Wird Mobilität in Zukunft nachhaltig? Sicher: durch angepasste Technologien, geringere Energieverbräuche, alternative Antriebe und Kraftstoffe. Wie das aussehen kann, konnten auto motor und sport-Leser bereits heute erfahren.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten’s Reifen und deren Entwickler vergleichsweise einfach. Was das runde Gummi können musste, war klar definiert: Es sollte gut auf der Straße haften, abriebs- und alterungsbeständig sein, einigermaßen rund laufen sowie zu einem fairen Preis zu haben sein. Zu diesen grundlegenden Eigenschaften kamen in den vergangenen Dekaden immer neue, verschärfende Anforderungen hinzu: Hochgeschwindigkeitsfestigkeit, sichere Haftung auch auf nassen Straßen, Aquaplaningsicherheit oder auch Notlaufeigenschaften.
Aktuell gibt es drei weitere große Herausforderungen zu bewältigen. Erstens: einen weiter minimierten Rollwiderstand für weniger Sprit- oder Stromverbrauch des Autos. Zweitens: einen messbar verminderten Reifenverschleiß, damit weniger unnötige Gummiabriebpartikel in der Umwelt landen. Drittens: die möglichst ressourcenschonende Herstellung des Reifens aus nachwachsenden oder Recycling-Rohstoffen.
Wie diese Aufgaben gelöst werden können, welche Probleme und Zielkonflikte sich dabei ergeben und welche besonderen Ansprüche sich durch lokal emissionsfrei fahrende E- und Hybridfahrzeuge ergeben können, haben acht auto motor und sport-Leser zusammen mit Experten von Continental und den Reifentestern aus unserer Redaktion erfahren und diskutiert.
Moove it green 3.0
Die bereits dritte Veranstaltung des erfolgreichen Moove it green-Formats drehte sich folglich um diese drei Themen: nachhaltige Reifenproduktion, die Verminderung des CO₂-Ausstoßes durch niedrigere Rollwiderstände und – natürlich nicht zuletzt – die Fahrsicherheit.
Wie werden Reifen nachhaltig?
Zunächst durch die Verwendung ebensolcher Materialien. So kommen beispielsweise auch im neuen, optimierten Continental UltraContact NXT biszu 65 Prozent nachhaltige Materialien zum Einsatz. Aus dem Bereich der nachwachsenden Rohstoffe sind das: biobasierte Harze, Silica aus der Asche von Reishülsen, natürlich der in fast jedem Reifen vorhandene Naturkautschuk sowie Additive mit nachwachsenden Rohstoffen. Als Recyclingmaterialien kommen hinzu: aus Schrott wiedergewonnener Stahl, nachhaltig gewonnener Industrieruß, Polyestergarn aus recycelten PET-Flaschen und – natürlich – wiederaufbereitetes Gummi von Altreifen.
Ein Highlight ist die erneute Nutzung von PET-Flaschen, die sonst häufig in Müllverbrennungsanlagen oder auf Deponien landen. Mit der ContiRe.Tex-Technologie gelingt es dem Reifenhersteller, aus den geschredderten Getränkebehältern hochwertiges Polyestergarn für Reifen zu gewinnen. Je nach Dimension des Reifens können zwischen neun und 15 PET-Flaschen wiederverwendet werden. Sie stammen ausschließlich aus Regionen, die nicht wie Deutschland über einen weitgehend geschlossenen Recyclingkreislauf für PET-Flaschen verfügen.
Woher das in diesen Reifen verwendete Altreifen-Gummigranulat kommt, konnten die Teilnehmer des Moove it Green-Workshops im Continental Life Cycle Werk in Hannover erfahren. Hier werden im großen Stil Lkw-Reifen runderneuert. Bei der aufwendigen Prozedur – hier wird zunächst das alte Gummi von der Karkasse, dem Unterbau des Altreifens, abgefräst, dann werden neue Laufsteifen aufvulkanisiert – bleibt naturgemäß allerhand Gummimehl übrig. Und genau das kann wiederaufbereitet und bei neuen Reifen, wie etwa dem Continental UltraContact NXT, wiederverwendet werden, zum Nutzen der Umwelt.
Weniger Rollwiderstand
Die meisten Umweltauswirkungen allerdings, das ist wissenschaftlich belegt, hat ein Reifen nicht bei seiner Herstellung, sondern während seiner Nutzung. Einerseits durch seinen verschleißbedingten Abrieb – mehr dazu später –, andererseits durch seine Kraftstoffeffizienz.
