Betamax, DCC und Hipzip - nur Technikfreaks mit historischem Interesse oder Zeitzeugen der Markteinführung erinnern sich an die erfolglosen Formate, die für Firmen wie Sony, Philips oder Iomega zu Millionen-Gräbern wurden.
Bei den Kämpfen um die Gunst der Käufer ging es nicht immer um Überlegenheit, sondern oft genug um Eitelkeiten und Fehleinschätzungen. Einige der untergegangen Formate hatten gegenüber den späteren Siegern technische Vorteile, mussten aber in einem schwierigen Umfeld zurechtkommen.
Mit immer neuen Erfindungen geht der Streit um die Formate weiter: Erst kürzlich musste HD DVD ins Gras beißen. Auf den nächsten Seiten können sie von aktuellen und historischen Format-Schlachten lesen, die besonders an der Schwelle zum digitalen Zeitalter viele Opfer gefordert haben.
Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass die Pornoindustrie dem Video-Format Betamax den Todesstoß versetzt habe. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sich Sony selbst ein Bein gestellt hat. Der japanische Elektronikriese wollte seine überlegene Technologie nur an Firmen lizenzieren, die in eigene teuere Produktionsstätten investierten.
VHS-Unterstützer JVC erlaubte dagegen seinen Lizenznehmern, im Auftrag herstellen zu lassen. So konnten in einer sehr kurzen Zeit viele Wiedergabe-Geräte und Kassetten produziert werden. Die Entscheidung der Porno-Filmer stellte eher das deutlich unterlegene Video 2000 von Philips ins Abseits. Die Niederländer untersagten damals die Herstellung von Nackedei-Movies. 1986 lief das letzte Video-2000-Gerät vom Band.
Beim Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter gab es jede Menge Fehltritte. Dazu gehört die Minidisc von Sony. Als sich mit der Compact Disc (CD) Anfang der 80er ein elektronisches Format aufmachte, die mechanischen Tonträger Vinyl und Kassette abzulösen, folgte mit der Minidisc bald ein Konkurrent zur CD.
Weil der Kunde mit dem Sony-Format aufnehmen konnte und sofort tragbare Geräte vorhanden waren, hatte die Minidisc bei der Markteinführung einen technischen Vorsprung und einigermaßen Erfolg. Mit portablen CD-Playern und Aufnahmengeräten waren die eindeutigen Vorteile der Minidisc nach ein paar Jahren aber passé.
Heute werden die Geräte trotzdem noch eingesetzt, allerdings nur in einer Nische: Radioreporter nutzen den Sonderling für Außenaufnahmen.
In die Zeit des digitalen Umbruchs gehört auch die Digital Compact Cassette (DCC) von Philips. In den 80ern verkaufte das niederländische Unternehmen Jahr für Jahr 2,5 Milliarden analoge Kassetten und 200 Millionen Kassettenrekorder weltweit und glaubte damit eine gute Ausgangssituation für digitale Erfolge zu haben.
Da Philips die DCC mit exakt den gleichen Maßen wie die analoge Kassette herstellte, konnten DCC-Player auch herkömmliche Medien abspielen. Auf eine DCC passten zudem 105 Minuten Musik. Der Spiegel schrieb 1991 begeistert: "Kenner der Branche geben inzwischen dem Philips-Produkt die größeren Chancen für einen raschen Erfolg."
Die Niederländer und der Panasonic-Betreiber Matsushita versuchten vier Jahre lang gegen die Übermacht von Audio-CD und Minidisc anzukämpfen, strichen jedoch Ende 1996 die Segel. Heute erlebt das Herstellungsprinzip ein skurriles Revival. Die Eindhovener Firma Fluxxion nutzt die Verfahrenstechnik zur Produktion von superfeinen Filtern für die Bierindustrie.
Ende der 80er-Jahre entwickelten Philips und Sony die Compact Disc Interactive (CD-i), die im September 1990 auf den Markt kam. Die Werbung der Niederländer versprach, viele Funktionen in einem Gerät zu vereinen: Von Anfang an konnte der Anwender Spiele sowie Multimedia-Inhalte wie Lexika, Spielfilme und Musik auf den CD-i-Geräten wiedergeben.
Damit hatte Philips Anfang der 90er gegenüber Konkurrenten einen deutlichen Vorsprung. Außerdem kaufte das Unternehmen die Rechte am Kultspiel "Super-Mario", entwickelte eigene Games wie "The 7th Guest", veröffentlichte drei "The Legend of Zelda"-Folgen und brachte Kinohits wie "Nackte Kanone 2" als CD-i heraus. Doch all die Mühe half nichts. Die Firma verkaufte weltweit nur 300.000 Konsolen, weil die CD-Player Stück für Stück ihre technischen Nachteile aufholten.
1998 trugen die Niederländer ihr ehrgeiziges Projekt endgültig zu Grabe. Trotzdem sind CD-i-Spieler heute noch im Einsatz. Fahrschulen nutzen das angegraute Format, um ihren Schülern per Simulation virtuelle Fahrpraxis zu vermitteln.
Aber nicht nur der Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter ließ viele Produzenten straucheln. Auch auf dem Markt der Speichermedien gab und gibt es jede Menge Bewegung. Mit Hipzip wollte Iomega im Jahr 2000 den Markt der tragbaren Audio-Spieler revolutionieren. Damals waren Flash-Speicherkarten noch teuer.
Der US-Hersteller stattete seinen MP3-Player mit Wechselmedien aus, die auf eine Kapazität von 40 Megabyte kamen. Da das Betriebssystem Windows das Hipzip-Gerät als Laufwerk identifizierte, bot sich der Iomega-Player auch als portable Festplatte an. Die Amerikaner aus San Diego rechneten damit, dass ein Hipzip-Besitzer schon im ersten Jahr 20 Speichermedien kaufen und der Bedarf mit der Zeit stetig zunehmen würde.
