Wer seit über 20 Jahren im Messe-Geschäft ist, der weiß, dass die Anreise am 1. Pressetag in der Regel mühsam ist: Staus mit Verzögerungen um die zwei Stunden sind in Genf, Moskau, Shanghai und auch früher auf der IAA in Frankfurt keine Seltenheit. In München, solange die Klimakleber nicht den Verkehr blockieren, kein Problem. 20 Minuten von der Innenstadt auf Messegelände in Riem – kein Chaos, keine Warterei. Man spürt sofort: Der Besucherandrang hält sich in Grenzen.

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Totes Riff im Bereich C

Der erste Gang durch die Hallen hinterlässt zunächst mal einen guten Eindruck: Keine riesigen Freiflächen, auf denen ein paar Fahrräder ihr Dasein fristen, wie beim Debüt vor zwei Jahren. Die Hallen A und B sind ansprechend sortiert. Nur wer sie verlässt, stellt fest, dass es im Bereich von C noch ganz viel Platz gegeben hätte. Stattdessen: Totes Riff. Diese Hallen sind geschlossen.

Der erste Pressetag auf dem so genannten Summit ist – bei Eintrittspreisen von 175 Euro für Fachbesucher – ordentlich gefüllt. Wer allerdings die Pressekonferenzen von Mercedes in der Festhalle Frankfurt kennt, oder von BMW in der Hall 10, der fragt sich: Was läuft falsch im Autoland Deutschland, dass die einst berühmteste Automesse der Welt mit rund einer Millionen Besuchern zu einer Veranstaltung heruntergekommen ist, die gerade einmal zwei Hallenzüge füllt? Stolz wurde verkündet, dass Tesla dabei ist. Aber der Stand mit kahlen Wänden und gerade einmal zwei Autos wirkte so, als ob er vom US-Hersteller eher widerwillig bezogen wurde. Von einem Markenauftritt kann hier nicht die Rede sein. Und wer die gigantischen Stände von Bosch auf der CES in Las Vegas kennt, der wundert sich noch mehr. Der weltweit größte Zulieferer fährt in seinem Heimatland ein kleines Programm.

VW mit Vorstand, aber mickrigem Messe-Stand

Der VW-Konzern hält dem VDA als Messebetreiber zumindest ein bisschen die Treue: Der gesamte Vorstand unter Leitung von Oliver Blume nimmt an der Pressekonferenz teil, der neue Cariad-Chef Peter Bosch und der neue Audi-Vorstandsvorsitzende Gernot Döllner geben – sichtlich nervös – ihr Bühnendebüt, selbst Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche ist mit von der Partie. Die Größe des Standes für alle Marken zusammen? In etwa so, wie sonst Seat oder Skoda auf der IAA in Frankfurt. Dort, wo damals die gesamte Halle 4 inklusive Außenfläche vom Konzern bespielt wurde.

Video: Vorstellung: VW ID.GTI Concept

Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Gigantomanie der IAA in Frankfurt war zum Schluss mehr als aus der Zeit gefallen. Als Journalist war man gut und gerne zehn Kilometer pro Tag unterwegs, um alles abzulaufen. Aber das Pendel ist von einem Extrem in das andere ausgeschlagen – was nicht am Platzmangel liegt, sondern an der Tatsache, dass viele Hersteller die Reise nach München gar nicht erst angetreten haben: Die japanischen Vertreter fehlten genauso wie die gesamte Stellantis-Gruppe außer Opel. Quo Vadis München, fragt man sich da.

Geteilte Messe, doppeltes Leid?

Es ist unter anderem die Zweiteilung des Konzeptes, dass Kritiker auf den Plan ruft – zu Recht, denn der Weg von Riem in die Innenstadt zu den so genannten Open Spaces ist lang. Wobei: Otto Normalverbraucher mit Familie ist auf dem Messegelände ja gar nicht erwünscht. Dort findet nur das so genannte B-2-B-Geschäft statt. Warum eigentlich, fragt man sich?

Die Stände rund um den Odeonsplatz, das ist die gute Nachricht, sind spektakulär: Mercedes, Porsche, VW, Polestar – sie alle haben viel Arbeit in die Konzepte gesteckt, um den Menschen auf der Straße zu zeigen, dass E-Autos gut aussehen und sich vor allem auch hervorragend fahren lassen. Aber möchte jeder in München, dass seine Stadt im Kern quasi eine Woche von einer Automeile lahmgelegt wird. Wer den Passanten zuhört, bekommt Zweifel.

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Messe München erinnert an Leipzig

Dass die Klimakleber, Greenpeace und sonstige Gruppierungen zweifelhaften Rufes die Messe und die Veranstaltung in der Stadt immer wieder stören, macht die Sache nicht besser. Fest steht: Diese Messe ist einem der wichtigsten Automobilstandorte der Welt, nicht würdig. Sie erinnert ein bisschen an die Auto Mobil, die bis 2014 in Leipzig stattfand.  © auto motor und sport

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