Bei der neuen BMW R 1300 GS kommt es zu seltsamen und gefährlichen technischen Fehlfunktionen und Störfällen bis hin zu Bränden. Auslöser: das Starter-Relais. Maßnahmen: Ausliefersperren, Rückrufe und "Service-Aktionen". Im Frühling 2024 schienen die Probleme gelöst – doch seit Ende Juli 2024 geht das Drama um das Relais weiter.

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Ab Anfang November 2023 lieferte BMW die neue R 1300 GS an den Handel aus, doch Fahrzeugübergaben an Kunden wurden im November zunächst noch zurückgehalten (Ausliefersperre). Und Ende November kam es bei unseren Kollegen von 1000PS in Österreich zu einem spektakulären, brandgefährlichen Vorfall. Weitere Störfälle folgten – und im Februar 2024 ein Rückruf, von BMW zunächst als "Service-Aktion" bezeichnet. Nach einigen aufregenden Wochen hatten BMW, die Händler und die Kundschaft die Probleme mit dem Starter-Relais abgehakt. Doch Ende Juli 2024 folgte überraschend die Fortsetzung des Relais-Dramas.

Video: Starter-Relais spackt - R 1300 GS fängt an zu orgeln

Die BMW R 1300 GS und ihr Starter-Relais – das Drama geht weiter

Ende Juli 2024 teilte BMW Motorrad seinen Handelspartnern in einem Rundschreiben mit: "Aufgrund neuer Erkenntnisse kann auch mit Verbau des verbesserten Starter-Relais mit der Teilenummer 61115B4E925 ein Ausfall des Starter-Relais gegebenenfalls nicht vermieden werden, falls das Bauteil beim Einbau mechanisch beschädigt wurde. Eine derartige Beschädigung kann entweder im Rahmen des sicherheitsrelevanten Rückrufs 0000612000 oder bei der Montage im Werk auftreten. Eine beschädigte Kunststoffbeschichtung des Starter-Relais kann unter Umständen zu Feuchtigkeitseintritt und nachfolgend zum Ausfall des Starter-Relais führen."

Modernes Halbleiter-Relais (MOSFET) wird durch "klassisches" elektromechanisches Relais ersetzt

Weitere, überraschende Mitteilung im Händler-Rundschreiben (Juli 2024): "Das Halbleiter-Starter-Relais wird gegen ein konventionelles, elektromechanisches Starter-Relais ersetzt. Der Rückruf 0000612000 wird beendet und durch den neuen Rückruf 0000612100 ersetzt. Die Service-Information mit allen weiteren Informationen wird in KW 31/2024 veröffentlicht."

Stellungnahme von BMW Motorrad Ende Juli 2024

Die MOTORRAD-Redaktion staunt über die anstehende Umrüstung der BMW R 1300 GS auf ein "Classic"-Relais und hat in München nachgehakt. Hier unsere Fragen und die Antworten von BMW Motorrad am 26.07.2024:

Welche Fahrzeuge des Typs R 1300 GS (KA1) sind diesmal betroffen? Alle, oder kann das eingegrenzt werden?

BMW Motorrad wird bei allen R 1300 GS das Halbleiter-Starter-Relais gegen ein elektromechanisches Relais austauschen. Hierfür ist zudem eine Software-Anpassung der Motorsteuerung erforderlich. Allerdings werden nur die Fahrzeuge mit Baudatum bis 18.03.2024 im Rahmen eines sicherheitsrelevanten Rückrufs behandelt. Bei den neueren Fahrzeugen mit verbessertem, schützendem Relais-Halter bereits ab Werk findet dies als Qualitätsmaßnahme beim nächsten Werkstattaufenthalt statt.

Wie viele BMW R 1300 GS betrifft es insgesamt, in Deutschland und weltweit?

Der Rückruf betrifft in Deutschland circa 4.100 Fahrzeuge, weltweit circa 25.000. Im Rahmen der Service-Aktion wird bei weiteren 3.100 Fahrzeugen in Deutschland (circa 18.000 weltweit) das Relais umgerüstet.

