Fahrverbote nur für Verbrenner könnten die nächste Schnapsidee von Ministern sein, deren einziges Ziel offenkundig ist, vorzuführen, für wie unfähig man den politischen Gegner hält. Dumm nur, dass so was immer auf einen selbst zurückfällt und die zum politischen Feind erkorenen mit in der Regierungskoalition sitzen.
Was ist passiert? Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) droht wegen grenzüberschreitender CO₂-Emissionen mit Fahrverboten für Pkw und Lieferverkehr an Wochenenden. Ein Verkehrsminister, der den Verkehr zum Stillstand bringen will – das ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich.
Hintergrund ist das zum 15. Juli in Kraft tretende Klimaschutzgesetz, das die Ampel von der früheren Regierung aus Union und SPD geerbt hat und das klimaschädliche Emissionen in einzelne Sektoren einteilt, die jeweils mit Grenzwerten versehen sind. Der Sektor Verkehr wird nach aktuellem Stand die Zielmarke bereits 2024 um 22 Millionen Tonnen CO₂ verfehlen. Das Gesetz sieht für solche Fälle Sofortmaßnahmen vor, die geeignet sind, die Ziele einzuhalten. Fahrverbote wären geeignet, die CO₂-Emissionen des Verkehrs auch für 2024 in den Zielkorridor zu zwingen.
Fahrverbote will keiner
Fahrverbote sind aber auch geeignet, große Teile der Wählerschaft zu vergrätzen. Daher sind sie nicht
Beim Verkehr sollen vor allem der Umstieg auf die Elektromobilität und der Ausbau der Schiene helfen. Beides wahrlich keine Sofortmaßnahmen, wie sich derzeit immer wieder gut beobachten lässt.
Emissionen nach Sektorengrenzen – überschaubar sinnvoll
Hat Wissing also recht? Die Sinnhaftigkeit, für die Gesamtbilanz jeden Sektor getrennt zu beobachten, kann man tatsächlich infrage stellen. Denn erstens geht es eben um die Senkung der Gesamtemissionen. Und zweitens um die Einhaltung der langfristigen Reduktionsziele.
Die erfordert allerdings umgekehrt zwingend, dass jeder Sektor seine Ziele erreicht, selbst der Verkehr. Denn 2030 soll Deutschland 65 Prozent weniger CO₂ ausstoßen als 1990, sonst drohen empfindliche Strafzahlungen – weil das große Ziel der Klimaneutralität in Gefahr geriete. Würde Wissing das im Blick haben, würde er konstruktivere Vorschläge machen. Zum Beispiel, wie er die Elektromobilität schneller voranbringen möchte, um die 22 Millionen Tonnen nach 2025 wieder einzusparen – falls ein anderer Sektor seine Ziele nicht erreicht.
Fahrverbote – einst wegen Ölknappheit, jetzt wegen zu viel CO₂?
Stattdessen schlägt ausgerechnet der Verkehrsminister Maßnahmen vor, die man zuletzt vor mehr als 50 Jahren ergriffen hat. Damals wurde Öl sehr schnell sehr teuer, weil es die Erzeugerstaaten künstlich verknappt hatten. Der Preisschock führte zu der blitzartigen Erkenntnis, dass unsere Gesellschaften auf die Nutzung fossiler Energie aufgebaut sind. Dass wir seit gut 100 Jahren zu viel davon verbrauchen, ist hingegen schon ziemlich lange eine gesicherte Erkenntnis.
Video: Kurz erklärt: CO2-Strafsteuer in Europa
Aber um uns klarzumachen, dass die schadenfreie Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für CO₂ genauso wenig unendlich ist, wie die Menge an Erdöl in der Erdkruste, könnten Fahrverbote vielleicht ganz hilfreich sein. Vielleicht wird Volker Wissing ja als Nächstes welche nur für Verbrenner vorschlagen?
Sicherlich eine hervorragende Sofortmaßnahme, um einen weiteren Keil in die Gesellschaft zu treiben und die Gemüter in der polarisierten Diskussion darüber, wie wir beim Klimaschutz vorankommen, vollends zum Überkochen zu bringen. Daher bitte, lieber Verkehrsminister, werfen Sie diesen Vorschlag zusammen mit ihrem eigenen in den Papierkorb! © auto motor und sport
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