Immer mehr Parteien und Politiker stellen das beschlossene Verbrenner-Aus infrage. Insbesondere die größte Fraktion im EU-Parlament, zu der auch CDU und CSU gehören.
Kaum ein automobiles Thema wurde in den vergangenen Jahren so emotional diskutiert wie das zum Ende des Verbrennungsmotors. Dabei führt das Hochkochen von Gefühlen bei vielen Autofahrern am Ende nur zur Verunsicherung. Wir empfehlen: Schauen Sie auf die Fakten! Es gibt nämlich weder ein Verbot der altehrwürdigen Verbrenner-Technik noch eine Pflicht, auf ein Elektroauto umzusteigen. Das mittelfristige Ziel der EU ist vielmehr, eine klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen – mit welchen Mitteln auch immer.
Video: Der Kompromiss für E-Fuels und Verbrenner erklärt
Darauf hatten sich EU-Parlament und EU-Kommission im Jahr 2023 verständigt. Ein erster großer Schritt in diese Richtung war die Vorgabe an Automobilhersteller, ab 2035 nur noch Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen. Bis dahin gibt es schrittweise Senkungen für die sogenannten Flotten-Grenzwerte. Wie wirkungsvoll und realistisch die geplante CO₂-Senkung funktioniert, wollen die EU-Gremien 2026 erneut unter die Lupe nehmen. Gegebenenfalls werden Gesetze dann noch einmal angepasst. Zudem sollte ursprünglichen Plänen zufolge im Herbst 2024 konkretisiert werden, ob und wie E-Fuels ihren Beitrag zur CO₂-Neutralität leisten können.
EVP-Kampagne gegen Verbrenner-Aus
Doch immer mehr Parteien und Politiker stellen die letztjährige Entscheidung infrage. Nun gibt es eine neue Initiative der mit Abstand größten Fraktion im EU-Parlament, EVP. Das Parteienbündnis, dem auch CDU und CSU angehören, fordert in einem Positionspapier, dass die Entscheidung für das Verbrenner-Aus ab 2035 rückgängig gemacht werden soll. Den EVP-Politikern zufolge soll diese Kehrtwende auf EU-Ebene Technologieoffenheit gewährleisten und zudem die Anerkennung von E-Fuels fördern. Trotz der angestrebten Rolle rückwärts sollen die EU-Klimaziele jedoch weiter eingehalten werden.
Damit liegt die konservative Fraktion EVP auf einer Linie mit ihren deutschen Mitgliedern CDU und CSU. Bereits rund zwei Wochen vor der letzten Europawahl im Juni 2024 starteten die Schwesterparteien eine Kampagne gegen das sogenannte Verbrenner-Aus. Diese beinhaltete Postkarten mit entsprechenden Motiven, Wahlplakate und eine Internetseite, auf der Wahlberechtigte abstimmen konnten, ob sie die letztjährige EU-Entscheidung ablehnen. "Wir stellen in Deutschland die effizientesten Motoren der Welt her", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann damals. Das Verbrenner-Aus schade dem Wohlstand Deutschlands und "sägt am Ast, auf dem wir sitzen".
Von der Leyen auf EVP-Linie
Zwar scheiterte die Kampagne damals; nachdem eine deutliche Mehrheit für das Verbrenner-Aus votiert hatte, nahmen die Unionsparteien ihre Internetseite schnell wieder aus dem Netz. Doch inzwischen zeigt sich, dass es sich dabei um mehr als ein polemisches Wahlkampf-Scharmützel handelte. Aus dem Nichts kam die CDU/CSU-Initiative schon damals nicht. Bereits mehrere Monate vor der Europawahl verankerte die EVP-Fraktion in ihrem Programm, "das Verbot von Verbrennungsmotoren so schnell wie möglich revidieren" zu wollen. Daraufhin äußerte sich EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen und verwies auf die 2026 ohnehin anstehende Prüfung des Verbrenner-Aus. "Technologie-Offenheit und Wahlmöglichkeiten für Verbraucher sollen weiterhin sichergestellt werden", sagte die CDU-Politikerin im Frühjahr.
Kurz vor der Wahl wurde von der Leyen dann konkreter und kündigte in ihrer Bewerbungsrede an, eine "gezielte Änderung der Verordnung" bezüglich des Verbrenner-Aus zu verfolgen. Demnach sei eine Zulassung von sogenannten E-Fuels, die synthetisch hergestellt werden, erforderlich. Es sei ein "technologieneutraler Ansatz" nötig, so die danach in ihrem Amt bestätigte Kommissionspräsidentin. Für die EVP-Initiative ist es wichtig, von der Leyen an ihrer Seite zu wissen, denn die EU-Kommission müsste die nötigen Änderungen erst vorschlagen. Danach braucht die Fraktion im Europaparlament und unter den EU-Staaten eine ausreichende Mehrheit, um das Aus des Verbrenner-Aus tatsächlich herbeizuführen.
