Topspeed nur 45 km/h – und trotzdem kann ein harmloser Unfall in einem Leichtfahrzeug tödlich enden. Die Ergebnisse aus zwei Dekra-Crashtests sind erschütternd.
Crashtests sind für Leichtfahrzeuge nicht verpflichtend. Die vierrädrigen Gefährte der sogenannten Klasse L6e, die in Deutschland schon mit einem Roller-Führerschein ab 15 Jahren gefahren werden können, brauchen keine Airbags, ABS oder ESP, ja nicht einmal eine Zulassung. Trotzdem hat die Dekra im Auftrag der Fernseh-Sendung "auto mobil – das VOX Automagazin" mit auto motor und sport Chefreporter Alex Bloch als Moderator zwei solcher Micro-Cars mit 45 km/h gegen ein deformierbares Offset-Hindernis prallen lassen. An den Dummies haben die Tester Belastungen gemessen, die bei menschlichen Passagieren aller Wahrscheinlichkeit nach zum Tod geführt hätten.
Video: Horror-Ergebnisse beim Crashtest
Aixam Access im Crashtest
Als Erstes fuhren die Dekra-Spezialisten den drei Meter langen und 425 Kilogramm schweren Aixam Access gegen die flexible Alu-Struktur. Der französische Zwerg ist eines der am häufigsten verkauften Fahrzeuge in dieser Klasse und versteckt einen Zweizylinder-Diesel mit der maximal zulässigen Leistung von 6 kW / 8 PS unter der vorderen Haube. Das Hindernis soll dabei ein entgegenkommendes Auto simulieren. Es wird wie bei anderen Crashtests üblich mit einer 40-prozentigen Überdeckung getroffen – nur eben nicht mit den bei EuroNCAP vorgeschriebenen 64 km/h, sondern mit der Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h.
Video: Crashtest: Aixam Access MicroCar
Nach dem Crash hat sich die Fahrgastzelle des Aixam zwar nicht stark verformt, die Belastungen im Innenraum waren allerdings erheblich. Das Airbaglose Lenkrad verschob sich in Richtung Fahrersitz, während es mit voller Wucht vom Kopf des Dummys getroffen wurde. Laut Dekra lag die kurzzeitige Belastung bei 120 g – also dem 120-fachen der Erdbeschleunigung. Der menschliche Kopf wiegt etwa sechs Kilogramm. Beim Zusammenprall mit dem Lenkrad wirkten also 720 Kilogramm. Gesetzliche Grenzwerte liegen bei 80 g, und die sind für manche Menschen bereits lebensbedrohlich.
Citroën Ami im Crashtest
Auch ein elektrisches Micro-Car aus dem technisch eng verwandten Stellantis-Trio Citroën Ami, Opel Rocks-e und Fiat Topolino musste sich einem Crashtest unterziehen. Hier sind nach dem Aufprall die extremen Einwirkungen auf die Insassen von Außen zunächst kaum zu erkennen. Der Grund dafür liegt in dem starren Rahmen, der unterhalb des nur 2,41 Meter langen Citroën Ami zu finden ist. Er hält zwar die darauf geschraubte Fahrgastzelle stabil, kann aber keinerlei kinetische Energie wie etwa eine Knautschzone aufnehmen. Deformationszonen, wie bei einem Pkw gibt es bei Micro-Cars nicht. Die extreme Energie eines Aufpralls wird also über das Gurtsystem in die Insassen geleitet.
Auch wenn der Dummy im Citroën Ami keinen harten Kopfkontakt mit dem Lenkrad hatte, lagen die Einwirkungen doch sehr nah am Grenzwert. Dafür wirkten auf die Halswirbel durch die Überstreckung noch extremere Kräfte, die die Grenzwerte deutlich übertrafen. "Auch in diesem Fall hätten wir bei einem echten Menschen höchstwahrscheinlich tödliche Verletzungen", sagt Peter Rücker.
Kaum Sicherheitsanforderungen für "Mofa-Autos"
Beide Hersteller erklären die Herausforderungen dieses Segments in einer Stellungnahme (siehe unten). Das Problem liegt zum einen in der gesetzlichen Anforderung, die im Falle von Leichtfahrzeugen sehr gering ist. Schließlich gelten die Micro-Cars der Klasse L6e als Alternative zu Fahrrädern, Motorrollern und Motorrädern. Sie können bereits von Jugendlichen im Alter von 15 Jahren mit dem AM-Führerschein gefahren werden.
Zum anderen sollen die Leichtfahrzeuge möglichst günstig angeboten werden. Mit Crash-Sensorik, Airbags oder ABS und ESP wären Ami, Rocks-e und Co deutlich teurer. Bei der Stellantis-Konstruktion wurden aus produktionstechnischen Gründen sogar sehr viele Gleichteile verwendet. Das Design ist beispielsweise rückwärts wie vorwärts identisch. Weil auch die Türen baugleich sind, ist die recht vorn angeschlagen, die linke hinten. Bisher rangieren die kleinsten E-Fahrzeuge knapp unterhalb von 10.000 Euro. Allerdings gibt es selbst auf dem Gebrauchtwagenmarkt deutlich teurere Modelle.
Stellungnahme Stellantis
Das sagen Citroën, Opel und Fiat zum Crashtest-Ergebnis: "Leichtfahrzeuge wie der Citroën Ami unterliegen nicht den Vorschriften für reguläre Fahrzeuge, sondern der Vorschrift L6E, die keinen Crashtest für die Homologation vorsieht bzw. fordert. Diese Mobilitätsobjekte sind vor allem für den Einsatz in Städten als Alternative zu Rollern, Fahrrädern oder Motorrädern gedacht und bieten bei Ihrem Einsatzzweck mehr Sicherheit sowie Schutz vor Regen oder Kälte."
"Der Ami bietet alle Sicherheitsvorkehrungen, die man von einem modernen vierrädrigen Leichtfahrzeug erwarten kann, einschließlich Sicherheitsgurte und eine adäquate Sitzkonstruktion für beide Insassen, sowie eine vollständig geschlossene Kabine. Das Leichtfahrzeug basiert auf einer Stahlrohrkonstruktion, die so ausgelegt ist, dass sie einem Aufprall mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h standhält und eine sehr gute Rundumsicht bietet. Moderne Lichttechnik sorgt für eine gute Ausleuchtung und gewährleistet, dass das Leichtfahrzeug für andere Verkehrsteilnehmer deutlich besser sichtbar ist als vergleichbare Transportmittel. Insofern erhöht das Leichtfahrzeug die Sicherheit für den Nutzer gegenüber einem Roller, Fahrrad oder Motorrad deutlich."
Stellungsnahme Aixam
Das sagt der französische Hersteller Aixam zu den Crashtest-Ergebnissen: "Uns liegt das Thema Sicherheit sehr am Herzen. Klar ist aber, dass ein leichtes, vierrädriges Kraftfahrzeug der Klasse L6eB in puncto Sicherheit nicht mit einem M1-Fahrzeug (Pkw, Anm. d. Red.) mithalten kann. Bei einem erlaubten fahrfertigen Gewicht von 425 Kilogramm ohne Fahrer wäre das meiste, was es so alles in modernen Pkw gibt, technisch nicht umsetzbar." © auto motor und sport
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