Geringer Abrieb und niedriger Rollwiderstand sind vergleichsweise einfach mit "härteren" Gummimischungen zu machen. Der Haken dabei: Die bieten besonders auf nassen Straßen nicht wirklich optimalen Grip. Wie groß die Unterschiede in der Praxis sein können, konnten die Leser selbst erfahren. Gegen den aktuellen UltraContact NXT trat ein speziell gefertigter Konzeptreifen an, der bei gleicher Dimension und gleichem Profil eine besonders auf Laufleistung optimierte Gummimischung auf dem Laufstreifen trug. Seine prognostizierte doppelte Haltbarkeit zeigte den vorhandenen Zielkonflikt besonders beim direkten Vergleich im Nassbremsen auf. Aus Tempo 80 gebremst, waren die Verzögerungswege um bis zu 15 Meter länger als beim Serienreifen. Das ist eindeutig zu schlecht, um heutigen Sicherheitsstandards zu genügen.
Auch bei schneller Kurvenfahrt rutschte die Longlife-Mischung haltlos Richtung Straßenrand. Das wird erst recht gefährlich, wenn solche Reifen etwa nur an der Hinterachse eingesetzt werden.
Geringerer Abrieb
Jetzt zum Abrieb, dem Verschleiß. Der hat bekanntlich viele Väter. Verschleißbegünstigend sind beispielsweise ein hohes Fahrzeuggewicht und die dafür notwendigen tragfähigeren und damit oft auch größeren Reifen. Auch das Antriebskonzept – Front-, Heck- oder Allradantrieb – wirkt sich aus, noch mehr aber die Art und Weise, in der welches Fahrzeug wie bewegt wird. Schwere und große Fahrzeuge, mit hoher Leistung sportlich gefahren, hinterlassen deutlich größere Mengen an Gummi auf der Straße als kleine und leichte, die mit sanftem Gasfuß vorausschauend im Verkehr mitschwimmen.
Welche Unterschiede sich hier ergeben, erfuhren die Leser im direkten Handlingvergleich verschiedenster reinelektrisch, hybridisch und verbrennungsmotorisch angetriebener Fahrzeuge unterschiedlichster Tonnage. Überragend dynamisch die bärenstarken, aber zugleich vergleichsweise schweren BMW. Der vollelektrische i5 tritt mit einer Systemleistung von 250 kW (340 PS) mit 2,2 Tonnen an, der hybridische 530e mit 252 PS und guten 1,9 Tonnen. Hingegen bringt der "kleine", im wesentlichen verbrennungsmotorisch angetriebene 520i mit Mildhybrid und 184 PS nur 1.685 kg auf die Waage. Waren Autos der oberen Mittelklasse immer schon so schwer? Mitnichten! Vor fast 20 Jahren wog ein 525i mit 192-PS-Sechszylinder noch weniger als 1.500 kg – auch er fährt in diesem Vergleich mit.
Und die Kleinwagen-Klasse? Da geht’s noch deutlich unter einer Tonne. Der 80 PS starke Mitsubishi Space Star knausert mit 920 kg beim Gewicht, während der kompakte Hybrid-SUV Eclipse Cross aus gleichem Haus bei einer Systemleistung von 188 PS und einem Gewicht von rund 2.050 kg mehr als das Doppelte auf die Waage bringt.
Ist das spürbar? Trotz des hohen Gewichts sind die BMW recht leichtfüßig unterwegs, lassen sich von den ambitioniert fahrenden auto motor und sport-Leserinnen und Lesern dynamisch um den kurvenreichen, zunächst nassen Handlingkurs treiben. Ein Treiben, das für die Reifen nicht ohne Effekt bleibt. Die hohe erzielbare Querbeschleunigung zerrt sichtlich an den Profilblöcken, der Verschleiß ist deutlich. Fakt ist: Die Reifen des gut eine halbe Tonne leichteren Alt-525i kommen bei vergleichbarem Format und Rundenzahl mit geringeren Blessuren weg. Erst recht die des leichten Space Star: Trotz – oder gerade wegen – seiner vergleichsweise bescheidenen Leistung von 80 PS beiben hier die Abnutzungserscheinungen sichtlich gering.
Was soll damit bewiesen werden? Nun, dass neben der Reifenauslegung auch die Antriebsleistung, das Fahrzeuggewicht und insbesondere der individuelle Fahrstil den Reifenverschleiß beeinflussen. Weniger ist hier eindeutig mehr.
