"Dark Social" - dazu gehört Mamas E-Mail mit dem Link zum Katzenvideo ebenso wie die WhatsApp-Gruppe mit Freunden, in der Bilder und Videos geteilt werden. Diese "geheimen" Netzwerke sind heute weit verbreitet - und vielleicht eine Gefahr für die Gesellschaft.
Vom Darknet hat mittlerweile so gut wie jeder schon einmal gehört. Es ist eine Art verstecktes Hinterzimmer des Internets, in dem auch Kriminelle illegale Dienste und Waren anbieten, denn dort sind sie anonym und ihre Machenschaften entsprechend schwer nachzuverfolgen.
Der Begriff "Dark Social" hingegen ist vielen noch unbekannt, dabei beschreibt er etwas völlig Alltägliches: Gemeint ist damit das Teilen von Inhalten in geschlossenen Gruppen, etwa bei Facebook, WhatsApp oder auch per E-Mail.
Dark Social und Glaubwürdigkeit
Wird in einer Facebook-Gruppe eine Geburtstagsfeier organisiert und ein Link mit Geschenkideen verschickt, dann produziert jeder Klick auf den Link Traffic, dessen Herkunft von Web-Analyse-Tools nicht genau feststellbar ist. Die Quelle liegt sozusagen im Dunkeln, daher der Begriff "Dark Social". Das gleiche gilt auch für einen Link zu einem Artikel, der im Familien-Chat bei WhatsApp verbreitet wird.
Solche Nachrichten, die einem Nutzer in privatem Rahmen zugespielt werden, wirken meist glaubwürdig, weil man die Person kennt, die die Information geteilt hat. Oft wird ungeprüft angenommen, dass die Meldung tatsächlich stimmt - und darin liegt die Gefahr.
Begriff "Dark Social" existiert seit 2012
Erstmals tauchte der Begriff "Dark Social" 2012 in einem Artikel des Magazins "The Atlantic" auf. Redakteur Alexis C. Madrigal beschrieb damit die Zugriffe auf eine Website, deren Ursprung nicht genau festzustellen ist. Schon damals machten diese Klicks mehr als die Hälfte des von Sozialen Medien stammenden Traffics aus.
Seitdem sind die Anteile von "Dark Social" am gesamten Social-Media-Traffic stark gestiegen. Unter anderem dank des immer häufigeren Teilens von Inhalten über Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp, beläuft sich der Anteil einer aktuellen Studie zufolge inzwischen auf etwa 84 Prozent.
Bei der Entstehung des Begriffes "Dark Social" spielte die Verbreitung von Falschnachrichten noch keine Rolle. Nun aber bekommt "Dark Social" immer mehr beunruhigende Implikationen.
Was den Begriff "Dark Social" heute auch ausmacht
Viele politische und gesellschaftliche Entwicklungen stehen in Zusammenhang mit "Dark Social"-Kanälen. Die Gelbwesten in Frankreich organisieren sich beispielsweise über geschlossene Facebook-Gruppen. Und Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro soll illegale WhatsApp-Kampagnen finanziert haben, die Falschnachrichten zu seinen Gunsten verbreiteten.
Inzwischen werden weitergeleitete Nachrichten bei WhatsApp als solche gekennzeichnet und vielerorts wurde die Anzahl von Kontakten, an die zeitgleich eine Nachricht weitergeleitet werden kann, reduziert. In Deutschland wurde dies ebenfalls eingeführt, die Zahl der Kontakte wurde von 20 auf fünf beschränkt.
Schlagzeilen machte hierzulande 2018 beispielsweise eine geschlossene WhatsApp-Gruppe mit AfD-Funktionären und -Mitgliedern, in der Bilder und Videos mit hetzerischen Inhalten geteilt wurden. Auch die sechs Frankfurter Polizisten, die im Zusammenhang mit dem Fall der bedrohten Anwältin Basay-Yildiz suspendiert wurden, sollen in einer WhatsApp-Gruppe rechtsextreme Inhalte ausgetauscht haben.
Wie der Verbreitung von Fake News begegnen?
Ob die Maßnahme der Weiterleitungsbeschränkung eine wirksame Möglichkeit ist, der unkontrollierten Verbreitung von Falschnachrichten und anderen problematischen Inhalten in "Dark Social"-Kanälen entgegenzuwirken, ist fraglich.
Dirk von Gehlen, Leiter der Bereiche Social-Media und Innovation der Süddeutschen Zeitung, schreibt, dass es für Lösungen ein breiteres Verständnis von "Dark Social" in der Gesellschaft bedürfe.
"Die beste Impfung gegen Falschmeldungen in dunklen Kanälen ist: Nachdenken - und nur das teilen, was man selber genau weiß", schreibt von Gehlen.
Wie damit in Zukunft umgegangen werden sollte, ist eine Frage, die nicht allein Politik und Medienunternehmen angeht, sondern jeden, der schon mal auf einen Link in einer Facebook-Gruppe, WhatsApp oder einer E-Mail geklickt hat.
Verwendete Quellen:
- The Atlantic: Dark Social: We Have the Whole History of the Web Wrong
- Süddeutsche Zeitung: "Dark Social" - Ich poste was, was du nicht siehst
- Studie von RadiumOne: The Dark Side of Mobile Sharing
- Tagesschau Faktenfinder: WhatsApp schränkt Weiterleitung ein
- Stern.de: Ja, das sind Bilder aus einer AfD-Whatsapp-Gruppe - Einblicke in eine sehr eigene Welt
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