Was macht ein altes Auto teuer? Rennsiege, nachvollziehbare Historie, historische Relevanz und Seltenheit. Cabrios und Sportwagen sind oft teurer als Limousinen und es gibt Marken, die teurer sind als andere. Mercedes hat am 5. Mai 2022 mit dem 300 SLR Uhlenhaut Coupé offiziell das teuerste Auto der Welt verkauft: 135 Millionen Euro bezahlte ein bis heute geheim gehaltener Bieter für das einzige fahrbereite Exemplar des Sportwagens.
Simplex: Der erste Mercedes
Mercedes verdankt seinen Markennamen bekanntlich dem in Wien geborenen Generalkonsul und Unternehmer Emil Jellinek, der in Nizza als offizieller Agent für die 1890 von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach in Cannstatt gegründete Daimler Motoren Gesellschaft (DMG) in Nizza Autos verkaufte. Jellinek gab ein neues Auto in Auftrag, beteiligte sich an den Entwicklungskosten, garantierte die Abnahme von 36 Exemplaren und wollte dafür, dass es heißt wie seine Tochter: Mércèdes.
Hinter der Idee steckte vermutlich Emotion, aber auch kaufmännisches Kalkül: In Nizza und Paris verkauften sich kurz nach der Jahrhundertwende Autos besonders gut. Nach dem Preußisch-Französischen Krieg von 1870 gab es jedoch möglicherweise Ressentiments gegen Deutsche, die Jellinek mit dem neuen Namen vermeiden wollte. Internationaler klingt der Name sowieso.
Rekorde und das erste moderne Auto
Simplex sollte auf die einfache Bedienbarkeit des Autos hinweisen. Was eben damals als einfach galt: Einen elektrischen Anlasser gab es ebensowenig wie ein synchronisiertes Getriebe. Das Starten konnte Stunden dauern. Doch alles andere entspricht im Prinzip einem modernen Auto: Wabenkühler, vorn längs eingebauter Motor, Hinterradantrieb. Pedale und Lenkrad hatte der Simplex den ersten Automobilen ebenfalls voraus.
Und er war sehr schnell: Der Simplex 40 PS dominierte 1902 die Woche von Nizza: E.T. Stead siegte beim Bergrennen Nizza – La Turbie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 55,2 km/h. William K. Vanderbilt erreichte während einer Rekordfahrt von Ablis nach Chartres 111,8 km/h. Paul Meyan, Generalsekretär des Automobile Club de France, hatte nach der Nizza Speed Week im Frühjahr 1901 verkündet: "Wir sind in die Mercedes-Ära eingetreten."
Der Simplex 60 HP setzte 1903 einen drauf: Maybach und Daimler hatten den Vierzylinder mit 140 mm Bohrung und 150 mm Hub auf 9,25 Liter aufgebohrt. Obenliegende Ventile steigerten die Leistung weiter auf 60 PS. Der 60 HP lief knapp 130 km/h. Beim Gordon-Bennett-Cup in Irland fuhr Camille Jenatzy über 327,5 Meilen (524 km) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,2 mph (78,7 km/h) – im Juli 1903!
Der Verleger-Simplex
Im selben Jahr kaufte der britische Verleger Alfred C.W. Harmsworth seinen Simplex. Der gebürtige Ire hatte 1888 im Alter von 23 Jahren seine erste Zeitung gegründet. Um die Jahrhundertwende folgten Titel wie "London Daily Mail", "Sunday Dispatch" und "The Daily Mirror". König Edward VII. verlieh Harmsworth 1905 den Titel "Baron Northcliffe".
Harmsworth finanzierte mit seinen verlegerischen Aktivitäten Expeditionen, interessierte sich für neue Technik und Autos. Er brachte 1902 das Buch "Motors and Motor-Driving" heraus. Der Verleger besaß 1902 bereits etwa 15 Automobile, darunter diverse Dampfwagen, einen Daimler, einen Panhard, einen Renault mit Einzylindermotor und einen der ersten Simplex 40 hp, die nach England geliefert worden waren.
Harmsworths Simplex 60 hp war 1903 laut "The Car" das schnellste Auto beim Meilenrennen während der Nizza Speed Week. In London erhielt der Simplex das Kennzeichen A 740 – die Zuteilung von Zulassungen hatte 1903 mit dem Kennzeichen "A 1" begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Simplex bereits die heutige Karosserie von J. Rothschild et Fils. Der Verleger nutzte das Auto für Ausfahrten. Nach seinem Tod 1922 erbte sein Sohn Alfred John Francis Alexander Harmsworth das Auto.
Verkaufspreis: 11 Millionen Euro
John Harmsworth nahm mit dem Simplex seines Vaters mehrmals am London-Brighton-Run teil. Ab 1954 war das Auto außerdem im Beaulieu Motor Museum ausgestellt und dort in den 1960er-Jahren für eine längere Standzeit vorbereitet. Sechs Jahrzehnte war das Auto dort ausgestellt. Nach 121 Jahren im Familienbesitz wurde der Simplex von Gooding & Company während einer Auktion in Amelia Island am 29.2.2024 versteigert. Mehr als 10 Millionen US-Dollar (9,3 Millionen Euro) sollte der Mercedes einbringen. Verkauft wurde der Verleger-Simplex schließlich sogar für 11 Millionen US-Dollar. Inklusive Aufgeld für das Auktionshaus ergibt sich ein Verkaufspreis von 12,105 Millionen US-Dollar, umgerechnet 11,16 Millionen Euro. © auto motor und sport
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