Die Ereignisse überschlagen sich: ein lebensgefährliches Feature bei der Rampage, ein Cross Country Rennen voller Stürze in Crans-Montana. Wird der Mountainbikesport zu gefährlich?

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Im Mountainbike-Sport gilt nicht erst seit gestern das Motto "höher, schneller, weiter". Fahrer*innen sind ständig bestrebt, ihre Grenzen zu erweitern, höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, größere Hindernisse zu überwinden und technisch anspruchsvollere Strecken zu meistern. Dieser ständige Drang nach extremen Leistungen birgt jedoch erhebliche Risiken. Zwar gehören Stürze und Verletzungen beim Mountainbiken fast schon dazu, aber muss es immer SO extrem sein?

Als bei der Hardline in Wales dieses Jahr das neue Feature vorgestellt wurde, gingen die Meinungen von Begeisterung zu Wahnsinn: Eine riesige, 20 Meter lange Gap, über den die Fahrer über eine Rampe geschossen werden. Schnell wird klar: Das kann ernsthafte Konsequenzen haben. Und tatsächlich: Bei einem Trainings-Run stürzte Fahrer Jim Monro im Training schwer. Es grenzt an ein Wunder, dass er sich nicht mehr als eine Gehirnerschütterung zugezogen hat. Ein Raunen, Schock und viel Kritik an der Veranstaltung ging durch die sozialen Netzwerke, schließlich wurde die River Gap aus dem Rennen gestrichen. Doch die Faszination, was auf zwei Rädern möglich ist, bleibt. Das beweisen auch die abertausenden Zuschauer*innen bei der legendären Red Bull Rampage, dem wohl gefährlichsten und krassesten MTB-Event überhaupt.

Auch auf Instagram wird Risikobereitschaft belohnt. Die Videos mit den höchsten, gefährlichsten Sprüngen und Stürze bringen nämlich natürlich mehr Klicks und Views als die gediegene Fahrt auf dem Flowtrail.

Kritik nach dem Cross-Country-Weltcup Rennen in Crans-Montana (CH)

Die Diskussion, ob Streckenabschnitte zu gefährlich sind, erreicht nun auch eine Mountainbike-Kategorie, in der riesige Sprünge und extrem risikoreiche Strecken eigentlich nicht per se auf der Tagesordnung stehen: Cross-Country.

Am vergangenen Wochenende fand in Crans-Montana zum ersten Mal ein Mountainbike-Weltcuprennen auf einer Strecke statt, die bisher nur für die Schweizer Meisterschaften genutzt wurde. Die Strecke wurde mit neuen künstlichen Hindernissen wie einem großen Drop in ein Steinfeld und einer Passage über abgesägte Baumstämme verschärft. Trotz umfassender Maßnahmen der Veranstalter wie Sturzzonen, Fangnetze und Absperrungen blieb die Strecke für die Fahrer*innen eine große Herausforderung, da sie im Gegensatz zu anderen bekannten Weltcuporten neu und unbekannt war. Bereits im Training musste die Strecke nach mehreren schweren Stürzen angepasst werden. Das schlechte Wetter am Rennwochenende erschwerte die Bedingungen zusätzlich. Das Rennen löste unter den Athlet*innen und Teammitgliedern eine intensive Diskussion über die Sicherheit im Mountainbike-Sport aus.

Dem deutschen Fahrer Max Brandl, Anwärter auf einen Olympiaplatz in Paris, wurde die Strecke im Rennen schließlich zum Verhängnis: er stürzte schwer im Steinfeld und brach sich den Unterkiefer. Der Olmypia-Traum dürfe für ihn damit passé sein.

Auch Thomas Frischknecht, Teamleiter bei Scott-Sram, findet deutliche Worte in einem kurzen Interview bei SRF Sport: "Ich finde die Strecke ist miserabel gebaut. Es wird mit der Gesundheit der Athleten gespielt. Das vor Olympia finde ich ziemlich uncool." Sein Teamfahrer, Mountainbike-Legende Nino Schurter, stürzte im Rennen drei (!) Mal.

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Der technische Kurs des Wochenendes kam aber auch einigen Fahrer*innen zugute: Der deutsche Fahrer Julian Schelb, Marder Stop & Go MTB Team, glänzte in den schwierigen Streckenverhältnissen und erreichte prompt einen Podiumsplatz. Auch die Französin Loana Lecomte, Canyon Collective, die als technisch versierte Fahrerin bekannt ist, kam sehr gut mit der Strecke zurecht.

Wir fragen uns: wie gefährlich dürfen Mountainbike-Strecken eigentlich sein?

Community Meinung: Was meint ihr?

Das sagt die MOUNTAINBIKE-Redaktion

Lukas Ittenbach, MOUNTAINBIKE-Redakteur

Mountainbiking ist nicht nur Breitensport für jede und jeden, sondern eben auch Extremsportart. Solche zeichnet sich gemäß dem berühmten Nachschlagwerk mit dem W durch "eine außergewöhnliche technische, logistische, physische oder psychische Herausforderung" aus, "die meist mit hohen Risiken verbunden ist". Das trifft natürlich auf Freeride-Events und Downhill-Rennen, aber selbst auf den Cross-Country-Sport zu. Obwohl die Strecken, Hindernisse oder Sprünge all dieser Disziplinen krasser werden: Die Risiken sind kalkulierbar. Und über spektakuläre Events freuen sich nicht nur Sponsoren und Fans, sondern auch die Fahrer*innen, Teams und Hersteller, die stets nach neuen Herausforderungen suchen. Wichtig ist mir die Botschaft: Es sollte für junge und/oder actiongetriebene Fans klar sein, dass "Don’t try this at home" keine Floskel ist, sondern gewisse Stunts und Tracks nur von Profis gemeistert werden können. Zudem ist der Austausch zwischen Veranstaltern sowie Verbänden und Athleten sowie Teams essenziell: Erst die Kommunikation über das, was gut oder schlecht läuft, wird den Bikesport von morgen prägen.

Christian Zimek, MOUNTAINBIKE-Redakteur

Völlig verrückt! So wird unser Sport in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen, und Mitschuld daran tragen Events wie Rampage und Hardline sowie der Reigen an Social-Media-Videos mit krassen Stunts. Doch mit dem Biken, wie es jeder täglich oder wochenendlich erlebt, hat das nicht viel zu tun. Die wenigsten unter uns sind nun mal Hardcore Biker*innen. Zwar sind die Gravity-Stars genannter Events in der Regel relativ kühle Köpfe und keine Hasardeure, die vor "Cochones" kaum laufen können. Der Zwang, sich stetig überbieten zu müssen, ist dennoch da. Und mächtig. Wer Instagram und Co. aufmerksam verfolgt, kann dann jedes Jahr namhafte Stars bei der Genesung nach Crashs und Operationen "bewundern". Doch diese Fakten werden kaum thematisiert, die Realität dadurch gefährlich verzerrt. Das Resultat sind hunderte Namenlose, die sich jedes Jahr auf den Trails zerlegen, weil sie den Mensch im Spiegel mit einem hochspezialisierten Profi-Athleten verwechseln. Ein bisschen mehr Mut zur Lücke statt des Muts zum größten Gap täten dem Gravity-Sport gut. Denn was passiert, wenn das "höher, weiter, steiler" dazu führt, dass ein MTBler vor laufender Kamera stirbt?

Das sagt das Fahrerfeld

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