Der Fehmarnbelt-Tunnel wird der längste Absenktunnel der Welt. Inzwischen entstehen die ersten Tunnelsegmente. Wir erklären das Mammut-Projekt im Detail – samt Videos.

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Schon seit den 1960er Jahren gibt es Überlegungen, die Fehmarnbelt genannte Meerenge in der Ostsee, welche die dänische Insel Lolland und die namensgebende deutsche Insel Fehmarn trennt, mit einer Straßenverbindung zu vereinen. Lange Zeit wurde eine gewaltige Brückenkonstruktion diskutiert, 2007 gab es eine Einigung zwischen der deutschen und dänischen Regierung zum Bau einer solchen kombinierten Eisenbahn- und Auto-Brücke. Dann wurde es erst einmal leise.

Die Geschichte

Vier Jahre später, 2011 begannen konkrete Planungen zur Realisierung des Fehmarnbelt-Tunnels statt der ursprünglichen Brücken-Idee. Ein Verkehrsprojekt mit gigantischen Dimensionen. Der neue Plan: 2029 soll der Tunnel fertiggestellt sein, in dem dann in mehreren Röhren Züge, Pkw und Lkw zwischen Deutschland und Dänemark verkehren können.

Video: Virtuelle Fahrt durch den Fehmarnbelt-Tunnel

Wie üblich bei solchen Großbauprojekten gab es auch erheblichen Widerstand. Umweltschützer befürchteten negative Auswirkungen auf das Ökosystem in der Ostsee, die Fährlinien-Betreiber den Verlust ihres lukrativen Geschäfts. Doch die entsprechenden Klagen gegen den Fehmarnbelt-Tunnel scheiterten schließlich auf deutscher Seite Ende 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht. Seitdem wird auch auf Fehmarn mit Volldampf gebuddelt. Die Dänen begannen bereits 2015 mit den Arbeiten an der Tunnelanbindung auf Lolland und 2019 mit dem Bau des Arbeitshafens, über den die Materialien für die Konstruktion der Bauteile abgewickelt werden.

Die Bauweise

Beim klassischen Tunnelbau denkt man an die üblichen, riesigen Tunnelbohrmaschinen, die Röhren in den Untergrund fräsen. Schönes Beispiel: Der Kanaltunnel zwischen Frankreich und England, der auf rund 50 Kilometer Länge (davon 38 Kilometer unter Wasser) seit 1994 Großbritannien mit Kontinental-Europa verbindet, allerdings ausschließlich für den Eisenbahnverkehr.

Der Fehmarnbelt-Tunnel ist jedoch anders, er wird ein sogenannter "Absenktunnel", bei dem einzelne Segmente auf den Meeresboden abgesenkt werden. Hierfür wurde zunächst auf der gesamten Länge zwischen Deutschland und Dänemark mit Baggerschiffen ein riesiger Graben auf dem 30 Meter tiefen Meeresgrund ausgehoben. In diesen werden anschließend die einzelnen Tunnelsegmente versenkt. Der Tunnelgraben ist durchschnittlich zwölf Meter tiefer als der Meeresboden und 100 Meter breit.

Video: Im Video: Fehmarnbelt Tunnel Imagefilm

In diesen Graben werden insgesamt 89 Tunnelelemente aus Beton verlegt, die auf dänischer Seite in einer riesigen Fabrik gefertigt werden. Die Einzelelemente sind jeweils 217 Meter lang und enthalten getrennte Röhren für die Eisenbahnstrecke (zwei Gleise) und die Autobahn (vier Fahrspuren, zwei in jede Richtung). Zwischen den Röhren befindet sich ein Wartungstunnel, der auch für Notfälle als Rettungstunnel genutzt werden kann.

Schwimmende Tunnelsegmente

In der inzwischen rund um die Uhr arbeitenden Fertigung schieben sich die atemberaubend schweren (73.000 Tonnen) Tunnelelemente schrittweise aus insgesamt sechs Produktionslinien in Rødbyhavn. Ist ein Element fertiggestellt, wird es an beiden Enden hermetisch verschlossen. So kann jedes Tunnelelement trotz des enormen Gewichts als schwimmendes Bauteil in die Ostsee geschleppt werden, dazu wird der Bereich hinter der Produktion mit Wasserbecken geflutet.

Video: Im Video: Fehmarnbelt Tunnel Wasserbecken

Vor Ort auf dem Meer werden die Tunnelelemente dann mit Ballastwasser geflutet und kontrolliert in den Graben abgelassen. Die Genauigkeit ist dabei angesichts der Bauteil-Dimension spektakulär: Wenige Millimeter exakt wird ein neues Segment an ein bereits bestehendes angedockt. Anschließend werden die Verbindungsstücke über eine Mechanik aneinander gezogen und das Ballastwasser abgepumpt. Der entstehende Unterdruck zieht die Elemente zusätzlich zusammen, Gummidichtungen zwischen jedem Tunnelsegment verhindern das Eindringen von Wasser.