Das sagte der VDA zu den Gerüchten
Parallel zu den ersten politischen Initiativen schürten verschiedene Medien Gerüchte, das beschlossene Verbrenner-Ende könnte kurz vor dem Aus stehen, allen voran die österreichische Kronenzeitung und die "Bild". Auf unsere Nachfrage äußerte sich ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) im März 2024 zu diesem Thema: "Die kursierenden Berichte bringen einige Thematiken und Zuständigkeiten durcheinander und leiten daraus falsche Schlussfolgerungen ab." Konkret bezögen sich die Artikel auf eine gemeinsame Abstimmung von Umwelt- und Verkehrsausschuss (ENVI/TRAN) zum Thema 'CountEmissionsEU'.
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Dabei ginge es um eine rechtlich nicht bindende Methodik, wie CO₂-Emissionen von Transportdienstleistungen harmonisiert betrachtet werden könnten. Der VDA betont: "Es geht nicht um die CO₂-Flottenregulierung und nicht um die CO₂-Grenzwerte von neu zugelassenen Fahrzeugen. Es geht um eine freiwillige Methodik. Letztlich könnte die Berechnungsmethode dafür sorgen, dass mehr Transparenz für den Endverbraucher geschaffen wird – und es kann prinzipiell alle Verkehrsträger betreffen. Neben dem Güterverkehr sind hauptsächlich Mobilitätsdienstleister, Busse und Bahnen betroffen. Und: Es geht hier nur um die Position eines Ausschusses. Die Trilogverhandlungen mit dem Rat sind noch ausstehend."
Deutsche Autohersteller bekennen sich zur Elektrifizierung
Das Vorurteil sollte entkräftet werden, die deutsche Autolobby würde heimlich für den Verbrennungsmotor kämpfen. Längst leisten die Unternehmen gigantische Investitionen und Innovationen im Bereich der Elektrifizierung der Antriebe, um klimaneutrale Mobilität in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt zu ermöglichen. "Die deutsche Automobilindustrie steht entschlossen hinter den Pariser Klimazielen", sagte ein Verbandssprecher im Frühjahr. "Wir wollen Klimaneutralität so schnell wie möglich realisieren und treiben den Wandel entschlossen mit Innovationen und Investitionen voran: Von 2024 bis 2028 werden die Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weltweit rund 280 Milliarden in Forschung und Entwicklung investieren, weitere 130 Milliarden in den Neu- und Umbau von Werken."
Der Weg hin zum sogenannten "Green Deal" sei längst nicht vorgeschrieben, fasst der Verband der Automobilhersteller zusammen. Für Autohersteller und die EU werde eine objektive Beobachtung der Entwicklung ebenso wichtig wie die Möglichkeit, nachzusteuern. Und auch die Politik müsse in den kommenden Jahren die Versorgung mit essenziellen Rohstoffen sichern. Neue Handelsabkommen und Rohstoffpartnerschaften sowie eine nachhaltige Energieversorgung wären dafür notwendig.
Branche glaubt weiter an Elektro-Erfolg
"Die Wirtschaft in Deutschland benötigt ebenso wie die Verbraucherinnen und Verbraucher Klarheit, Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, um die ambitionierten und richtigen Klimaschutzziele zu erreichen." Mit Blick auf die unzureichenden Rahmenbedingungen und das fehlende politische Tempo bei der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen solle final erst nach 2030 über die endgültigen Bedingungen entschieden werden.
Trotz des sich damals schon abzeichnenden Tiefs bei den Verkaufszahlen rechneten die deutschen Autohersteller im Frühjahr 2024 noch mit einem weiterhin steigenden Absatz bei Elektroautos. Die Prognose für die inländische E-Autoproduktion für 2024 lag damals bei 1,2 Millionen batterieelektrischen Fahrzeugen und 311.000 Plug-in-Hybriden. Dazu sollten etwa 2,6 Millionen Neuwagen mit konventionellem Antrieb produziert werden. Allerdings verharren die E-Auto-Absatzzahlen in mehreren Regionen der Welt weiterhin auf niedrigem Niveau. Deshalb wäre es zumindest denkbar, dass die deutsche Autoindustrie ihre Haltung inzwischen angepasst hat.
Hinweis: In der Fotoshow präsentieren wir Ihnen die aktuell meistverkauften Elektroautos auf dem deutschen Markt. © auto motor und sport
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