Das Electrek Uncar EV ist ein E-Auto mit manueller Viergang-Schaltung und Haarföhn-Heizung – Carroll Shelby hat die Entwicklung massiv unterstützt. Eines der seltenen Exemplare ist jetzt günstig im Angebot.

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Ein seltenes Electrek Uncar EV ist jetzt auf Facebook Marketplace im Verkauf. Das Modell des US-Herstellers UQM Technologies aus Longmont im US-Bundesstaat Colorado ist nicht nur optisch besonders. An der Entwicklung dieses Elektroautos waren mehrere Größen aus der Automobil-Industrie beteiligt. Und es ist mit einer manuellen Viergang-Schaltung ausgerüstet. Wer dieses seltene Auto haben möchte, muss nicht viel bezahlen.

Im Dezember 1967 entstand in Englewood/Colorado der heute zum dänischen Danfoss-Konzern gehörende Hersteller Unique Mobility Inc. (UQM Technologies). Hauptsächlich hat UMQ andere Hersteller mit Antriebstechnologien beliefert. So kamen Teile der Antriebe der elektrischen Konzeptfahrzeuge Audi A1 E-Tron und Rolls-Royce 102EX Phantom von UQM. Zu UMQs Technologie-Kunden gehören unter anderem die US Navy, Boeing und diverse Bushersteller. Boeing hat 2008 mit der Phantom Works ein Brennstoffzellen-Flugzeug vorgestellt, dessen Antriebssystem zu einem großen Teil von UQM kam. Und der ebenfalls 2008 gebaute deutsche eRuf Model A ist mit einem 150-Kilowatt-Elektromotor (204 PS) von UQM Technologies ausgerüstet. Nach den Ölkrisen ab Mitte der 1970er-Jahre haben sich die Entscheider bei UQM zum Bau eines eigenen Autos entschlossen: Der Electrek Uncar EV entstand von 1979 bis 1983.

Promis aus der Industrie

Während der Entwicklung des Electrek Uncar EV war mit Dr. Ray A. Geddes ein Automobilexperte Chef von UQM. Vorher arbeitete Geddes nämlich bei Ford als Manager für die GT- und Sportwagen-Abteilung und war Executive Vice President der italienischen Produktentwicklungsgruppe von Ford, zu der auch die Ghia Studios, Carrozzeria Vignale und DeTomaso Automobili gehörten. Sein Chef, der damalige Ford-Präsident Lee Iacocca, hat sich mit 12,2 Prozent an UQM beteiligt. Ebenfalls bei Ford hatte Geddes engen Kontakt mit dem legendären Rennfahrer und Entwickler Carroll Shelby – und Shelby half bei der Entwicklung des Electrek Uncar EV nach Kräften.

Optisch wirkt das Electrek Uncar EV auf manch einen vielleicht ungewöhnlich – wer das Design verantwortet, ist bisher nicht bekannt. An der Entwicklung beteiligte Ingenieure betonen, dass bei der Konstruktion eine gute Aerodynamik im Vordergrund stand. Von vorn erinnert der Electrek Uncar ein wenig an Modelle wie den AMC Pacer oder den Vauxhall Chevette HSR. Die Seiten- und Heckgestaltung des Coupés und erst recht des Hatchbacks sind eher vom Pacer inspiriert. Die Schrägheck-Version ist etwas länger und hat eine große Glas-Heckklappe, in der Panel-Van-Variante gab es hinten nur eine Ladefläche – hintere Seitenfenster fehlen, was ein wenig Gewicht spart.

Viel VW-Golf-Technik

Der Viersitzer hat hinten zwei von einem breiten Mitteltunnel getrennte Einzelsitze, im Tunnel sind die Batterien untergebracht. Etwas verstörend wirken die weit nach unten gezogenen Seitenfenster, die anscheinend die Rundumsicht verbessern sollten. Der vordere dreieckige Teil des Seitenfensters ist nach hinten aufschiebbar, den großen Hauptteil können die Insassen nicht öffnen. Die ersten Modelle hatten übrigens noch keine echte Heizung – bei ihnen war im Bereich des Frontscheibenfußes unter dem Armaturenbrett ein Haartrockner des Typs Gillette Supermax Pro 1400 mit einer Schlauchschelle befestigt.

Die Karosserie des Electrek Uncar haben die UQM-Mitarbeiter per Hand aus glasfaserverstärktem Kunststoff geformt und auf einen selbstentwickelten Rahmen gesetzt. Vom Chevy Monza kam die Windschutzscheibe, die Hecklichter kamen vom Buick Skylark, die Echtglas-Heckklappe war eine Übernahme aus dem Ford Pinto und die manuelle Viergang-Schaltung sowie das Fahrwerk kamen vom VW Rabbit (damalige US-Bezeichnung für den VW Golf).

