Die Euphorie um die Elektromobilität hat merklich nachgelassen. Liegt das auch an ästhetischen Gründen? Der klassische Verbrenner bietet viel größere optische Reize, wie wir Ihnen in dieser Übersicht beweisen.
Es ist noch nicht lange her, da sprach alle Welt vom Ende des Verbrenners. Auf breiter Front sollte dem Verheizen von fossilem Brennstoff ein Ende gesetzt werden. Für die einen ein Grauen, für die anderen die Rettung der Welt. Doch die anfängliche Euphorie um die Elektromobilität hat merklich nachgelassen. Der Verbrenner hält sich wacker und scheint derzeit seinen x-ten Frühling zu erleben.
Verbrenner gegen Elektromotor
Aus visueller Sicht ist das nicht die schlechteste Entwicklung, denn mit dem Ende des Verbrenners drohte dessen technische Ästhetik aus der Antriebswelt zu verschwinden. Kunstvoll gestaltete Zylinderköpfe mit schrumpflackverzierten Deckeln, Krümmer-Kunstwerke aus drei, vier, sechs, acht oder gar zwölf Rohren, filigran gestaltete Einzeldrosselklappen-Anlagen, gerne mit offenen Ansaugtrichtern, durch die der Blick bis zum Kolbenboden reicht. Derlei erotische Aspekte kann kaum jemand einem Elektromotor abgewinnen. Darum sammeln wir hier in loser Folge Highlights aus dem automobilen Motorenbau und stellen sie in Text und Bild vor.
Möglichst analog
Das neue Hypercar Nilu27 soll ein möglichst "ungefiltertes, unzensiertes Fahrerlebnis" bieten. Moderne Antriebs-Errungenschaften wie Elektrifizierung oder Aufladung verbieten sich angesichts dieser Vorgabe. Der neuseeländische Rennmotorenbauer Hartley Engines entwickelte für den Kleinserien-Sportwagen einen V12-Sauger mit 6,5 Litern Hubraum, zwölf Einzeldrosselklappen, 80-Grad-Bankwinkel, großer Bohrung und kurzem Hub. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das "heiße V", bei dem die konventionellen Auslass- und Einlasspositionen vertauscht sind. Der verschlungene 12-in-1-Auspuffkrümmer in Schlangengrubenoptik macht das über 1.000 PS starke Technik- obendrein zum Ästhetik-Kunstwerk.
V16-Kunstwerk mit irren Details
Der neue Bugatti Tourbillon ist eine wahre Ansammlung an Superlativen und coolen Features. Einige davon betreffen den 1.800 PS starken Hybridantrieb, dessen Herzstück ein gemeinsam mit Cosworth entwickelter V16-Saugmotor ist. Der sieht mit seinem über einen Meter langen Motorblock nicht nur sensationell schön aus, sondern verfügt beispielsweise über vier Drosselklappen mit jeweils zehn Zentimetern Durchmesser, die etwas aus der Karosserie herausragen und deshalb in einem Extra-Gehäuse untergebracht sind. Und die Startprozedur erinnert an das Ziehen eines Chokes: Per Fingerdruck fährt der runde Startknopf aus der Mittelkonsole. Erst wenn man an ihm zieht, erwacht der Antrieb zum Leben. Eine feierliche Prozedur, die jenem dem Motorstart folgenden Erlebnis gerecht werden dürfte.
Bigger is better
Eher von brachialer Ästhetik ist einer der aktuellen Crate Engines aus dem Hause GM. Der Big-Block-V8, der nicht in einem Automodell zum Einsatz kommt, sondern als Zubehör zum Selbsteinbau in einer Kiste ("Crate") verschickt wird, verfügt über einen Hubraum von nicht weniger als 10,36 Liter. Entsprechend Hardcore sind die technischen Daten, die wir Ihnen hier verraten.
Zwölf offene Trompeten
Die moderne Ferrari-250-GT-Replika Squalo aus dem Hause GTO Engineering hat es bisher leider nicht in die Serie geschafft. Und damit auch nicht ihr V12-Saugmotor, der sonst zu den schönsten Vertretern seiner Zunft gehören würde. Das Vierliter-Triebwerk soll 466 PS leisten und zu einer Höchstdrehzahl von 10.000/min in der Lage sein. Mindestens genauso spannend: Konsequenter Leichtbau soll das Gewicht des Motors bei unter 165 Kilogramm halten. Welch Auto- und Motoren-Highlight uns da bisher verwehrt bleibt, können Sie in dieser Geschichte nachlesen.
