Viele Autokonzerne müssen mittlerweile ihre ursprüngliche Elektroauto-Strategie überdenken. Welche Marken auch nach 2030 weiterhin Verbrennungsmotoren anbieten – hier der Überblick.

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Die zuletzt in vielen Ländern abflauende Nachfrage nach Elektroautos bringt Hersteller zur Abkehr von der bisherigen Elektro-Strategie. Statt des noch vor Kurzem angekündigten "Electric only"-Konzepts, nach dem in naher Zukunft ausschließlich elektrisch angetriebene Pkw angeboten werden sollen, gibt es immer mehr Ankündigungen, dem Verbrennungsmotor parallel zum Stromantrieb eine Zukunft einzuräumen.

In diesem Beitrag sammeln wir die entsprechenden Trends der Hersteller zum Thema. Neu im Lager der Sowohl-als-auch-Marken ist seit Kurzem Genesis.

Volvo

Die Schweden gehörten mit zu den ersten, die eine konsequente Elektro-Strategie verkündeten und ab dem Jahr 2030 nur noch Elektroautos auf den Markt bringen wollten. Jetzt rudern die Verantwortlichen rund um Volvo-Chef Jim Rowan zurück. Er selbst betont: "Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere Zukunft elektrisch ist. Es ist jedoch klar, dass der Übergang zur Elektrifizierung nicht linear verlaufen wird."

Nach den neuen Plänen wird Volvo auch nach 2030 noch Plug-in- und Mild-Hybride verkaufen. Das verschlechtert die anvisierten CO2-Emissionen des Konzerns, die ursprünglich bis 2030 um 75 Prozent sinken sollten. Jetzt spricht man von 65 bis 75 Prozent.

Mercedes-Benz

Auf der Hauptversammlung am 8. Mai 2024 räumte Mercedes-Konzernchef Ola Källenius die ursprüngliche Strategie ab, nach der zur Mitte des Jahrzehnts Elektroautos bereits die Hälfte des Absatzes ausmachen sollten. Die Wirtschaftswoche zitiert den Konzernlenker stattdessen mit den Worten "Die Transformation könnte länger dauern als gedacht" und dem Hinweis, dass es neben Elektroautos auch "hochmoderne, elektrifizierte Verbrenner" geben werde und das, sofern es die entsprechende Kundennachfrage gäbe, "bis deutlich in die 2030er-Jahre".

Ford Europe

Die Argumentation mit der Kundennachfrage ist auch in der Europa-Zentrale von Ford ein Thema. Dort galt ursprünglich als gesetzt, dass die Marke ab 2030 in Europa nur noch Elektroautos der Marke anbietet. Beim Future of the Car Summit der Financial Times in London (7.-9. Mai 2024) gab Martin Sander, General Manager von Ford of Europe jedoch zu, dass die Elektroauto-Nachfrage schwächer als angenommen sei. Automotive News zitiert den Manager mit der Aussage: "Wenn wir eine starke Nachfrage sehen, zum Beispiel nach Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen, werden wir sie anbieten".

Gegenüber der britischen Autocar legte ein Ford-Manager Ende Juli 2024 kräftig nach. Marin Gjaja, CEO der Ford-Elektrosparte Model E, sprach davon, dass das Unternehmen nicht mehr plane, den Verkauf von Verbrennerautos in Europa innerhalb der nächsten sechs Jahre einzustellen, wie es ursprünglich angekündigt wurde. Gleichzeitig gab der Manager zu Protokoll, dass Ford aktuell eine "Multienergie-Plattform" entwickelt, die sich für Verbrenner-, Hybrid- und Elektroantriebe eignet. Für neue Fahrzeuge auf dieser Plattform käme das Werk Valencia in Betracht, in dem nach ursprünglicher Planung ausscließlich Elektroautos gebaut werden sollten.

Skoda

Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatte sich der Skoda-Vorstandsvorsitzende Klaus Zellmer dahingehend geäußert, dass die Marke über das Jahr 2035 hinaus am Verbrenner festhalten würde. Dies zwar ausdrücklich nur für Märkte außerhalb der EU, doch auch in der Politik gerät das Verbrenner-Verbot im Jahr 2035 ins Wanken.

Cadillac rückt vom Elektro-Ziel ab

Aktuell stimmt auch General Motors in dieses Lied ein. Bei der Luxusmarke von General Motors, Cadillac, wurde in der Vergangenheit betont, bis zum Jahr 2030 das gesamte Markenangebot auf rein elektrischen Antrieb umzustellen. Jüngste Äußerungen des Vizepräsidenten von Cadillac, John Roth, lassen eine Planänderung erahnen: Vor Reportern sagte er Anfang Mai, dass Elektro- und Benzinantriebe "für eine Reihe von Jahren nebeneinander existieren werden".

