Rechts vor links gilt überall - auch auf Parkplätzen und in Parkhäusern? Davon gehen die meisten Autofahrer aus. Dass das allerdings gar nicht so klar ist, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.
"Hier gilt die StVO!" Diesen Hinweis lesen Autofahrer häufig in Parkhäusern. Allerdings hängt es im Einzelfall von bestimmten Rahmenbedingung ab, ob auch wirklich immer der Autofahrer Vorfahrt hat, der von rechts kommt, wie wir es sonst aus dem Straßenverkehr gewohnt sind.
Ausschlaggebend ist der Charakter der Spuren, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts München zeigt, auf das der ADAC aktuell hinweist.
Der Fall: Ein Mann fuhr mit seinem Auto über eine Rampe in ein Parkhaus. Seine Spur kreuzte eine andere Gasse, aus der ein zweiter Fahrer mit seinem Pkw kam. Die beiden Autos stießen zusammen.
Der erste Fahrer verlangte vollen Schadenersatz vom anderen. Die Begründung: Der zweite Fahrer habe nicht gemäß "rechts vor links" gewartet und somit den Unfall verursacht. Die Versicherung wollte allerdings nur die Hälfte zahlen. Sie war der Ansicht, vor Ort hätte das Gebot der Rücksichtnahme gegolten. Die Sache ging vor Gericht.
Bei Spur mit Suchverkehr gilt Rücksichtnahme
Das Oberlandesgericht München gab nicht dem ersten Fahrer, sondern der Versicherung Recht. Demnach kann die Vorfahrtsregel des Paragrafen 8 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zwar auch in einem öffentlichen Parkhaus gelten, also "rechts vor links". Doch das hängt davon ab, ob die Spuren dem Suchverkehr dienen oder ob sie auch Straßencharakter haben.
Die Fahrgasse des Autofahrers im Parkhaus diente nach Ansicht des Gerichts dem Such- beziehungsweise Rangierverkehr. Aber auch die Rampe war nicht Teil des Fließverkehrs. Denn an deren Ende und im Kreuzungsbereich befanden sich bereits Stellflächen. Daher sei stets mit Suchverkehr zu rechnen gewesen. So sei Paragraf 8 nicht anwendbar und die geteilte Schuld bewertete das Gericht als angemessen.
Daran erkennen Sie den Unterschied
Wie man Spuren für Suchverkehr von Spuren mit Straßencharakter unterscheidet, präzisieren ADAC-Juristen auf Nachfrage unserer Redaktion:
- Von einer Spur mit Straßencharakter ist auszugehen, wenn es sich um An- oder Abfahrten handelt, ohne dass man von dieser Spur direkt auf einen Stellplatz einbiegen kann.
- Wenn sich links und rechts einer Spur unmittelbar Stellflächen befinden, ist von Such- oder Rangierverkehr auszugehen.
"Tendenziell ist es oftmals Auslegungssache, unter welche Kategorie eine Spur fällt, übrigens nicht nur in Parkhäusern, sondern auch auf Parkplätzen an der Oberfläche", heißt es vom ADAC. Deshalb gelte das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, um Kollisionen und damit verbundene Rechtsstreitigkeiten von vorneherein zu vermeiden, betonen die Juristen. (af)
Verwendete Quellen:
- dpa
- ADAC
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