Der finale Entwurf steht: Die Bundesnetzagentur hat die mit Spannung erwarteten Regeln zum Ausbau des 5G-Netzes jetzt vorgelegt. Mobilfunkbetreiber sollen demnach nicht auf einen flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes festgelegt werden. Und auch ein verpflichtendes Nationales Roaming, das den Markt für Drittanbieter öffnen könnte und von Verbraucherschützern befürwortet wird, ist laut dem Entwurf nicht vorgesehen.
Das 5G-Netz ist von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, der Ausbau von Politik und Wirtschaft erwünscht. So werden zahlreiche Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren durch den neuen, ultraschnellen Mobilfunkstandard erst ermöglicht. Doch im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei dieser Schlüsseltechnologie noch weit hinterher - vor allem deshalb war in den letzten Monaten erbitterter Streit um die Vergaberichtlinien entbrannt.
Mit der Festlegung der Bundesnetzagentur sollten nun die Weichen für das Bieterverfahren um die 5G-Frequenzen und den Ausbau des Netzes endlich gestellt - und die Meinungsverschiedenheiten beseitigt werden. Doch ein Ende des Streits ist nicht in Sicht, denn noch immer sind zentrale Forderungen von Wirtschaft, Politik, Verbraucherschützern und Mobilfunkanbietern im finalen Entwurf der Bundesnetzagentur nicht berücksichtigt.
Nationales Roaming bleibt weiterhin großer Knackpunkt
So bleibt das Nationale Roaming, bei dem Netzbetreiber Wettbewerber ohne eigene Infrastruktur auf ihre Antennen lassen müssten, weiter ein großer Knackpunkt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht in dem Verfahren des flexiblen Netzwechsels im Inland die Möglichkeit, dass sich ein neuer Netzbetreiber im deutschen Mobilfunkmarkt etablieren kann und würde eine solche Entwicklung begrüßen: "So kann ein vierter Netzbetreiber in der Aufbauphase die bereits zur Verfügung stehende Infrastruktur der anderen Netzbetreiber mitnutzen." Das würde den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt anheizen.
Gegen diese Forderungen waren die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica allerdings Sturm gelaufen, damit sie nicht neuen Konkurrenten den Weg ebnen müssen.
In dem nun publizierten Regelwerk der Bundesnetzagentur ist eine Pflicht zu einem umfassenden Nationalen Roaming nicht vorgesehen. Das Papier sieht allerdings ein "Verhandlungsgebot" vor - die Netzbetreiber sollen also mit Konkurrenten über Kooperationen verhandeln. Tun sie es nicht oder nicht ausreichend, könnte die Bundesnetzagentur als Schiedsrichter eingreifen und Zwangs- und Bußgelder verhängen.
Industrie und Politik fordern flächendeckenden Ausbau von 5G
Vor allem die deutsche Industrie erhofft sich durch die flächendeckende Verfügbarkeit von 5G einen Quantensprung in der Digitalisierung. Sie fordert den umfassenden Ausbau des schnellen Mobilfunk-Netzes auch auf dem Land und an Verkehrsadern.
Die Technologie wird zum Beispiel für das autonome Fahren dringend benötigt, wie Helmut Matschi, Vorstandsmitglied Continental im "Handelsblatt" erläutert: "Eine rasche und möglichst flächendeckende Bereitstellung von 5G als schnelles, breitbandiges und zuverlässiges mobiles Datennetzwerk ist für die Zukunft in der Automobilindustrie ein Faktor von zentraler Bedeutung."
Der Mittelstand fürchtet, ohne flächendeckende 5G-Versorgung wirtschaftlich abgehängt zu werden. Ein zweitklassiges Netz oder gar weiterhin Funklöcher hätten dramatische Folgen für das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. "Die Fabrik der Zukunft braucht 5G", mahnt Hans-Georg Krabbe, Vorstandsvorsitzender von ABB Deutschland ebenfalls im "Handelsblatt". Im Zeitalter des "Internet of Things" müsse im Sinne der Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland das Thema 5G-Ausbau "zügig und beherzt" angegangen werden.
"Jetzt entscheidet sich, welchen Platz Deutschland in Zukunft einnehmen wird"
Für Christian Sewing, Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Bank, ist 5G eine Schlüsselinfrastruktur und Basis für die Wirtschaft der Zukunft, wie er im "Handelsblatt" ausführt: "Jetzt entscheidet sich, welchen Platz wir in fünf, zehn oder auch zwanzig Jahren in der Weltwirtschaft einnehmen. Dafür müssen wir heute in die neuesten, besten Technologien investieren."
Diese Verantwortung für die deutsche Wirtschaft sieht auch die Politik: So fordern Innenminister Horst Seehofer (CSU) und die SPD 5G für alle.
Eine Sprecherin Seehofers sagte, das Ziel müsse eine 100-prozentige Abdeckung sein. Eine Versorgung mit dem Hochgeschwindigkeits-Internet nur für 98 Prozent der Haushalte bedeute, dass rund 15 bis 20 Prozent der Fläche nicht damit versorgt würden. "Und das sind naturgemäß ländliche Regionen."
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte im Vorfeld der Regelfestsetzung durch die Bundesnetzagentur: "Wir brauchen eine Ausschreibung, die sicherstellt, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu 5G bekommen, unabhängig davon, wo sie wohnen."
Bundesnetzagentur verzichtet in finalem Entwurf auf klare 5G-Festlegung
"Wir haben unseren ursprünglichen Entwurf im Lichte der zahlreichen Stellungnahmen überarbeitet. Dabei hatten wir im Blick zu behalten, was technisch, wirtschaftlich und rechtlich möglich ist", erläutert Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, den nun vorgestellten finalen Entwurf.
Demnach sollen bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen sowie die wichtigsten Schienenwege mit mindestens 100 Mbit/s versorgt werden. Bis Ende 2024 sollen dann alle übrigen Bundesstraßen mit mindestens 100 Mbit/s, alle Landes- und Staatsstraßen mit mindestens 50 Mbit/s, die Seehäfen und wichtigste Wasserstraßen mit mindestens 50 Mbit/s sowie alle übrigen Schienenwege mit mindestens 50 Mbit/s versorgt werden. In diesen Geschwindigkeits-Formulierungen liegt der Knackpunkt.
Bei den Streckenvorgaben sagt die Bundesnetzagentur nämlich nicht explizit, dass hierbei die 5G-Technologie verwendet werden muss. Vielmehr nennt sie nur Mindest-Übertragungsraten. Damit könnten die Netzbetreiber mitunter auch auf 4G-Technologie zurückgreifen, um die Bedingungen zu erfüllen.
Die großen Mobilfunkanbieter drücken auf die Bremse
Mobilfunkbetreiber wie die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica verweisen in der 5G-Debatte allerdings stets darauf, dass eine hundertprozentige Flächenabdeckung technisch nicht notwendig und betriebswirtschaftlich nicht vertretbar sei. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatten Manager der Unternehmen im Vorfeld der Regelbekanntgabe der Bundesnetzagentur bereits mit Klagen gedroht und warnten vor einer "extensiven Ausweitung von Versorgungsauflagen" - also der Pflicht, auch alle ländlichen Regionen zu hundert Prozent mit teuren 5G-Masten abdecken zu müssen.
Experten sehen durch diese Haltung eine langfristige Gefahr für den Industriestandort Deutschland und Nachteile für Mobilfunkkunden. (mgb/pbr)
Verwendete Quellen:
- Handelsblatt, "Ringen um die digitale Zukunft" - Ausgabe vom 17.09.2018
- Deutsche Presse Agentur
- Pressemitteilung der Bundesnetzagentur
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.