Es gibt viele gute Smartphones. Doch wenn Apple sein neuestes Modell vorstellt, will jeder nur noch das eine. Warum eigentlich?
Fast jeden Abend bereiten mein Mann und ich gemeinsam Abendessen zu. Meistens hören wir dabei Musik. Nicht so heute, denn da ist "Apple Keynote." Viermal im Jahr präsentiert der amerikanische Tech-Gigant in einer Live-Video-Präsentation seine wichtigsten Neuerungen und Geräte. Dieses Mal wird auch das neue iPhone 11 vorgestellt.
Während mein Mann interessiert lauscht, versuche ich, das Gequassel auszublenden. Mich interessiert das nicht so. Mein Smartphone ist kein Jahr alt, hat kaum sichtbare Verschleißerscheinungen und auch der Akku funktioniert 1A.
iPhone 11: Es geht nicht darum, ob man es braucht
Doch zwischendurch muss ich aufhorchen: Oha, das "stärkste Glas aller Zeiten". Ultra-Weitwinkel, so dass man "die wunderbare Umgebung von Mutter Natur sehen und trotzdem alle Details erkennen kann: den Himmel, die Steine, den Sand," erklärt eine Frauenstimme. Nachtmodus, ein besserer Akku...
"Das klingt ja wirklich verlockend," denke ich und erschrecke, als ich mich dabei ertappe. Apple-Chef Tim Cook spricht gerade davon, Grenzen auszuloten. Ich bin betört und verwirrt. Wurden meine Grenzen gerade weggezaubert? Obwohl mich Werbeversprechen sonst kalt lassen, obwohl ich weiß, dass ich es nicht wirklich brauche?
Doch darum geht es längst nicht mehr. Die Frage ist vielmehr, warum ich es plötzlich will. Das bringt mich zum Nachdenken, also schaue ich mir die Fakten und Features an. Okay, die sind toll, aber auch andere Unternehmen haben tolle Produkte.
Nicht nur schicker, sondern emotionaler
Viel interessanter wird es, wenn man sich das Drumherum genauer anschaut: Jeder Hersteller kennt sein Produkt, seine neuen Features, welchen Nutzen sie dem Verbraucher bringen. Apple hingegen verpackt das alles nicht nur schicker, sondern vor allem anders, bedeutsamer, emotionaler.
Think different, der alte Apple-Slogan scheint nach wie vor Programm: Im Gegensatz zu vielen anderen kommuniziert Apple nicht nur das rationale "Was" oder "Wie", sondern stets auch das emotionale "Warum:" aus welchen Gründen ein Produkt oder spezielle Features entwickelt wurden, welche Ansprüche sie erfüllen, welche Vision dahintersteckt.
Damit wird eine gemeinsame Basis geschaffen, auf Augenhöhe: "Jetzt, wo du mich verstehst und weißt, was mich motiviert, können wir gemeinsam die Welt verändern." Und da Kaufentscheidungen oft nicht bewusst, sondern instinktiv und emotional getroffen werden, ist das natürlich clever. Und erklärt, weshalb ich für einen Moment lang geglaubt habe, ein neues Smartphone zu brauchen, obwohl ich gar keines brauche.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.