Lange schien es deutlich unterschiedliche Strategien zu geben, mit denen etablierte Autobauer ihr Angebot an E-Autos und Verbrennern unter einen Technik-Hut bringen wollten: Mercedes brachte mit EQS und EQE ab 2021 eine völlig neue, reine Elektro-Architektur auf den Markt, obwohl BMWs i3 bereits 2013 gezeigt zu haben schien, dass das teuer werden kann und nicht zwingend zum Erfolg führt.
Video: Kurz erklärt: Mercedes EQS Facelift
Vielleicht implantierten die Münchner ihrerseits darum ab 2020 den E-Antrieb in ein bekanntes, volumenstarkes Verbrenner-Modell und boten fortan den X3 als vollelektrischen iX3 an. Weitere Stromer nach gleichem Muster folgten (i4, i5, i7). Diese Modelle laufen sogar vom gleichen Band wie die Verbrenner-Pendants. Nur mit dem iX in X5-Größe stellten die Münchner 2021 wieder ein E-Auto auf einer solitären E-Auto-Plattform vor; einige tragende Teile sind aus Carbon – beim i3 bestand ganze Karosse aus dem teuren Leichtbau-Material.
Mischplattformen sind Auslaufmodelle – fast
Aber erst 2025 bringt BMW eine neue Electric-only-Architektur namens "Neue Klasse" (siehe Bildergalerie) – auf ihr basierend sollen ab dann in zwei Jahren sechs neue E-Modelle auf den Markt kommen. Erstes Modell wird ein SUV in X3-Größe, dann folgt eine Limousine in 3er-Dimensionen. Damit dürften die Mischplattformen aufs Abstellgleis fahren, neue Verbrenner-Baureihen entstehen dann auf Weiterentwicklungen der bekannten CLAR-Plattformen (CLAR=Cluster Architecture).
Bei Audi dasselbe Bild: Der neue Q6 E-Tron, sein Porsche-Schwestermodell e-Macan und der kommende A6 E-Tron basieren auf der zusammen mit Porsche entwickelten Premium Platform Electric (PPE). Der A6-Verbrenner-Nachfolger A7 basiert mit der Premium Platform Combustion (PPC) wiederum auf einer Weiterentwicklung des Modularen Längsbaukastens (MLB), auf dem auch der erste E-tron (heute Q8 E-tron) aufbaute.
Der kleinere Q4 E-Tron basiert auf dem Modularen Elektrobaukasten (MEB) der VW-ID.-Modelle, den die Wolfsburger noch zum MEB evo weiterentwickeln. Den Zusatz evo trägt auch der Modulare Querbaukasten für Golf & Co. schon. Nur ob und wann ein elektrischer Kompaktwagen von VW ID.Golf heißen wird, ist noch nicht so ganz klar.
Mercedes dreht das Rad zurück – scheinbar
Und Mercedes? Bringt als einziger auch 2025 mit der Mercedes Modular Architecture (MMA) als Nachfolger der Frontantriebsarchitektur MFA II eine Architektur, die lediglich electric first und nicht electric only ist. Dank einer geschickten Vorderwagenkonstruktion kann sie auch einen Verbrenner unter der Haube tragen. Dies bringt der Marke die Flexibilität, für die in höheren Segmenten zwei Architekturen in ein und derselben Baureihe sorgen. So kommt der Nachfolger der C-Klasse beispielsweise doppelt – gleiche Modellbezeichnung, ähnliche Größe und Optik, aber unterschiedliche Antriebsform und zwei Plattformen (MB.EA für den E-Antrieb, weiterentwickelte Hinterradantriebs-Architektur MRA für die Verbrenner). Laut Medienberichten rudert Mercedes aber gerade bei der MB.EA zurück und stellt die Entwicklung der MB.EA Large mit Cell-to-Chassis-Technologie ein.
Insgesamt wird das Mercedes-Modellprogramm also auch nach 2025 noch aus Electric-only- und Misch-Architekturen bestehen, aber das wird beispielsweise bei BMW nicht anders sein – den i7 etwa dürfte BMW noch bis 2029 anbieten.
Antriebsflexibilität bei den Herstellern, nicht in Baureihen
Wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben und womöglich verwirrt sind von der Vielzahl der Plattformen und ihren Bezeichnungen, fragen Sie sich womöglich, was der Autor Ihnen damit sagen wollte. Vielleicht nur so viel: Die etablierten Hersteller scheinen ihren Weg zur Technologieoffenheit gefunden zu haben.
Anders als einst Start-ups (wie Tesla eines war) haben sie sich anfangs mit dem E-Antrieb schwergetan, weil sie ihn nicht auf einem weißen Blatt Papier denken konnten – sie mussten den Einsatz ihrer auf Verbrenner eingestellten Produktionsanlagen und Mitarbeiter mitdenken. Anders als Tesla mussten sie nicht "nur" ins Neue investieren, sondern sich komplett umstellen, ohne das laufende Geschäft anzuhalten. © auto motor und sport
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