Der Golf schaffte es in 50 Jahren zum Bestseller und auf Buchtitel. Im Jahr 2000 schrieb Florian Illies in "Generation Golf" ein Portrait der zwischen 1965 und 1975 Geborenen, die als Kinder mit frisch geputzten Zähnen im Schlafanzug "Wetten...dass?" schauen durften und irgendwann einmal auf der Rückbank oder am Steuer am Golf saßen. Der Kompakte aus Wolfsburg war in den 80er- und 90er-Jahren als Teil des Familienfuhrparks, Fahrschulauto oder Filmrequisite Teil der bundesrepublikanischen Realität und Identität.

Mehr zum Thema Mobilität

Video: Vorstellung: VW Golf 8 Facelift

Jedes zehnte Auto ein Golf

Am 1. Januar 2023 waren in Deutschland laut Kraftfahrt Bundesamt (KBA) 2,79 Millionen Golf angemeldet. Bei einem Gesamtbestand von 48,8 Millionen Autos insgesamt. Im besten Jahr, 2009, hatte der Golf in Deutschland einen Marktanteil von 9,6 Prozent. Jeder zehnte Neuwagen war ein Golf. Audi, BMW oder Ford verkauften im selben Jahr insgesamt weniger Autos als VW allein von seinem Kompakten. Das war das Jahr der Abwrackprämie: 2009 hatte der Staat den Neukauf eines Autos mit 2.500 Euro unterstützt, wenn dafür ein altes Auto verschrottet wird. In besten Zeiten baute VW fast eine Million Golf im Jahr. Der Golf 8 verkaufte sich ebenfalls rund eine Million mal – allerdings in vier Jahren.

Lieblingsauto der Deutschen

Zwischen 2008 und 2019 zählte das KBA jedes Jahr zuverlässig über 200.000 Golf-Neuzulassungen in Deutschland. Die meisten Zulassungen hatte in diesem Zeitraum der Golf 6 mit 366.231 Neuzulassungen im Abwrackprämien-Jahr 2009. Bis 2015 lagen die jährlichen Golf-Neuzulassungen in Deutschland über einer Viertelmillion. Der Wolfsburger Kompakte stand uneinholbar auf Platz eins, er war laut Neuzulassungs-Statistik das Lieblingsauto der Deutschen.

Und der Autotester? Kaum ein Vergleichstest, den der Golf verlor. Das ließ Leser kritische Briefe schreiben. Doch in jeder Generation schaffte es VW, die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Es gab immer günstigere Autos in der Kompaktklasse, welche die mitreißender fuhren oder schicker aussahen. Doch keiner sammelte in Vergleichstests so konstant Punkte wie der Golf. Auch der aktuelle übrigens, der als erster Golf für sein wirres Bedienkonzept und einen relativ hohen Hartplastik-Anteil im Innenraum Schelte bekam.

T-Roc, Corona, Halbleiter

Der Golf war eben immer auch: Das Fahrschulauto, in dem sich jeder zurechtfand. Plötzlich sind Tasten schlecht zu greifen, unbeleuchtet, Menüpunkte versteckt – oder die Software stürzt ganz ab. Ein Fauxpas, der sehr wahrscheinlich Käufer gekostet hat. Aber gleich so viele? Wir erinnern uns: Eine Million in vier Jahren. Von der sechsten Generation baute VW im selben Zeitraum 3,6 Millionen. Am Cabrio, das es damals noch gab, kann es allein nicht gelegen haben.

Es ist eher ein Mix, der die Misere verursacht haben könnte. VW selbst nennt auf Nachfrage mehrere Gründe: Corona, Halbleiter-Teilemangel, Softwareprobleme, starker interner Wettbewerb, Verschiebung der Kundenwünsche in Richtung SUV. Tatsächlich steigt der Anteil der SUV und Geländewagen, also von Autos wie T-Roc und Tiguan, seit Jahren. Mit T-Roc, Taigo und T-Cross hat VW selbst drei SUV zu Golf-Preisen im Angebot.

Golf-Dämmerung

Das kompakte SUV-Trio war von den Softwareproblemen fast gar nicht betroffen, weil das Bedienkonzept konservativer ist. Das kommt einer Kundschaft entgegen, die gern höher einsteigt und einen VW kauft, weil er einfach funktioniert. Im März 2023 lag der T-Roc bei den bundesdeutschen Neuzulassungen vor dem Golf. Im April 2023 ging die Golf-Dämmerung weiter: Der Kompakte flog vom Treppchen, musste sich hinter Corsa, T-Roc und Tiguan auf Platz vier einsortieren.

Dass Autokäufer grundsätzlich vor Neuem nicht zurückschrecken, zeigt übrigens das Tesla Model Y, das im September 2022 den Golf von Platz eins der Neuzulassungen verdrängte.

Viele Vorteile mit ams+
Erhalten Sie werbereduzierten Zugang zu allen Inhalten von auto-motor-und-sport.de inkl. der digitalen Zeitschrift als E-Paper. Monatlich kündbar.

Die Zukunft des Golf: elektrisch

Muss der Golf also elektrisch werden, um erfolgreich zu bleiben? Dafür gibt es relativ klares Szenario: VW-Markenchef Thomas Schäfer hat während der L.A. Auto Show 2022 gesagt: "Wir haben ikonische Markennamen wie Golf oder GTI. Es wäre verrückt, sie sterben zu lassen. Wir bleiben bei der ID-Logik, ikonische Modelle werden aber einen Namen tragen." Es scheint also ziemlich sicher, dass es einen elektrischen Golf geben wird. Der kommt wahrscheinlich mit der SSP-Plattform, die ab 2028 eine flachere Silhouette als beim aktuellen ID.3 erlaubt. Der Zeithorizont – vier Jahre nach dem Facelift – würde in den Modellzyklus des Golf passen. Und was wird aus dem ID.3? Der wäre in drei bis vier Jahren alt genug für einen Modellwechsel.  © auto motor und sport

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.