E.Go ist zwar noch ein sehr junger Autohersteller; dennoch ging bei den Aachenern bereits nach sechs Jahren ihres Bestehens eine erste Ära zu Ende. Am 2. April 2020 begab sich E.Go Mobile zur Selbstsanierung in ein Schutzschirmverfahren, drei Monate später musste das Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnen. Danach ging es mit frischem Geld weiter – allerdings nicht sehr lange. Anfang März 2024 gab auch die Nachfolgefirma Next.e.GO Mobile offiziell bekannt, beim Amtsgericht Aachen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt zu haben – als Termin wird der 1.5.2024 erwartet. Das Unternehmen teilte am Montag (28.4.2024) mit: "Um Lösungen für das Fortbestehen der Next.e.GO Mobile SE zu finden, werden derzeit Gespräche mit internationalen Interessenten geführt. In Abstimmung mit allen wesentlichen Verfahrensbeteiligten wird der Investorenprozess auch nach der anstehenden Insolvenzeröffnung fortgeführt. Der vorläufige Insolvenzverwalter und die Geschäftsleitung haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute Nachmittag über den aktuellen Stand und das weitere Vorgehen informiert."
Es ist ein weiterer negativer Höhepunkt in der nicht einmal zehn Jahre währenden E.Go-Geschichte. Günther Schuh gründete das Unternehmen 2015 als Professor an der RWTH Aachen. Trotz großer medialer Aufmerksamkeit schaffte er es jedoch nicht, gewinnbringend eine Serienproduktion des von ihm erdachten Elektro-Kleinstwagens E.Go Life (siehe Video und Fotoshow) aufzugleisen. Schuh verließ die Firma am 1. Juni 2021 und blieb ihr nur als Gesellschafter verbunden. Die Leitung des Unternehmens übernahm zu diesem Zeitpunkt ein Führungs-Team mit Ali Vezvaei, dem Vorsitzender des Verwaltungsrates, an der Spitze.
Frisches Kapital und Neustart
Bereits zuvor hatte sich das Unternehmen anders strukturiert und seine Finanzen neu geordnet. Am 1. September 2020 übernahm die Next.E.Go Mobile SE das gesamte Geschäft der E.Go Mobile AG, einschließlich aller Tochtergesellschaften sowie deren Mitarbeitenden. Das dafür nötige Geld kam von einem neuen Mehrheitsaktionär, dem internationalen Private-Equity-Unternehmen ND Industrial Investments B.V., deren CEO Ali Vezvaei ist. Der Kaufpreis wurde damals nicht kommuniziert. 2021 gab es eine zusätzliche Finanzierungsrunde, die weitere Investoren anlockte und über 30 Millionen Euro in die Kassen spülte.
Das versetzte den Hersteller zwischenzeitlich in die Lage, die Produktion seines Elektro-Kleinwagens E.Go Life wieder aufzunehmen. Im Juli 2021 war es so weit: Die Fertigung startete mit 1.000 Exemplaren der Sonderserie E.Go Life Next, die nach Abzug des damals noch gültigen Herstellerbonus 22.990 Euro kostete. Seinerzeit hieß es, dass ein "großer Teil der Produktionskapazität für 2021" bereits reserviert sei.
Neue Werke und Börsengang geplant
Doch dabei sollte es perspektivisch nicht bleiben, E.Go dachte größer. 2022 debütierten eine verbesserte Generation des E.Go Life sowie dessen Cross-Variante mit dem Beinamen "Wave" und die Lieferwagen-Version E.Go E.Xpress. Zudem plante das Unternehmen seinerzeit ein neues Werk: Im ersten Quartal 2024 sollte in der bulgarischen Stadt Lovetsch eine sogenannte Mikrofabrik ihre Arbeit aufnehmen. "Die neue Anlage wird ein cyber-physikalischer Zwilling der Fabrik in Aachen sein", hieß es in einer Mitteilung, die nach voll vernetztem Industrie-4.0-Standard arbeite. Etwa 1.000 Mitarbeiter sollten dort bei voller Auslastung rund 30.000 Autos pro Jahr fertigen.
Der kurzzeitige Restart gelang jedoch nicht allein durch das frische Kapital des neuen Investors. Die Next.E.Go Mobile SE hatte zwei weitere Einnahmequellen erschlossen. Mit Enterprise Greece, dem Investitions- und Handelsarm des griechischen Staates, hatte der Hersteller eine Absichtserklärung zur Gründung eines Joint Ventures in Griechenland abgeschlossen. Dort sollte zudem eine weitere Produktionsstätte nach Vorbild des bulgarischen Werkes entstehen. Gleiches galt für Mexiko. Außerdem bildeten die Aachener einen CO2-Pool (alle Informationen zu dieser Form des Emissionshandels lesen Sie hier) mit Volkswagen und dessen chinesischem Joint Venture-Partner SAIC. Darüber hinaus prüfte die Firma einen Börsengang.
Erneute Insolvenz im März 2024
Doch Next.e.GO Mobile konnte seine großen Pläne bisher nicht in die Realität überführen, weshalb nun etwa 320 Aachener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer ungewissen Zukunft stehen. Als Gründe für die erneute Insolvenz nennt E.Go ein "ungünstiges Marktumfeld", die "Unsicherheit in der Elektrofahrzeug-Branche" und die "jüngsten Entwicklungen und Herausforderungen in der Elektrofahrzeug-Industrie sowie der Volatilität der Kapitalmärkte, die durch die aktuelle Situation bei anderen Akteuren des Elektrofahrzeug-Sektors noch verschärft wurde".
Dr. Claus-Peter Kruth von der Kanzlei AndresPartner fungiert als Insolvenzverwalter; er soll alle ihm zur Verfügung stehenden Sanierungsoptionen prüfen. "Wir beabsichtigen, die laufenden Investorengespräche und Verhandlungen fortzusetzen, um Lösungen für das Fortbestehen des Unternehmens zu finden", sagt der Rechtsanwalt und ergänzt: "Vor dem Hintergrund des hochinnovativen Produkts sowie Produktionskonzeptes bin ich optimistisch, dass uns dies gelingen könnte." © auto motor und sport
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