Bereits zur IAA 2021 in München hatte der E-Scooter-Hersteller Micro, geführt von der Schweizer Familie Ouboter, den Serienstart seines Elektro-Kleinstwagens Microlino verkündet. Der 2,52 Meter kurze, 1,47 Meter schmale und 1,50 Meter hohe Zweisitzer mit Fronttür erinnert im Auftritt an die Isetta, die BMW in den 1950er-Jahren in Lizenz des italienischen Kühlschrank- und Fahrzeugherstellers Rivolta gebaut hatte. Die Produktion des Microlino sollte den damals verkündeten Plänen zufolge 2021 starten. Danach musste Microlino Italia, das eigens für die Fertigung gegründete Joint Venture zwischen den Schweizern und ihrem Produktions-Partner CECOMP, den Start in Turin jedoch verschieben.

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Video: Fahrbericht: Microlino

Im Sommer 2022 war es aber trotz aller Schwierigkeiten in den Lieferketten so weit. Und die Schweizer wussten offenbar, was sie jenen, die so lange mit ihnen gefiebert haben, schuldig waren. Zur Markteinführung legte der nun als Microlino AG firmierende Hersteller den Elektro-Knirps in der Pioneer Series auf, die einerseits all jenen vorbehalten war, die ihren Microlino bereits vor sechs Jahren reserviert hatten, als das erste Concept Car debütierte. Und jenen, die regelmäßig an den Umfragen teilgenommen oder sich auf ähnliche Weise eingebracht hatten. Jeder Vertreter der Pioneer Series ist entweder in Atlantis Blue oder Torino Aluminum lackiert. Ein Faltdach, tragbare Bluetooth-Lautsprecher und ein Mix aus veganem Leder und Alcantara zeichnen den Innenraum aus. Die Einführungs-Edition war auf 999 Exemplare limitiert; die entsprechende Seriennummer findet sich im Innenraum. Und jedem Auto liegt ein Micro E-Scooter bei.

Zum Start in der Pioneer Series

Anfangs wurden ausschließlich Kundinnen und Kunden in der Schweiz bedient. Danach war Deutschland dran. Andere Märkte mussten bis mindestens 2023 auf den Microlino warten. Der Preis für das Pioneer-Sondermodell liegt aktuell bei 19.900 Euro in Deutschland. Als Basispreis für andere europäische Märkte wurden rund um den Marktstart weiterhin etwa 12.500 Euro versprochen. Wobei die Ouboters damals anklingen ließen, dass auch dieser angesichts immer teurerer Zulieferteile steigen könnte. Zudem heißt es in einer Mitteilung, dass genaue Preise für jedes Land erst zum jeweiligen Marktstart bekannt gegeben werden.

In Deutschland ist der Microlino in zwei reguläre Ausstattungslinien erhältlich: Dolce und Competizione. LED-Licht und Heizung sind bei allen Linien serienmäßig. Hinzu kommen jeweils zusätzlich ein Faltdach und Sportmodus sowie veganes Leder am Lenkrad und eine breite LED-Lichtleiste in der Fronttür. Der Dolce für mindestens 21.190 Euro soll mit kräftigen Farben wie Blau, Rot und Mint eher Retro wirken und lässt sich mit jeder Akkuoption kombinieren. Der 500 Euro teurere Competizione übernimmt mit Mattlacken wie Gotham Anthracite den coolen Part und kommt entweder mit dem mittleren oder dem großen Energiespeicher.

Höhere Sicherheitsstandards

Der Microlino verfügt über eine Zulassung nach L7e-Standard und im Vergleich zu früheren Studien- und Prototypen-Versionen über ein geändertes Design und einige Technik-Updates. Hauptgrund für das umfassende Facelift schon vor dem Produktionsstart war die Sicherheit. Um höhere Standards zu erreichen, musste die gesamte Fahrzeugstruktur geändert werden. Das ursprünglich als Gitterrohrrahmen konzipierte Chassis besteht nun aus Stahlblech und Aluminium und nimmt eine selbsttragende Stahlkarosserie auf. Auch das Fahrverhalten soll von dieser Änderung profitieren. Um die Fahrstabilität zu verbessern und Einzelradaufhängung zu ermöglichen, zeigt sich die hintere Spurweite um 50 Prozent verbreitert.