Alter V12 und Doppel-Hochdruck
US-Tuner Nelson Racing hat für den betagten Lamborghini V12-Motor mit sechs Litern Hubraum ein Biturbo-Nachrüstkit entwickelt. Zusammen mit Modifikationen am Innenleben und einer neuen Abgasanlage aus Inconel soll der Zwölfzylinder aus einem Lamborghini Diablo von 2001 satte 1.500 PS auf die Prüfstandsrolle drücken.
Keiner dreht höher
Der britische Motorenspezialist Cosworth hat für den Supersportwagen Murray T.50 einen Hochdrehzahl-V12 entwickelt. Der 3,9 Liter große Saugmotor mit 65 Grad Bankwinkel, Titanpleuel und Trockensumpfschmierung soll so hoch drehen wie noch kein Hubkolben-Motor in einem Serienauto. Genannt werden 12.100/min. Die Leistung soll 663 PS betragen. Das maximale Drehmoment von 467 Nm soll bei 9.000 Touren anliegen. Einen zusätzlichen Boost von 30 PS steuert ein an ein 48-Volt-Bordnetz angehängter Starter-Generator bei.
Quer geht kaum mehr
Der vier Liter große V12-Motor aus dem Lamborghini Miura wurde quer zur Fahrbahn hinter den beiden Passagieren platziert. Mit 350 PS und 368 Nm peitschte er den Miura bereits 1966 auf 280 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Boxer-Geschichten
Retro-Umbauspezialist Singer hat für seine Porsche-Kreationen einen 3,6-Liter-Boxer mit Hilfe von Williams Advanced Engineering, einer Abteilung des Formel 1-Teams, umfangreich überarbeitet. Der luftgekühlte Sechszylinder-Sauger erhält Komponenten aus Titan, Magnesium und Kohlefaser. Außerdem bohren Singer und Williams den Hubraum auf vier Liter auf und verpassen dem Aggregat vier Ventile pro Zylinder sowie vier Nockenwellen. 500 PS Leistung bei 9.000/min stellt der neue alte 911er-Boxer-Motor dann bereit. Übrigens: Als Berater für das Projekt wurde einst der inzwischen leider verstorbene Porsche-Motoren-Papst Hans Mezger verpflichtet.
Video: Der Singer-Gründer Rob Dickinson im Gespräch
W-er bietet mehr?
Der neue Tourbillon-V16 ist natürlich nicht Bugattis erstes Motoren-Schmuckstück. Aufgeladen mit vier Turbos schöpfte bereits der W16-Vorgänger aus acht Litern Hubraum unglaubliche 1.500 PS und ein maximales Drehmoment von 1.600 Newtonmetern. 2005 wurde der W16-Motor erstmals im Bugatti Veyron verbaut. Eigentlich ist der W16 kein echter W-Motor, denn er setzt sich aus zwei VR8-Motoren zusammen. Ein Trumm ist er: 530 Kilogramm ohne und 640 Kilogramm mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe bringt er auf die Waage. Wer die gebotene Leistung voll abruft, ist zwar mit weit über 400 km/h unterwegs, bläst dann aber einen Liter je Kilometer durch die 16 Brennräume.
Viermal blasen bitte
Im Quasi-Vorgängermodell Bugatti EB110 setzten die Entwickler auf einen 3,5 Liter großen V12-Motor, der ebenfalls von vier Abgasturboladern unter Druck gesetzt wurde. Je nach Variante lieferte er zwischen 560 PS und 611 Nm sowie 611 PS und 650 Nm. In den 90ern war der in Italien gebaute Bugatti damit bis zu 351 km/h schnell.
Das ist echter Turbo-Druck
Es war der kleinste Motor, der jemals eine Formel-1-Weltmeisterschaft gewann. Und der stärkste. Der BMW M12/13 hatte nur 1,5 Liter Hubraum und vier Zylinder. Berechnungen ergaben, dass er bei ausgebautem Wastegate-Ventil in Qualifikationsrunden bis zu 1.430 PS abgegeben haben soll. Auf den Prüfständen der BMW Motorsport GmbH konnte damals nur bis maximal 5,1 bar Ladedruck gefahren werden. Dabei wurden 1.065 PS abgelesen. Die Cockpit-Anzeige im Brabham BT54 von 1985 endete bei 5,5 bar. Im Training wurde das Dampfrad noch weiter gedreht. So konnte der Maximalwert nur berechnet werden.
Drehen, drehen, drehen
Für den Aston-Martin-Supersportwagen Valkyrie hat Motorenspezialist Cosworth einen V12-Saugmotor entwickelt. Aus 6,5 Litern Hubraum entspringen 1.000 PS und ein maximales Drehmoment von 740 Nm. Drehzahlfest ist der Zwölfender bis 11.100 Touren. Der aus über 5.000 Teilen aufgebaute Motor bringt nur 206 Kilogramm auf die Waage. © auto motor und sport
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