Der Traum vom guten Geschäft zerplatze. Während Iomega noch damit beschäftigt war, die Vorteile des MP3-Players zu vermitteln, fielen die Preise für SD-, MMC- und CF-Flash-Karten. Außerdem eroberten Mini-Festplatten mit einer hohen Speicherkapazität die MP3-Player: Die Vorteile waren dahin.
Man mag es kaum glauben, aber es gibt noch viele Computer mit Diskettenlaufwerk. Das liegt vor allem daran, dass bei einem Absturz das Disketten-Gerät unter den verschiedenen Laufwerken am ehesten einsatzbereit ist.
Ende der 80er bis weit in die 90er-Jahre waren die Computer-Komponenten für die 3,5-Zoll großen Disketten der Standard überhaupt. Auf einen Datenträger passten 1,44 Megabyte. Durch die verstärkte Einbindung von Bildern, Grafiken und Sounds in Software wuchs aber auch der Speicherplatz-Bedarf. Für dieses Problem entwickelten die Firmen Next und IBM eine Lösung: Das ED-Laufwerk (Extended Density).
Durch ein Komprimierungsverfahren konnte der Nutzer 2,88 Megabyte Daten auf den ED-Disketten ablegen. Andere Hersteller wie Iomega oder Sony setzten auf die Neuentwicklung von Medien und konnten mit ihren Superdiscs, den HiFD- oder Zip-Medien bald mehr als 150 Megabyte Speicherplatz anbieten.
Letztlich waren das aber alles nur Zwischenlösungen, die den Siegeszug der CD (800 Megabyte) und der DVD (4,7 Gigabyte) nicht aufhielten.
Die Pornoindustrie sieht sich seit jeher als Wegbereiterin technologischer Entwicklungen. So wollten die Hersteller von Busen-, Bauch- und Po-Filmen auch bei der Nachfolge der DVD das Zünglein an der Waage spielen.
Kurz nach der bedeutenden Consumer Electronics Show (CES) 2008 in Las Vegas gab zum Beispiel das Porno-Studio Digital Playground vollmundig bekannt, HD DVD zu bevorzugen. Grund: Sony - Produzent des konkurrierenden Blu-ray-Formats - soll nach Informationen des Online-Dienstes Heise die Herstellung von Hardcore-Filmen abgelehnt haben.
Die Unterstützung der Pornoindustrie half der HD DVD jedoch nicht. Schon vor der CES-Messe wendete sich das Blatt: Der große Filmproduzent Warner Bros hatte sich endgültig gegen HD DVD und damit für Blu-ray ausgesprochen. Danach nahmen die amerikanischen Handelsriesen Best Buy und Wal-Mart die High-Density-Scheiben aus den Regalen. Die treibende Kraft hinter HD DVD, Toshiba, zog schließlich nach und kündigte an, die Produktion der Scheiben einzustellen.
Jetzt hofft die Industrie, dass der Markt für den DVD-Nachfolger endlich in Schwung kommt. 2007 wurden von beiden konkurrierenden Formaten nur 500.000 Discs, aber über 103 Millionen klassische DVD-Medien an die deutschen Kunden verkauft.
Wer aber glaubt, dass Format-Kriege ein Phänomen der Multimedia-Geschichte sind, hat sich getäuscht. Bereits nach dem zweiten Weltkrieg tobte eine Schlacht um die Größe der neuen Polyvinylchlorid-Schallplatte. Während Columbia Records ab 1948 30-Zentimeter-Medien mit 33,5 Umdrehungen pro Minute verkaufte, brachte RCA Victor ein Jahr später 18-Zentimeter-Platten mit 45 Umdrehungen pro Minute auf den Markt.
Zu Anfang brauchte man für die beiden Formate zwei Spieler. Für die kleinern Victor-Platten gab es zudem Wechsler, mit denen der Musikfan auf eine ähnliche Laufzeit wie bei den Longplayern kam. Der Streit zwischen den beiden Lagern wurde nie gelöst.
Mitte der 50er-Jahre gingen die Hersteller von Schallplatten-Spielern dazu über, ihre Geräte für beide Formate auszurüsten. Damit setzte es sich immer mehr durch, die 30-Zentimeter-Scheiben für längere Produktionen und die 18-Zentimeter Vinyls für Singles zu gebrauchen. In den Jahren danach gab es auch Formate dazwischen wie etwa Aufnahmen für 25-Zentimeter-Scheiben.
Viel erbitterter fiel eine Format-Schlacht Ende des 19. Jahrhunderts aus. Thomas Alva Edison, bekannt für die Erfindung der Glühbirne und des Kleinbildformats, hatte die Vision, jeden amerikanischen Haushalt mit Elektrizität zu versorgen.
George Westinghouse und Nikola Tesla hatten das gleiche Ziel, bauten aber auf ein anderes Format. Die beiden Physiker setzten auf den noch heute üblichen Wechselstrom, der sich gut über große Strecken transportieren lässt. Edison war vom Gleichstrom überzeugt und betrieb mit Hunden einige demonstrative Experimente.
Um die verheerende Wirkung von Wechselstrom zu beweisen, übergoss der verwirrte Erfinder angebundene Vierbeiner mit Wasser, um sie anschließend mit der getakteten Elektrizität zu töten. Das wäre mit Gleichstrom nicht passiert, war die Argumentation Edisons.
Auch als der Streit längst entschieden war, hielt Edison an seiner Variante fest. Seine Kunden wurden mit gleich fließender Elektrizität versorgt. Erst am 14. November 2007 wurde in New York der Gleichstrom vom Netz genommen.
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