Dementsprechend würden zwar alle Baureihen bis zum Jahr 2030 mit E-Antrieb angeboten, jedoch alternativ weiterhin mit Benzinmotoren zur Verfügung stehen. Das Branchenblatt Automotive News zitiert außerdem einen Cadillac-Sprecher mit der Aussage, dass "der Übergang weg von Benzinmotoren langsamer sein könnte als erwartet".

Planänderung bei Stellantis

Der Stellantis-Konzern ist diesen Schritt in der jüngeren Vergangenheit bereits gegangen: Ursprünglich nur mit Elektroantrieb angebotene Modelle werden wieder mit Diesel- und Benziner-Verbrennungsmotoren angeboten. Grund dafür ist die weltweit lahmende Nachfrage nach Elektroautos, welche die Stromer-Verkaufszahlen nicht auf die ursprünglich gewünschten Höchstzahlen treibt.

Jüngste Beispiele in Deutschland ist die Wiedereinführung von Benzin- und Dieselmotoren für die kleinen Van-Baureihen (Citroën Berlingo, Peugeot Rifter, Fiat Doblo), die Pkw-Versionen dieser Großraum-Kombis wurden zuletzt nur noch mit Elektroantrieb angeboten. Bei der mittleren Van-Baureihe der Stellantis-Marken in den Pkw-Varianten, ursprünglich ebenfalls nur noch elektrisch unterwegs, hatte Peugeot im April die Wiedereinführung eines Dieselmotors für den Traveller bekanntgegeben.

Jeep mit Alternativen

Die Stellantis-Marke Jeep hatte diesen Weg ebenfalls schon einmal gewählt, mit dem eigentlich nur als E-Auto geplanten Avenger. Den gibt es inzwischen auch als Hybrid und als günstige Einstiegsversion sogar mit einem Turbo-Benziner ohne jede Elektrifizierung.

Jetzt sieht es so aus, als würden zwei bislang nur mit E-Antrieb angekündigte Jeep-Modelle schon vor der ersten Auslieferung umgeplant und alternativ mit Benzinmotoren angeboten werden. Dabei handelt es sich um den Jeep Recon (siehe Bildergalerie), einen betont offroadigen Geländewagen im Stil des Jeep Wrangler, und um den Wagoneer S, ein Luxus-SUV als Ergänzung zum Jeep Grand Cherokee.

Video: Im Video

Möglich machen soll den Sinneswandel die STLA-Large-Plattform (siehe Video oben), welche alternativ mit Elektroantrieben oder konventionellen Verbrennungsmotoren bestückt werden kann. Diese Variante ist nun offenbar tatsächlich auch für die beiden neuen Jeep-Modelle vorgesehen, die Ende des Jahres debütieren werden. Gegenüber Automotive News sagte der neue Jeep-Chef Antonio Filosa mit Bezug auf diese zwei neuen Baureihen, dass, sollten sich Gelegenheiten für Verbrenner-Versionen ergeben, "wir sie ergreifen müssen, oder jemand anderes wird es tun". Das klingt mehr als deutlich.

In dieselbe Kerbe schlug jüngst die Stellantis-Finanzchefin Natalie Knight, die gegenüber dem US-Informationsdienst WardsAuto betonte: "Die meisten unserer Produkte sollen die Multi-Energie-Plattformen nutzen, die wir haben. Dies ist eine großartige Gelegenheit für uns im Vergleich zu unseren Mitbewerbern, die Multi-Energie-Plattformen für alle unsere Produkte in der Entwicklung zu haben und die Agilität zu haben, sich zwischen ihnen zu bewegen".

Genesis will Hybride anbieten

Das Luxuslabel des Hyundai-Kia-Konzerns, die Marke Genesis, hat im Juli 2024 das zuvor ausgegebene Elektro-Ziel kassiert. Auf dem Goodwood Festival of Speed in England äußerte sich Mike Song, Global Head of Genesis, diesbezüglich. Ursprünglich wollte Genesis ab dem Jahr 2025 nur noch rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf den Markt bringen. "Der Markt und die Kunden wollen jetzt mehr Hybride als Elektrofahrzeuge, also wollen wir Genesis Hybride wirklich so schnell wie möglich auf den Markt bringen", zitiert das britische Online-Portal topgear.com den Genesis-Chef.

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Ob es sich bei den dieser neuen Strategie folgenden Fahrzeugen um Hybrid- oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge handeln wird, ließ Song dabei offen. Für beide Varianten finden sich im Konzern passende Aggregate.

Hinweis: In der Fotoshow zeigen wir Ihnen die aktuell meistverkauften Elektroautos in Deutschland.  © auto motor und sport

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