Die hessische Stadt Marburg führt eine Prämie für Menschen ein, die ihr Privatauto abmelden oder ganz abschaffen. Der Maximalbetrag ist vierstellig.
Die 80.000-Einwohner-Stadt Marburg ist allgemein als Universitätsstadt bekannt; nicht umsonst nutzt die in Mittelhessen gelegene Kreisstadt das Wort als Slogan. Möglicherweise redet man künftig im Zusammenhang mit Marburg obendrein von der autofreien Stadt, denn ihre Verwaltung startet nun eine Initiative, die zu weniger Pkw-Verkehr auf ihren Straßen führen soll. Bei diesem am Freitag (14. Juni 2024) eingeführten Konzept handelt es sich um ein "Anreizprogramm für den Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität", das sich kurz mit dem Wort "Abmeldeprämie" umschreiben ließe.
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Die Prämie erhält, wer das eigene private Auto für diese Zeit abmeldet oder abschafft. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um den Erst-, Zweit- oder Drittwagen handelt. Der Bonus beträgt maximal 1.250 Euro pro Jahr und ist als Guthaben verfügbar. Dieses lässt sich flexibel unter anderem für die Carsharing-Angebote in Marburg oder den ÖPNV (zum Beispiel als Jahresabo des Deutschlandtickets) nutzen. In Form des "Marburg-Gutscheins" kann das Budget ebenso zum Einkaufen in den Geschäften oder für die Gastronomie-Angebote in der Stadt genutzt werden.
"Bundesweit einmaliges Modell"
Hauptziel des "bundesweit einmaligen Modells" ist es, die rar gesäten Parkflächen in der Innenstadt freizubekommen. "Ein Drittel der Autobesitzenden in Städten mit einem guten Mobilitätsangebot sagen, dass sie ihr eigenes Auto eigentlich so gut wie gar nicht brauchen", sagt Stadtrat Michael Kopatz (Grüne). Manche Fahrzeuge würden in der Innenstadt, wo der Platz knapp ist, Tage, Wochen, manchmal Monate nicht bewegt, ergänzt Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD). Das blockiere wertvolle Innenstadtflächen und bedeute für diejenigen, die auf ihr Auto angewiesen sind, eine unnötige Erschwernis und blockiere knappen Raum.
Marburgs Bürgerinnen und Bürger sollen jedoch nicht nur durch die Abmeldeprämie finanziell vom Autoverzicht profitieren. Sondern auch dadurch, dass sie von den Unterhaltskosten wie Tanken, Parkgebühren und Inspektionen sowie Reparaturen befreit werden. Wer weniger als 14.000 Kilometer im Jahr fahre, sei mit einem Sharing-Modell günstiger unterwegs, rechnen die Initiatoren vor. Zudem komme es die Allgemeinheit teuer zu stehen, ständig Pkw-Parkflächen im öffentlichen Raum vorhalten zu müssen. Kopatz, Marburgs Dezernent für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität, beziffert allein die Grundstückskosten pro Auto auf Parkplätzen und am Straßenrand auf 2.400 Euro, deren jährliche Unterhaltung auf 360 Euro.
Bäume und Radwege statt Parkflächen
Perspektivisch möchte Marburg einen Teil dieser Flächen anderweitig nutzen, gerade in den Stadtteilen mit der dichtesten Bebauung. Hier sollen mehr Bäume und Grünflächen, Radwege und -stellplätze sowie Aufenthalts-Möglichkeiten für die Anwohnerinnen und Anwohner entstehen. Kopatz nennt das "Klimaanpassung" und meint damit, auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren und möglichst schnell gegenzusteuern.
Mit ihrem Modell will die Stadt Marburg ihren Einwohnerinnen und Einwohnern Lust machen, die "Mobilität ohne Privatauto" einmal auszuprobieren. Es fordere keinen Autoverzicht, sondern schließe das individuelle Autofahren ausdrücklich mit ein. "Besonders für Menschen in der Kernstadt bedeutet Carsharing kaum eine Änderung ihrer Routine", erläutert Kopatz, "außer, dass das Fahrzeug nicht direkt vor der Haustür steht und vor der Fahrt gebucht werden muss." Es gebe viele Menschen, die schon länger überlegen, ihr Auto abzuschaffen. Wenn hohe Reparaturen oder eine Neuanschaffung anstünden, käme die Prämie gerade.
Hinweis: In der Fotoshow zeigen wir Ihnen die Automodelle, die zu schwer sind, um auf dem Gehweg parken zu dürfen. © auto motor und sport
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