Weniger Sprit – weniger CO₂
Der geringere Verbrauch und der damit einhergehende niedrige CO₂-Ausstoß ist es, der die Reifenentwickler zu immer neuen Höchstleistungen bei Leichtlaufreifen antreibt. Auf CO₂-Emissionen weitestgehend zu verzichten, war ohnehin Anspruch des Moove it green-Events. Wie das gelingt? Natürlich mit Strom aus regenerativen Quellen – und mit e-Fuels. Wie bitte? Genau! Um auch die verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeuge CO₂-neutral zu betreiben, wurden sie mit Syn-Fuel (siehe Kasten Seite 124) betankt. Ein synthetischer Kraftstoff, der zwar nicht ganz billig ist, aber auch bei betagteren Motoren nahezu bedenkenlos eingesetzt werden kann.
Sanft Emissionen reduzieren
Nachdem die Moove it green-Testflotte gezeigt hat, wie dynamisch sie unterwegs sein kann, geht’s nun darum, wie sparsam sich die Fahrzeuge auf modernen, besonders nachhaltigen Reifen wie dem UltraContact NXT bewegen lassen. Über rund 100 Kilometer geht es im Konvoi über Autobahn (bis 120 km/h) und Landstraße. Regelmäßige Fahrerwechsel sorgen für vergleichbare Voraussetzungen. Wie sieht es mit den Verbräuchen aus? Um Strom- und Spritverbrauch vergleichen zu können, haben wir die Kilowattstunde Strom mit dem üblichen Satz von 8,5 kWh pro Liter in einen angenommenen Benzinverbrauch umgerechnet.
Legt man das zugrunde, wäre der BMW i5 mit einem Stromverbrauch von rund 20 kWh/100 km als Benziner auf derselben Strecke mit 2,37 Liter Super/100 km unterwegs. Chapeau! Da kann unser Alter im Test, der 19 Jahre alte, optisch aber nahezu jungfräuliche BMW 525i nicht mithalten. Trotz rollwiderstandsgünstiger Conti-Reifen fließen bei ihm ganze 8,8 Liter edles Syn-Fuel durch die Einspritzdüsen. Der vergleichsweise hoch aufbauende Eclipse, schon deutlich sparsamer, nahm sich im Schnitt 7,8 Liter pro 100 km aus dem Tank. Überraschend genügsam der starke, aber windschlüpfige Hybrid-BMW 530 e. Er knauserte mit einem kombinierten Strom-/Spritverbrauch von 5,7 Litern. Sein überwiegend verbrennungsmotorisch angetriebenes Pendant, der vernünftige 520i, war – ohne Stromkomponente – sogar mit 5,4 Litern zufrieden.
Auf der Verbrenner-Seite am sparsamsten fuhr allerdings der nicht mal ganz so kleine Mitsubishi Space Star mit seinem genügsamen Dreizylinder und einem Verbrauch von 4,9 Liter. Doch was hat der Verbrauch nun mit den Reifen zu tun? Nun, erstens zeigt sich, wie niedriger Reifen-Rollwiderstand, ganz besonders aber eine verbrauchsfokussierte, vorausschauende Fahrweise für überraschend niedrigen Verbrauch sorgen kann. Zweitens ist zu erwarten, dass sich bei Fahrzeugen, die auf diese Weise bewegt werden, auch der Reifenabrieb und somit die Auswirkungen auf die Umwelt vermindern. Und drittens muss die Frage erlaubt sein, ob die aufwendige, schwere Plug-in-Hybrid-Technologie, die allein durch ihr Gewicht nicht nur mehr Verbrauch, sondern auch mehr Reifenabrieb produziert, nicht auch mal generell diskutiert werden sollte – vor allem bei Fahrzeugen, die nicht nur in der Stadt bewegt werden.
Partikel und Punkte sammeln
Abrieb vermeiden, Laufleistung rauf, Rollwiderstand runter: Dass Autofahren wie auch jeglicher andere Transport auf der Straße rein physikalisch nicht ohne Reibung funktionieren kann, ist jedem klar. Doch die Menge an emittierten Partikeln, so will‘s die Euro 7, muss runter. Wie die Reifenhersteller den Abrieb ihrer Produkte im Versuch überwachen, wurde anhand eines Forschungsfahrzeugs mit integrierten Reifenabriebs-Staubsaugern erläutert. Welche Möglichkeiten es gibt, den unvermeidlichen Abrieb in Großstädten in der Praxis zu binden oder aufzufangen, erklärte abschließend Daniel Venghaus, Abwasserexperte an der Universität Berlin.