Also bekommen alle BMW R 1300 GS das neue, elektromechanische Starter-Relais. Ist das bereits verfügbar?

Das Relais (Hardware) ist verfügbar, die Software wird ab 13.08.2024 im Handel zur Verfügung stehen.

Können Besitzer einer vom Rückruf betroffenen BMW R 1300 GS ihr Fahrzeug bis zur Umrüstung mit dem neuen Starter-Relais uneingeschränkt weiter nutzen?

Selbstverständlich kommt BMW Motorrad bei sicherheitsrelevanten Rückrufen seinen behördlichen Meldepflichten pünktlich und vollumfänglich nach. Die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge startet ab Mitte August, bereits ausgelieferte Fahrzeuge sind uneingeschränkt nutzbar.

Empfiehlt BMW bis zur Umrüstung mit dem neuen Starter-Relais irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen? Beispielsweise das Abklemmen der Batterie wegen Brandgefahr?

BMW Motorrad empfiehlt in jeder Bedienungsanleitung, beim Reinigen mit Hochdruckreiniger empfindliche Bauteile (Elektronik, Lager etc.) auszusparen. Die bekannten Fälle stehen alle in Zusammenhang mit Wassereintritt.

Wie viele Vorfälle und Brandfälle sind denn inzwischen bekannt – und wohl Gründe für die erneuten Rückruf- bzw. Service-Aktionen?

BMW Motorrad sind weltweit 8 Fälle von abgeschmolzenen oder verschmorten Halbleiter-Starter-Relais mit dem verbesserten Baustand bekannt. In allen Fällen war das Relais (entweder im Rahmen der Reparatur im Handel oder am Band) in den ursprünglichen Relais-Halter eingeclipst und dabei beschädigt worden. In keinem Fall kam es zu relevanten Schäden am Fahrzeug.

Werden die Kunden informiert? Wann?

Bei einem Rückruf werden die Kunden immer angeschrieben, dafür beantragt BMW Motorrad die Halterdaten beim KBA. Sobald diese vorliegen, werden die Anschreiben erstellt und versendet.

Wie lange wird die Umrüstung pro Fahrzeug in der Werkstatt dauern?

Die Umrüstung dauert inklusive Software-Update circa eine Dreiviertelstunde.

Und wer haftet, wenn wegen eines durchdrehenden Starter-Relais eine Garage oder ein Haus in Brand gerät? Zumal diese mögliche Brandursache seit Monaten bekannt ist.

BMW Motorrad regelt Schäden im begründeten Einzelfall vollumfänglich im Interesse des betroffenen Kunden.

Amtlich überwachter Rückruf der BMW R 1300 GS beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)

Seit 29. Februar 2024 ist dieser Rückruf ein amtlicher, veröffentlicht und überwacht vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Kurzbeschreibung: "Fehler im Starter-Relais kann zum Brand, auch nach dem Abstellen, führen." Nach KBA-Informationen waren Ende Februar weltweit 11.902 Fahrzeuge des Typs BMW R 1300 GS betroffen, Baujahre 2023 und 2024. Davon – vermutlich – 1.956 Fahrzeuge in Deutschland. Dazu empfahl das KBA den Besitzern bereits ausgelieferter R 1300 GS: "Bitte kontaktieren Sie den Fahrzeughersteller oder eine Vertragswerkstatt."

Wenn das feuchte Starter-Relais plötzlich durchdreht

Mitte Februar 2024 meldete sich MOTORRAD-Leser Alois Peller aus Gaishofen bei Passau: "In der vergangenen Nacht um 0:30 Uhr setzte sich der Starter meiner BMW R 1300 GS (Kilometer-Stand 1.650, Erstzulassung im Januar 2024) plötzlich eigenständig in Betrieb und konnte nur durch Abklemmen der Batterie abgestellt werden. Das Motorrad war in der Garage abgestellt, der Zündschlüssel in einem separaten Kellerraum in meiner Motorrad-Kombi. Das Bike war 2 Tage zuvor gefahren und anschließend frisch gewaschen in der Garage abgestellt worden."