Video: Im Video: Microlino Pioneer Series

Außerdem verfügt der Micolino 2.0 über einen völlig neuen Antrieb und andere Energiespeicher. Der Synchronmotor mit Permanentmagnet soll im Vergleich zur zuvor geplanten E-Maschine 15 Prozent effizienter arbeiten und eine bessere Leistungsentfaltung an den Tag legen. Er liefert maximal 89 Nm und leistet 12,5 Kilowatt. Mit diesen 17 PS erreicht der Zweisitzer eine auf 90 km/h limitierte Höchstgeschwindigkeit – genug für die rechte Spur der Autobahn. In fünf Sekunden beschleunigt das je nach Akkupaket 496 bis 513 Kilogramm leichte Gefährt von null auf 50 km/h.

Die Lithium-Ionen-Batterie erhält neue Zellen mit höherer Energiedichte, baut deshalb kompakter und schafft Platz im Innenraum. Drei Akkugrößen bietet der Hersteller an: sechs, 10,5 und 14 Kilowattstunden. Letztere ist seit dem dritten Quartal 2022 verfügbar, die mittlere ist in den Exemplaren der Pioneer Series installiert. Die Reichweiten gibt der Hersteller mit 91, 177 und 228 Kilometern an. Der Microlino lädt mit 230 Volt an Haushaltssteckdosen, was je nach Akkugröße zwischen drei und vier Stunden dauert.

Microlino Lite als L6e-Version

Auf dem Genfer Autosalon 2024 debütiert eine neue Modellvariante des Microlino. Sie trägt den Beinamen "Lite" und ist nach L6e-Reglement aufgebaut, wodurch auch 15-Jährige mit entsprechendem AM-Führerschein das Elektro-Kleinstfahrzeug bewegen dürfen. Der Motor erreicht lediglich eine Dauerleistung von 6 kW (8 PS) und in der Spitze maximal 9 kW (12 PS). Die Geschwindigkeit ist auf 45 km/h limitiert. Microlino bietet zwei Lithium-Ionen-Akkuvarianten für den Lite an: Mit 5,5 Kilowattstunden kommt er bis zu 100 Kilometer weit, mit verdoppelter Kapazität sind es 180 Kilometer. Die maximale Ladeleistung beträgt jeweils 2,2 kW. Ist die große Batterie an Bord, steigt das Leergewicht von 571 auf 600 Kilogramm.

Beim Design unterscheiden sich die L7e- oder L6e-Version nicht. Sieht man einmal vom Farb-Design ab: Der Lite bietet lediglich die Lackierungen "Venice Blue" und "Berlin Anthracite". Sein Dach trägt stets die Wagenfarbe, während der L7e-Microlino hier je nach Modellvariante eine andere Farbe aufweisen kann.

Im Frühsommer 2024 soll der Microlino Lite in der Schweiz starten. In der Alpenrepublik strebt der Hersteller an, die L6e-Variante zu monatlichen Leasingraten ab 149 Franken (aktuell umgerechnet 156 Euro) anzubieten.

Design-Änderungen im Detail

Die markantesten Design-Änderungen zu früheren Entwicklungsstadien zeigen sich im Bereich der Scheiben: Das Dach startet nun hier und nicht mehr auf Schulterhöhe; außerdem ist die A-Säule schmaler gestaltet. Ebenfalls neu ist die quer über die Fronttür verlaufende Leiste, die mittig ein LED-Lichtband und seitlich den Micro-Schriftzug trägt. Hinzu kommen farblich abgesetzte Leisten im Bereich der Scheiben, das Felgen-Design und die in die Karosserie integrierten, als durchgängiges Band über die gesamte Breite verlaufenden Heckleuchten.

Statt des eigentlich angedachten Semi-Cabrio-Daches, bei dem sich feste Elemente nach hinten schieben lassen sollten, erhält der Microlino 2.0 auf Wunsch ein klassisches Faltdach. Das zusammen mit Zulieferer Magna entwickelte System soll leicht von Hand zu öffnen sein, ist bei den höheren Ausstattungslinien Dolce und Competition aufpreisfrei an Bord. Heckseitig haben die Ouboters nun den Markennamen anbringen lassen. Seinen Isetta-Charme behält der Zweisitzer aber, schließlich bleiben die markante "Kühlschrank-Tür" (ohne sichtbaren Griff übrigens), die aufgesetzten Scheinwerfer-Rückspiegel-Einheiten und die unterschiedlichen Spurweiten erhalten.