Um das Einfangen – allerdings von Eindrücken, Erlebnissen und Erfahrungen–- ging es hingegen den interessierten Teilnehmern des Events. Und natürlich auch um das Sammeln von Punkten. Dem Fahrer mit den am besten reproduzierbaren Bremswegen, Rundenzeiten und Verbrauchswerten winkte als Preis die bereits traditionelle grüne Pylone.
Sicherheit wirkt nachhaltig
Die Mobilität von Menschen und der Transport von Waren stellen Güter dar, auf die zu verzichten heute kaum mehr vorstellbar ist. Genausowenig vorstellbar ist es, die Mobilität aus dem allgemeinen Streben nach Nachhaltigkeit und Resourcenschonung auszuklammern.
Vereint werden müssen beide Ziele, so die Conclusio der Diskussionsrunden des Events, durch neue, innovative Produkte, deren Technologie, Wirksamkeit und reale Nachhaltigkeit immer wieder kritisch hinterfragt werden muss. Was nützen immense Investionen in die scheinbar nachhaltige Elektrifizierung von Antriebssystemen, wenn die Benefits durch höheres Fahrzeuggewicht und dadurch steigende Gesamtemissionen wieder zunichte gemacht werden? Keinesfalls dürfen erreichte Standards bei der Sicherheit aller Mobilitätsbeteiligten in Frage gestellt werden. Oder würden Sie bei der Entscheidung zwischen höchster Fahrsicherheit und geringstem Energieverbrauch Kompromisse machen?
Synfuel für alle
Syn- oder auch E-Fuels, wie der hier beim Moove it green-Event eingesetzte Kraftstoff der FuelMotion GmbH, können auf zwei Arten hergestellt werden: per Fischer-Tropsch-Verfahren oder per Methanolsynthese. Dabei wird Kohlenstoff (als Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid) zusammen mit Wasserstoff zu einer Vorstufe von Treibstoff synthetisiert.
Aus dem bei diesem Prozess entstehenden "Rohöl" können anschließend nicht nur klimaneutrale Treib- und Brennstoffe produziert werden, sondern auch Rohstoffe für die chemische Industrie, die heute oft alternativlos aus Erdöl hergestellt werden müssen. Allerdings sind für beide Verfahren noch sehr große Mengen an elektrischer Energie notwendig. Daher ist es für eine sinnvolle, wirklich klimaneutrale Kraftstoffproduktion entscheidend, dass ausschließlich erneuerbarer Strom, idealerweise aus regenerativen Quellen, verwendet wird.
Dies wäre mit Solarstrom aus äquatornahen Wüstenregionen umsetzbar, der sich über Hochspannungsleitungen nur schwer in die weit entfernten Abnehmerländer transportieren lässt. Auch lokal überschüssige Wind- und Solarenergie, die nicht abgenommen werden kann, ließe sich zur Herstellung von Synfuels nutzen. Aktuell gehen mit dieser sogenannten Abregelenergie erhebliche Mengen an CO₂-freiem Strom verloren.
Alles im Fluss
Auf keinen Fall! Die Universität Berlin entwickelt spezielle Filtersysteme, die Schadstoffe von natürlichen Gewässern fernhalten sollen.
Die Audi Stiftung für Umwelt hat zusammen mit der TU Berlin Filter für den Straßenablauf entwickelt. Sie verhindern, dass Reifenabrieb und andere umweltschädliche Partikel zusammen mit dem Regenwasser in Kanalisation und Gewässer gespült werden. Praxis- und Labortests haben die Effizienz des Systems bereits nachgewiesen.
Bisher wurden neun unterschiedliche Module für die Bereiche Straße, Schacht und Ablauf entwickelt, die abhängig vom Einzugsgebiet eines Gullys zum optimalen Rückhalt verschiedener Schmutzfraktionen wie Mikroplastik, aber auch Plastikverpackungen, Zigarettenkippen, Hundekot oder Laub konfiguriert werden können. Seit Anfang 2022 ist ein Filter in einer vielbefahrenen Straße in Berlin im Einsatz. Erste Zwischenergebnisse aus Labor- und Stresstests zeigen, dass der so genannte Urbanfilter auch unter widrigen Bedingungen effektiv arbeitet, ohne zuzulaufen. Er meistert jegliche Art von Müll – beispielsweise Straßenkehricht, Zigarettenfilter und Mikroplastik bis zu einer Größe von drei Millimetern, und das auch bei leichten bis mittleren Regenfällen. Mehr Informationen unter www.urbanfilter.org © auto motor und sport
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