… denkt sich Digital-Chefredakteur Gerd Stegmaier angesichts der Einigung von VW und Gewerkschaft, die Milliarden-Einsparungen bringt, aber Werksschließungen vermeidet.
Am Freitagabend (20.12.) vor Weihnachten haben VW und die Gewerkschaft IG Metall ein massives Spar- und Maßnahmenpaket bekannt gegeben. Schöne Bescherung – die Einschnitte gelten als die größten bei Volkswagen seit Jahrzehnten. VWs Viel-Parteien-Verhandler haben Streiks abgewendet. Aber nach 70 Stunden Tagungsmarathon geht die Arbeit erst los, denn vorerst ist nur vereinbart, dass man die Krise gemeinsam bekämpfen will, aber noch nicht wie. Vielleicht damit, dass der VW schlechthin künftig nicht mehr aus Deutschland kommt (in der Fotoshow sehen Sie alle Generationen des VW Golf).
Trotzdem ist das ein bemerkenswerter Verhandlungserfolg. Das vielgescholtene Mitbestimmungs-Konstrukt des VW-Konzerns, bei dem die Arbeitnehmer über ihre festgeschriebene Aufsichtsratsmitgliedschaft die Errichtung und die Verlegung von Produktionsstätten verhindern können, hat in einer schweren Krise des Unternehmens einen tragfähigen Kompromiss gefunden – etwas, das der Ampel-Koalition zuletzt nicht gelungen ist. Das verdient große Anerkennung, ein Grund zum Jubeln für den Konzern ist es noch lange nicht.
Denn die Arbeitnehmer haben zwar dem Abbau von 35.000 Stellen (bis 2030) zugestimmt. Aber Sparen allein hat bislang kaum einem Unternehmen geholfen, dessen Geschäftsmodell so massiv bedroht ist wie das von Volkswagen. Und die Probleme kommen aus vielen Richtungen:
- Das zahlenmäßig größte: Der Absatz auf dem größten Markt China bricht ein. Wo VW bisher 40 Prozent seines Geschäfts machte, macht das Unternehmen immer weniger Umsätze. Das Geld fehlt, um die teuren, aber immer weniger produktiven Werke in Deutschland zu bezahlen und bei Investitionen.
- Der Hauptgrund für das schwächelnde China-Geschäft ist gleich das nächste Problem: Der E-Auto-Anteil dort explodiert und viele chinesische Hersteller können besser und vor allem billiger E-Autos bauen als VW.
- Kern dieses Problems ist die Fertigung von Batteriezellen, für die sich China strategisch geschickt die ganze Wertschöpfungskette vom Lithium-Salz bis zum Akkupack mit Batteriemanagement gesichert hat. VW versucht mit Giga-Factories in Salzgitter und Valencia dagegenzuhalten. Aber das kostet erst mal Unsummen an Investitionen und kann doch niemals so günstig produzieren wie Fernost.
- Perspektivisch ist der europäische Volumenhersteller damit auch auf dem Heimatmarkt bedroht, denn in der EU sollen bis 2035 keine Verbrenner mehr verkauft werden – bis dahin muss also hier der E-Auto-Anteil massiv steigen. Und China bereitet sich gegen Zölle bereits darauf vor, E-Autos und Batterien in Europa zu produzieren.
- Ein drittes Problem, das die Misere in China befeuert: Vom Software-defined-Vehicle ist VW so weit entfernt, wie Wolfsburg von China. Die 6.000 Mann starke Konzern-Tochter Cariad war auf dem Weg dahin bislang wenig hilfreich. Viele Kritiker meinen, diese Stellen könne man als Erstes streichen.
- Die zuletzt vom Management eingeleiteten Lösungsversuche erhöhen den Bedarf an Mitarbeitern in Deutschland sicher nicht: Um bei der Software voranzukommen, investiert Volkswagen bis 2027 bis zu 5,7 Milliarden in das US-Start-up Rivian. Und um in China konkurrenzfähig zu werden, steigt VW mit 5 Prozent bei Xpeng ein (700 Millionen Dollar) ein. Selbst Audi kooperiert mit SAIC.
- Das alles wiederum weist auf den Kern des Problems hin, das der Verhandlungsmarathon nur bedingt lösen konnte: Autos bauen ist in Europa und speziell in Deutschland zu teuer. Ex-VW-Boss Herbert Diess meint sogar: "Man kann in Deutschland eigentlich nur noch Premiumfahrzeuge herstellen". Inzwischen ist selbst das Entwickeln von Autos (vor allem von elektrischen) im Vergleich zu kostspielig.
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