m/s² liegt, was vergleichbar ist mit der Kraft, die man beim scharfen Bremsen eines Fahrrads erfährt.
Wie nutze ich die Motorbremse bei einem Schaltgetriebe?
Nicht nur bei längeren Gefällstrecken, auch im Stadtverkehr oder Überland kann die Motorbremse helfen, die Bremsen zu schonen. Denn je weniger ich bremsen muss, desto weniger Verschleiß entsteht an der Bremse. Sicherer ist das Fahren mit Motorbremse außerdem.
Hilfreich ist dabei eine vorausschauende Fahrweise: Wer frühzeitig Verkehrssituationen erkennt, kann die Bremswirkung des Motors optimal nutzen.
Dafür geht man bei nicht zu hoher Drehzahl vom Gas, passt mit der Bremse die Geschwindigkeit an, kuppelt aus, legt den nächstniedrigeren Gang ein, kuppelt wieder ein und geht von der Bremse. Wichtig: Keine zu hohen Drehzahlsprünge! Denn das kann den Motor überdrehen oder das Auto in einen instabilen Fahrzustand versetzen.
Wie nutze ich die Motorbremse bei einem Automatikgetriebe?
Die Steuerung moderner Automatikgetriebe erkennt Bergabfahrten und hält den eingelegten Gang – oder schaltet sogar selbstständig herunter, um die Motorbremswirkung zu nutzen. Bei älteren Getrieben ist es oft noch nötig, selbst am Wählhebel einen niedrigeren Gang einzulegen oder einen der höheren Gänge zu sperren. Aber Vorsicht! Nicht mehr als einen Gang auf einmal herunterschalten und auf die Drehzahlgrenze des Motor achten! Eine zu hohe Drehzahl kann den Motor und das Getriebe beschädigen. Auch hier gilt bei nasser oder glatter Straße besondere Vorsicht – eine zu starke Bremswirkung an der Antriebsachse kann das Auto unvermittelt ausbrechen lassen.
Wie ist das bei einem Elektroauto?
Elektroautos können beim Verzögern Energie zurückgewinnen. Das sogenannte Rekuperieren verzögert das Auto und gewinnt dadurch Energie zurück. Bei vielen Elektroautos kann der Fahrer die Stärke der Rekuperation über den Wählhebel oder Lenkradpaddel einstellen. Rekuperieren schont die Betriebsbremse. Manche Elektrofahrzeuge passen die Stärke der Rekuperation an Kurven, Gefälle und Geschwindigkeitsbegrenzungen an.
Bei diesen Motoren funktioniert die Motorbremse nicht
Zweitakter haben konstruktionsbedingt praktisch keine Motorbremswirkung. Um den Verbrauch im Schiebebetrieb zu reduzieren, haben manche Zweitaktfahrzeuge, wie etwa der Trabant, sogar einen Freilauf. Hier muss besonders gut auf die Bremse geachtet werden. © auto motor und sport
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