Dramatischer Unfall auf der A2 bei Magdeburg: Bei einem Crash mit mehreren Autos verletzen sich sechs Menschen schwer. Statt zu helfen, fahren viele Gaffer langsam an dem Geschehen vorbei und machen Fotos, geben dann aber wieder Gas. Welche Strafe droht bei unterlassener Hilfeleistung? Und wie helfen Verkehrsteilnehmer richtig?
Die Polizisten an der Unfallstelle sprachen danach von einem "unbeschreiblichen Verhalten". Offenbar war es den Beamten jedoch nicht möglich, Strafverfahren einzuleiten.
Welche Strafe droht bei unterlassener Hilfeleistung?
Der Paragraf 323 c des Strafgesetzbuches ist eindeutig: "Wer bei Unglücksfällen [...] nicht Hilfe leistet,[...] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Als Unglücksfall zählt unter anderem ein Verkehrsunfall. Das Strafmaß richtet sich nach der Schwere der Notlage und dem Verhalten nach der Tat. Ein Handyanruf im Vorbeifahren bei einem heftigen Zusammenstoß mit Verletzten genügt nicht. Außerdem sind die Persönlichkeit des Helfenden, seine psychischen sowie physischen Kräfte und die Vorbildung entscheidend. Ein Arzt steht zum Beispiel bei medizinischer Versorgung stärker in der Pflicht als ein Laie.
Was ist bei einem Unfall zu tun?
Paragraf 34 der Straßenverkehrs-Ordnung gilt zwar in erster Linie für Unfallbeteiligte, kann aber auch als Richtschnur für die Hilfe von Außenstehenden gelten: Zuerst anhalten, dann Unfallstelle sichern (Warndreieck aufstellen), Überblick über Folgen verschaffen, Verletzte versorgen beziehungsweise Hilfe von medizinischen Fachkräften, Feuerwehr oder Polizei organisieren.
Wie sieht es mit der eigenen Sicherheit aus?
Die eigene Sicherheit spielt auch eine wichtige Rolle. Schalten Sie, bevor Sie die Unfallstelle sichern, die Warnblinkanlage ein, ziehen Sie eine Warnweste an und stellen Sie dann das Warndreieck etwa 100 Meter vorher auf. Befindet sich die Unfallstelle hinter einer scharfen Kurve oder einer Bergkuppe, dann sollten Sie das Warndreieck immer davor aufstellen.
Welche Informationen benötigt die Notrufzentrale?
Bei einem Crash mit Verletzten ist es wichtig, möglichst schnell die 112 anzurufen. Dabei geht es um den Unfallort (Wo?), die Anzahl der Verletzten (Wer?) und auch um die Stärke der Verletzung (Was?). Legen Sie nicht gleich wieder auf, sondern warten Sie auf Nachfragen der Leistelle.
Was ist bei einem Bewusstlosen wichtig?
Zuerst sollten Sie prüfen, ob der Verletzte noch atmet. Dazu halten Sie die eigene Wange an Mund und Nase und versuchen wahrzunehmen, ob Sie den Atem an der eigenen Haut spüren. Zudem ist es wichtig, dass sich der Brustkorb noch hebt und senkt. Atmet das Unfallopfer nicht mehr, muss der Helfer mit Herz-Druck-Massage die Beatmung beginnen.
Als Faustregel gilt: 30 Mal auf den Brustkorb drücken, zwei Mal beatmen - und wieder von vorn. "Platzieren Sie den Ballen einer ihrer Hände in der Mitte des entblößten Brustkorbs, stabilisieren Sie diese Hand mit der anderen", so Ralf Sick, Bereichsleiter Erste Hilfe in der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe, gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Dann senkrecht mit durchgestreckten Armen vier bis fünf Zentimeter tief und ungefähr zweimal pro Sekunde drücken.
Wie gehen Ersthelfer mit Wunden um?
Nicht jede Wunde muss versorgt werden. Bei starken Blutungen sollte sich der Helfer Handschuhe anziehen, frisches Verbandszeug benutzen und die betroffen Gliedmaßen hochlagern, um die Blutung zu stillen. Der Verband sollte so fest gewickelt sein, dass er Druck auf die Verletzung ausüben kann.
Darf man verunglückten Motorradfahrern den Helm abnehmen?
Das ist sogar notwendig. "Auch ein Aufkleber am Helm, dass der Motorradfahrer die Helmabnahme nicht wünscht, darf einen nicht davon abhalten", sagt Ralf Sick. Kopf und Hals des Unfallfahrers sollten möglichst wenig bewegt werden - am besten gelingt das zu zweit, und zwar so: Visier und Kinnriemen öffnen, Helm abziehen, bis sich der Hinterkopf abstützen lässt. Dann den Helm ganz herunterziehen.
Was ist bei Opfern unter Schock zu tun?
Ganz wichtig: Da Verunglückte durch einen Schock plötzlich ohnmächtig werden können, sollten sie bei der Behandlung sitzen oder liegen. Vor Unterkühlung, die selbst bei Sommerhitze droht, schützt die Rettungsdecke aus dem Verbandkasten. Die hat laut Sick obendrein eine wertvolle psychologische Wirkung: Sie gibt Geborgenheit und bietet Schutz vor den Blicken Umherstehender.
Was können Helfer noch tun?
Ein schwerer Verkehrsunfall ist für die Opfer – neben den körperlichen Verletzungen – auch eine große psychische Belastung. Deshalb ist es wichtig, dass der Ersthelfer tröstet und beruhigt. "Oft reicht es schon zu sagen, dass man da ist und Hilfe kommt", sagt Lars Menzel, Erste-Hilfe-Ausbilder der Johanniter, der dpa. "Auf keinen Fall sollte man gleich wieder weggehen", ergänzt Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz, im Gespräch mit der dpa. "Das kann auch den körperlichen Zustand rapide verschlechtern." (mit Material der dpa)
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