Nun mit fester Lenksäule

Markanteste Änderung im Innenraum ist die feste Lenksäule, die entgegen der ursprünglichen Pläne nicht mehr zusammen mit der Tür aufschwingt, sobald diese geöffnet wird. Das soll die Konstruktion vereinfachen und die Lenkkräfte verringern. Obendrein soll der Innenraum geräumiger und dank neuer Sitze ergonomischer sowie komfortabler werden und sich die Rundumsicht verbessern. Microlino gibt das Kofferraumvolumen mit 230 Litern an, was für drei Bierkisten reichen soll.

Video: Microlino 2.0: Erste Fahrt

Das Armaturenbrett präsentiert sich maximal minimalistisch. Hinter dem Lenkrad im Sport-Retro-Design und dem Digital-Display verläuft ein Aluminiumrohr über die gesamte Breite, an das sich das eigene Smartphone, tragbare Bluetooth-Lautsprecher oder andere Accessoires anbringen lassen. Im Zentrum des Rohrs sitzt ein weiteres kleines Touch-Display, über das sich Funktionen wie die Klimaanlage steuern lassen.

Artega-Partnerschaft gescheitert

Bevor Microlino die Produktion endlich mit seinem italienischen Partner aufgleisen konnte, war geplant, zusammen mit Artega eine Serienfertigung aufzubauen. Doch die Partner überwarfen sich, was in einem monatelangen Rechtsstreit gipfelte. "Die Unternehmen gehen per sofort getrennte Wege", erklärte Microlino in einer Pressemitteilung. Die außergerichtliche Einigung sei schon im November 2019 zustande gekommen. Artega darf seinen eigenen Kabinenroller "Karo" auf den Markt bringen. Damit können beide Firmen einen Elektro-Kleinstwagen im Isetta-Look vertreiben.

Artega hatte im Herbst 2018 den Microlino-Entwicklungspartner TMI/Tazzari übernommen. In der Folge sollte der Elektro-Kleinstwagen überarbeitet und serienreif gemacht werden. Artega hatte in die Produktion etwa drei Millionen Euro gesteckt und angekündigt, 50 Arbeitsplätze zu schaffen. Pro Jahr sollten in Delbrück 8.000 Fahrzeuge gefertigt werden. Der ganz frühen Planung zufolge hätte die Produktion Anfang 2018 in Italien bei Tazzari beginnen sollen; danach sollten im Januar 2019 die ersten Microlino in Delbrück entstehen. Doch zunächst gab es Streit über die Qualität, anschließend über die Frage, ob Artega einen eigenen Elektro-Kleinstwagen mit dem Namen Karo bauen und verkaufen darf.

Alles zum ursprünglichen Microlino

Das anfangs geplante Microlino-Modell sollte 2,40 Meter lang sein und ohne Batterie 450 Kilogramm wiegen. Es war als L7e-Fahrzeug eingestuft und musste darum keine Crashtests absolvieren. Laut Hersteller hat es trotzdem einen Crashtest mit 50 km/h überstanden. Anders als die Original-Isetta hatte dieser Microlino eine Heckklappe; dahinter fand ein 300 Liter großer Kofferraum Platz. Diese Version des Zweisitzers hatte einen 15 kW (20,4 PS) starken Motor mit 110 Nm Drehmoment. In fünf Sekunden sollte er aus dem Stand auf 50 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit war auf 90 km/h begrenzt. Den Einstiegspreis hatte Microlino mit 12.000 Euro veranschlagt.

Zwei Batteriegrößen waren geplant: Die kleine Variante mit acht kWh wäre 125 Kilometer weit gekommen und hätte mit Typ-1-Stecker in einer Stunde von null auf 80 Prozent geladen. Mit dem größeren 14,4-kWh-Akku hätte der Microlino eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern erhalten. Je nach Anschluss waren Ladezeiten von zwei bis sechs Stunden von leer auf 80 Prozent avisiert.

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Neben dem vierrädrigen Microlino plant die Familie Ouboter einen Ableger namens Microletta, bei dem es sich um einen dreirädrigen Elektroroller handelt. Mehr zu diesem Gefährt lesen Sie in diesem Artikel © auto motor und sport

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