Nach der Montage jedes einzelnen Segments rücken Arbeitstrupps vor, entfernen die Schottwände an der Verbindung und erstellen innerhalb des neuen Moduls die Tunnel-Infrastruktur: Verkabelung, Beleuchtung, Fahrbahnbelag und die Rettungswege.

Der Baufortschritt

Die Arbeiten am Fehmarnbelt-Tunnel gehen beeindruckend schnell voran. Speziell aus deutscher Sicht ist das bemerkenswert, wo sich beispielsweise der Bau eines neuen Hauptbahnhofs in Stuttgart seit inzwischen 14 Jahren hinzieht, aktuell noch bis 2026 dauern und mittlerweile 11,5 Milliarden Euro Baukosten verschlingen soll.

Der Fehmarnbelt-Tunnel wird dagegen voraussichtlich 7,4 Milliarden Euro kosten. Besonders erfreulich aus deutscher Steuerzahler-Sicht: Den größten Teil der Kosten übernimmt der dänische Staat, der diese Investition über die künftigen Mautgebühren refinanzieren wird. Möglicherweise liegt es auch daran, dass der Bau bislang planmäßig flott vorangeht.

Die Tunnelfabrik bei Rødbyhavn

Die Herstellung der Tunnelelemente ist ein zentraler Bestandteil des Projekts. In der Tunnelfabrik bei Rødbyhavn werden die insgesamt 89 Tunnelelemente in sechs Produktionslinien gefertigt. Im Juli 2023 begann die Betonage der ersten Segmente, seither hat die Produktion an Fahrt aufgenommen. Zwei große Betonmischanlagen vor Ort können gemeinsam über 600 Kubikmeter Beton pro Stunde produzieren, was die effiziente Herstellung der Segmente ermöglicht. Die fertigen Elemente werden durch drei große Wasserbecken (je eines pro Produktionslinie), die sich vor der Fabrik befinden, in den Arbeitshafen transportiert.

Video: Im Video: Fehmarnbelt Tunnel Flug über die Baustelle

Der dänische Arbeitshafen

Seit Sommer 2022 ist der dänische Arbeitshafen in Betrieb. Dieser Hafen spielt eine entscheidende Rolle bei der Lieferung von Baumaterialien direkt zur Baustelle, wodurch das örtliche Straßennetz entlastet wird. Etwa alle drei Tage trifft ein Frachtschiff mit Baumaterialien ein. Vier Silos lagern Zuschlagstoffe wie Kies, Sand und Zement, und wöchentlich werden rund 70.000 Tonnen Baumaterial umgeschlagen.

Wohnanlage und Arbeiten im Fehmarnbelt

Im Sommer 2023 wurde eine Wohnanlage mit über 1.300 Wohneinheiten für die Arbeiter fertiggestellt. Diese Anlage bietet neben einem Supermarkt auch Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Der Tunnelgraben, der 18 Kilometer lang ist, wurde zu diesem Zeitpunkt bereits fertig ausgehoben. Zudem wurden rund 22 Millionen Tonnen Granit für die neuen Molen und Rückhaltedämme auf dänischer Seite verlegt. Westlich des Fährhafens Rødbyhavn wurde mit dem Aushubmaterial des Grabens ein neuer Strand für die Öffentlichkeit hergestellt.

Video: Im Video: Fehmarnbelt Tunnel erstes Segment

Baustelle bei Puttgarden

Auf deutscher Seite fand der offizielle Spatenstich am 29. November 2021 statt. Die Baustelle in Puttgarden erstreckt sich über rund 90 Hektar und die Arbeiten haben deutlich sichtbare Fortschritte gemacht. Für die künftige Linienführung der E 47 und die neue Bahntrasse wurden bereits zwei von drei geplanten Brücken gebaut. Die Bauarbeiten umfassen auch die Errichtung von Fundamenten und Widerlagern sowie die Stabilisierung des Bodens.

Der deutsche Arbeitshafen und das Tunnelportal

Im Juli 2023 ging der deutsche Arbeitshafen in Betrieb, über den Baumaterialien auf dem Seeweg angeliefert werden, um Transporte über die Insel zu minimieren. An der Küste wurden Rückhaltedämme errichtet und die Baugrube für die Tunneleinfahrt trockengelegt. In dieser Baugrube entstehen Tunnelabschnitte in offener Bauweise, wobei zunächst die Sohle, dann die Seitenwände und schließlich die Decke betoniert werden.

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Die Zeitersparnis

Der Tunnel ermöglicht eine Reisezeit von nur sieben Minuten mit dem Zug und etwa zehn Minuten mit dem Auto zwischen Deutschland und Dänemark. Zwischen den skandinavischen Metropolen Kopenhagen und Malmö und den deutschen Großstädten wird sich die Reisezeit um bis zu drei Stunden verringern.  © auto motor und sport

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