Abklemmen der Batterie als einzige Sofortmaßnahme

Dazu berichtete Alois Peller: "Glücklicherweise hörte meine Frau den orgelnden Anlasser, sodass kein Brand oder größer Schaden entstand. Ich schicke Euch ein kurzes Video mit Ton... Das Motorrad war erst Ende Januar bei der 1.000-Kilometer-Inspektion, wo mir auch mitgeteilt wurde, dass es wegen des Anlasser-Relais eine Rückrufaktion von BMW gibt, die Teile dafür jedoch erst Ende Februar zur Verfügung stehen werden. Ich habe mir dann schriftlich bestätigen lassen, dass ich das Bike weiter nutzen kann."

Qualmende BMW R 1300 GS bei 1000PS

Schon im November 2023 hatte bei unseren österreichischen Kollegen von 1000PS das in den Transporter geladene Test-Fahrzeug, Typ BMW R 1300 GS, plötzlich von selbst den Anlasser gedreht, infolgedessen kam es zu Hitzeentwicklung und Brand mit entsprechender Rauchentwicklung sowie Brandspuren am Motorrad. Durch Abklemmen der Batterie konnte wohl noch Schlimmeres verhindert werden.

Erste Stellungnahme von BMW im November 2023

Die erste Stellungnahme von BMW damals: "Am 9. November 2023 wurde im Rahmen einer Service-Aktion (BMW R 1300 GS, Starter-Relais prüfen und gegebenenfalls ersetzen) eine vorübergehende Ausliefersperre für die betroffenen Fahrzeuge verhängt, welche mit der Durchführung dieser technischen Aktion aufgehoben wird. Hintergrund dieser Aktion sind vereinzelte Beschädigungen an der Kunststoffbeschichtung des Starter-Relais bei der Erstmontage im Werk. Dadurch kann Feuchtigkeit eintreten und zum Ausfall des Starter-Relais führen."

Video: Test-Talk: BMW R 1300 GS Extrem-Test mit Rekordfahrt von 0 auf 6000 Meter

Probleme mit dem Starter-Relais schienen frühzeitig gelöst

Laut BMW waren zum damaligen Zeitpunkt 854 Fahrzeuge in Deutschland und 85 Fahrzeuge in Österreich betroffen. "Seit dem 6. November 2023 werden in Serie nur noch Fahrzeuge ohne dieses Fehlerbild ausgeliefert", so die Aussage von BMW Ende November. Und weiter: "Alle betroffenen Fahrzeuge befanden sich zum Zeitpunkt der Ausliefersperre noch vor Übergabe beziehungsweise vor Zulassung, mit Ausnahme weniger Vorführ-Fahrzeuge, und werden kurzfristig mit neuen Starter-Relais versehen, die keine Beschädigungen aufweisen. Die zu Testzwecken an 1000PS ausgehändigte R 1300 GS war eines der betroffenen und noch nicht auf ein neues Starter-Relais umgerüsteten Fahrzeuge."

Stellungnahme von BMW im Januar 2024

Doch offenbar hatte BMW die Probleme mit dem Starter-Relais der R 1300 GS Ende Januar 2024 noch nicht im Griff. Es kam zu weiteren brandgefährlichen Vorfällen, bei stehenden und sogar bei fahrenden Motorrädern. Einzige wirksame Gegenmaßnahme: schnellstmögliches Abklemmen der Batterie. Stellungnahme von BMW am 25. Januar 2024:

"Aufgrund neuer Erkenntnisse kann mit der Durchführung der bisherigen Service-Aktion zur R 1300 GS (Starter-Relais prüfen und bei Bedarf ersetzen) ein Ausfall des Starter-Relais gegebenenfalls nicht vermieden werden. Ein Fehler in der Kunststoffbeschichtung des Starter-Relais kann trotz sorgfältiger Sichtprüfung unter Umständen nicht zuverlässig erkannt werden. Feuchtigkeit kann eintreten und zum Ausfall des Starter-Relais führen. Die laufende Service-Aktion wird daher beendet und durch eine neue Service-Aktion ersetzt, in deren Rahmen ein neues Starter-Relais eingebaut wird. Bei Fahrzeugen vor Auslieferung werden die Starter-Relais vor Kundenübergabe ersetzt. Bei bereits ausgelieferten Fahrzeugen werden die Kunden über den Sachverhalt informiert und zur Durchführung der Service-Aktion gebeten. Seit dem 16.01.2024 werden in Serie nur noch Fahrzeuge ohne dieses Fehlerbild ausgeliefert."

