Auf der Eurobike 2024 hat ZF mit der Vorstellung des Centrix-Motorsystems ein starkes Zeichen gesetzt. Das Friedrichshafener Traditionsunternehmen will innovative Technik mit europäischer Produktion und einem modularen Ansatz kombinieren. Nun wollen sie mit dem neuen Centrix-Motor die E-Bike-Welt erobern. Doch wie schlägt sich der neue Motor in der Praxis? Ein erster Test gibt Aufschluss über Leistung, Handling und Besonderheiten.

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Im Gegensatz zum gefeierten Newcomer DJI ist ZF kein "echter" Neuling auf dem Motorenmarkt. Bereits 2018 brachte das Unternehmen – allerdings in Kooperation mit Sachs – den RS-Motor mit enorm starken 112 Nm Drehmoment auf den Markt, der nach den letzten Firmware-Updates inzwischen auch mit Feingefühl glänzt.

Der neue Centrix: Ein Motor "made in Europe"

Jetzt hat das Friedrichshafener Unternehmen, dessen Gründung eng mit der Pionierleistung von Ferdinand Graf von Zeppelin verbunden sein soll, ein komplett eigenes Motorsystem "made in Europe" entwickelt: Zeitgleich mit den Chinesen von DJI präsentierte ZF auf der Eurobike den Centrix samt Ökosystem.

Zwei Varianten, modulare Akkus und einfache Handhabung

Nach einem ersten Test auf dem Messe-Gelände hatten wir nun die Gelegenheit, das Ganze ausgiebig zu testen. Der mit 2,5 Kilo eher leichte Full-Power-Motor ist in zwei Varianten mit 75 oder 90 Nm maximalem Drehmoment erhältlich. Die Spitzenleistung beträgt nominell jeweils 600 Watt. Das System ist modular aufgebaut. So sind die beiden Akkus (504 und 756 Wh) auf einer Schiene im Rahmen befestigt, was einen Austausch ohne Adapter ermöglicht. Ein Schlossmechanismus sichert die Akkus.

Der Motor selbst ist zylindrisch und mit 88 mm Durchmesser sehr kompakt gebaut, was die Integration in den Rahmen erleichtern soll. Spannend: Anders als andere Motoren hat der ZF keine Anschraubpunkte, sondern wird über vier Schrauben geklemmt – dass ermöglicht einen schnellen Ein- und Ausbau.

Vielseitige Steuerung und Zubehör

Die Steuereinheit im Oberrohr ("Core Controller") dient als Schnittstelle für fünf weitere Komponenten, die optional angeschlossen werden können. Etwa das 2,8" große Farbdisplay mit Touch-Funktion oder die "Pure Remote", die am Lenker sitzt und über die sich das Display und die vier Fahrmodi steuern lassen.

Darüber hinaus bietet ZF den Radherstellern die Möglichkeit, weitere Komponenten wie elektrische Schaltungen oder eine Lichtanlage anzuschließen. Demnächst soll eine App zur Verfügung stehen, über welche die Fahrmodi individualisiert oder der Nachlauf des Motors eingestellt werden können.

Robustheit und Langlebigkeit im Fokus

Besonderes Augenmerk will ZF auf das Innenleben des Einachsmotors gelegt haben. Eine Lamellenkupplung schützt das System vor Überlastung, zwei Freiläufe – für Motor und Fahrer – sollen für eine direkte Kraftübertragung sorgen. Das System ist ölgefüllt, durch die Dauerschmierung soll laut ZF eine Lebensdauer von 30000 km möglich sein. Der Wasserschutz ist durch IP67-Standard und zusätzliche Dichtungen gewährleistet, robuste Steckverbinder, wie sie im Automobilbau verwendet werden, befinden sich am Motor und am Oberrohr-Controller. Bei der Geschwindigkeitsmessung setzt ZF auf ein "Tone-Wheel", das genauere Werte liefern soll als ein Magnet.

Die Sensoren sind überdimensioniert, damit künftige Software-Updates leicht integriert werden können. Zur "Überwachungsfraktion" gehören Drehmoment-, Trittfrequenz-, Temperatur- und Neigungswinkelsensoren.

Der ZF Centrix im ersten Test

Unser Testfahrer und Enduro-Racer Julian Claudi hatte die Möglichkeit, das System in Weingarten bei Ravensburg ausgiebig zu testen. Der 90 Nm starke Antrieb überzeugt sofort, ist per se kraftvoll, aber fein kontrollierbar. Seine Traktion steht der des neuesten Bosch-CX-Antriebs kaum nach.

Gelegentlich gab es im Test allerdings Gripverluste, wenn das Hinterrad nach Hindernissen kurz in der Luft war und wieder Bodenkontakt bekam. Hier reagieren der neue CX, aber auch der DJI gefühlvoller. Der im dynamischen "Sport"-Modus lange Nachlauf bietet starke, aber kontrollierte Unterstützung an kniffligen Stellen.

Er ist vergleichbar mit dem Bosch-Race-Modus, aber nicht ganz so aggressiv. Die Kraftentfaltung variiert vor allem im Sport-, aber auch im noch stärkeren "Boost"-Modus spürbar je nach Situation. Beim Anfahren mit niedriger Trittfrequenz wirkt sie linear, hier könnte sich gerne noch mehr Leistung breitmachen.

Bringt man mehr Druck aufs Pedal oder steilt sich das Gelände an, wird der Motor ähnlich wie der DJI progressiver, das maximale Drehmoment von 90 Nm macht sich dann kräftig bemerkbar. Beim Überfahren von Wurzeln ist die Lamellenkupplung hörbar, allerdings nicht störend.

Bergauf begleitet einen ein eher sonores, leises Brummen, das ebenfalls nicht auf die Nerven geht. Das Display ist sehr gut ablesbar, die Haptik der Remote-Knöpfe gefällt.

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In Summe bringt nach DJI auch ZF frischen Wind auf den Motorenmarkt. Nicht nur die formschöne Integration, die Modularität und die tollen Fahreigenschaften, sondern auch das europäische Produktions- und Service-Netzwerk bieten Potenzial.  © Bike-X

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