Für Autos frühe fremderregte Synchronmaschine

Den Motor hat UQM zusammen mit General Electric entwickelt – bei ihm handelt es sich um eine der ersten fremderregten Synchronmaschinen, die zum Antrieb eines Autos zum Einsatz kamen. Mit Permanentmagneten ausgerüstete Motoren galten seinerzeit als Industrie-Aggregate, die zu groß und zu schwer für Pkw waren. Im Electrek Uncar leistet das Aggregat 22 Kilowatt (30 PS). UQM gab seinerzeit an, dass der Electrek Uncar bis zu 75 mph/121 km/h schnell ist – Nutzer berichten aber, dass nie mehr als 65 mph/105 km/h möglich waren. Die maximale Reichweite von 100 Meilen (161 Kilometer) war ohnehin nur bei Geschwindigkeiten von bis zu 45 mph/72 km/h erreichbar.

Zu Beschleunigungswerten gibt es keine Angaben. Carroll Shelby wollte, dass der Electrek Uncar EV die 0-100-0-km/h-Beschleunigung in zehn Sekunden schafft. Diesen Traumwert schaffen einige heutige Elektroautos – in den frühen 1980er-Jahren waren diese Beschleunigungs- und Bremsleistung mit straßenzugelassenen Elektroautos nicht erreichbar. Shelby erkannte das schnell – und blieb dem Projekt trotzdem treu. In Sachen Bremsen wies der Electrek Uncar EV zudem eine Besonderheit auf, die heute bei Elektroautos eine Selbstverständlichkeit ist: Als eines der ersten Pkw-Modelle war er mit einer Rekuperationstechnik zum Zurückgewinnen von Bremsenergie ausgerüstet.

Handschaltung mit vier Gängen

Als Antriebs-Akkus kamen bei UQM im Mitteltunnel platzierte 16,6-Volt-Blei-Säurebatterien zum Einsatz – bessere Speichertechnologien standen noch nicht zur Verfügung. Die Silberoxid-Zink-Batterien, wie sie die Nasa bei den Mondautos einsetzte, waren viel zu teuer, für den Alltagsgebrauch nicht robust genug – und nicht wiederaufladbar. Bei dem zum Verkauf stehenden Modell gibt der Verkäufer eine Ausrüstung mit Lithiumionen-Batterien an – genauso wie bei den LED-Frontscheinwerfern hat der Verkäufer hier anscheinend eine Umrüstung vorgenommen.

Eine weitere interessante Ausstattung des Electrek Uncar EV ist seine manuelle Viergang-Schaltung – schließlich arbeiten die Antriebe der meisten aktuellen Elektroautos mit einer einfachen Untersetzung, Porsche setzt im Taycan eine Zweigang-Automatik ein. Fahrer des Electrek Uncar EV betonen, dass der zweite Gang alle Fahranforderungen abdeckt – inklusive Anfahren. Wann der Fahrer schalten soll, verrät die Betriebsanleitung: Der zweite Gang ist für den Geschwindigkeitsbereich von 0 bis 20 mph/32 km/h gedacht, der dritte Gang für 20 bis 40 mph/64 km/h und der vierte für alles darüber. Funfact: Im weltweit ersten Elektro-Pick-up Skoda Eltra/Elmo von 1991 gab es ebenfalls eine manuelle Viergang-Schaltung – dabei handelte es sich um ein um einen Gang reduziertes Getriebe aus dem Skoda Favorit.

Damals teuer – heute günstig

Wie viele Electrek Uncar EV UMQ jemals gebaut hat, ist nicht bekannt. Ehemalige Mitarbeiter der Firma gehen von 35 bis höchstens 50 Exemplaren aus. Das Auto war für seine Zeit zwar äußerst innovativ – aber auch extrem teuer. Während ein VW Rabbit (Golf) damals 3.500 Dollar gekostet hat, ging der Electrek Uncar EV 1979 bei 25.000 Dollar los – mit Einrechnung der Inflation wären das heute 115.500 Dollar, was umgerechnet zirka 111.000 Euro sind.

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Aktuell befindet sich der zum Verkauf stehende Electrek Uncar EV im kalifornischen San Diego. Im Vergleich zum Neupreis ist das Angebot bei Facebook Marketplace ein Schnäppchen: 6.000 Dollar (5.770 Euro) möchte der Verkäufer für dieses seltene klassische Elektroauto haben © auto motor und sport

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