Zweite Ausliefersperre und erste Rückruf-Aktion für die BMW R 1300 GS

Im Klartext bedeutete das: Es gab erneut eine Ausliefersperre und eine formal zunächst freiwillige Rückruf-Aktion – für die neue R 1300 GS war es die erste. Am Montag, 22. Januar 2024 informierte BMW Motorrad die Händler über die "Service-Aktion". Davon betroffen waren laut Werk 2.657 R 1300 GS in Deutschland, 1.364 bereits mit Straßenzulassung, doch saisonal bedingt erst sehr wenige in Kundenhand. Weltweit mussten die BMW-Werkstätten insgesamt 14.698 R 1300 GS umrüsten (6.249 bereits mit Straßenzulassung). Bis Ende Januar 2024 waren bei BMW zwei brandgefährliche Störfälle bekannt, die beide bei Presse-Testfahrzeugen in Österreich und in Deutschland aufgetreten waren. Beide ohne Sach- oder Personenschäden.

Starter-Relais besser geschützt gegen Feuchtigkeit

Laut BMW stammte das nachgebesserte Starter-Relais weiterhin vom selben (nicht genannten) Zulieferer. Allerdings kamen bei dessen Herstellung inzwischen neue Werkzeuge zum Einsatz. Wesentliche Änderung war die Umstellung auf ein neues, zweistufiges Beschichtungsverfahren, um Lufteinschlüsse und – vor allem – das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Mitte März 2024 folgte im BMW-Werk die Umstellung der Fertigung auf einen neuen, besser geschützten Relais-Halter. Doch diese Maßnahmen erwiesen sich leider als "nicht nachhaltig", siehe oben.

Fazit

Bereits ab November 2023, kurz nach Auslieferungsbeginn der neuen BMW R 1300 GS in den Handel, kam es zu einzelnen, brandgefährlichen Vorfällen, ausgelöst von defekten oder beschädigten Starter-Relais und dort eindringender Feuchtigkeit: plötzliches Drehen des Anlassers, Rauchentwicklung, Brand. Einzige wirksame Gegenmaßnahme ist schnellstmögliches Abklemmen der Batterie. Im Januar und im Februar kam es zu weiteren brandgefährlichen Vorfällen mit der BMW R 1300 GS. Nach Werksangaben schien das Problem in der Serienproduktion seit 16. Januar 2024 behoben. Kunden mit bereits ausgelieferten Fahrzeugen bat BMW in die Werkstätten – schnellstmöglich. Laut BMW betraf die ab 22. Januar 2024 laufende "Service-Aktion" insgesamt 14.698 R 1300 GS weltweit, davon 2.657 in Deutschland. Am 29. Februar 2024 veröffentlichte das Kraftfahrt-Bundesamt diesen Rückruf als amtlich überwacht.

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Ende Juli 2024 dann die überraschende Fortsetzung des Relais-Dramas: BMW Motorrad kündigte die Umrüstung aller BMW R 1300 GS vom modernen Halbleiter-Starter-Relais (MOSFET) auf ein "klassisches" elektromechanisches Starter-Relais an. Offenbar kam es zwischenzeitlich zu weiteren brandgefährlichen Störfällen mit der nachgebesserten ersten Version des Relais. Ab Mitte August 2024 sollen die bisher ausgelieferten über 40.000 R 1300 GS in den BMW-Werkstätten weltweit auf das neue "Classic"-Relais umgerüstet werden, mitsamt neuer Software. Dauer: jeweils circa eine Dreiviertelstunde.   © Motorrad-Online

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