Das World Wide Web vergisst nichts! An manche Dienste werden wir immer denken müssen, da sie das Netz zu dem gemacht haben, was es heute ist. Ein Rückblick auf die Suchmaschinen, Portale und sozialen Netzwerke des frühen Internets.
AltaVista – Die Mutter aller Suchmaschinen
AltaVista erblickte am 15. Dezember 1995 das Licht der Welt und ermöglichte das, was sich der Normalsterbliche Mitte der Neunziger gar nicht vorstellen konnte: im Internet nach Webseiten suchen. Das World Wide Web war wenige Jahre alt und lediglich ein Tummelplatz für Techniker und Computerfreaks – und genau diese Zielgruppe machte die Suchmaschine glücklich.
AltaVista war seiner Zeit voraus und konnte zum Start dank immenser Rechenleistung mehr Seiten durchsuchen, als das Internet damals überhaupt hatte. Nerds und Geeks jubelten, denn AltaVista war für sie das Tor zum WWW.
Doch schon knapp zwar Jahre später läutete der Start eines neuen Unternehmens den Anfang vom Ende ein: Am 15. September 1997 stellten die bis dato unbekannten Herrschaften Sergey Brin und Larry Page ihre eigene Suchmaschine vor: Google.
Relativ schnell hatte AltaVista nur noch einen Zweck: den Weg zu Google zu zeigen. Denn das Start-up konnte mit schlanker Optik und guter Ergebnisliste aufwarten. Während Google zum Primus der Branche wurde, verabschiedete sich AltaVista bereits 1999 gewissermaßen in den Vorruhestand.
Versuche des Computerherstellers Compaq, der Suchmaschine einen zweiten Frühling zu bescheren, indem die einstige Suchseite zum Online-Portal umfunktioniert wurde, misslangen. Am Ende scheiterten sämtliche Wiederbelebungsversuche und AltaVista verließ uns endgültig am 8. Juli 2013.
StudiVZ – Das erste soziale Netzwerk
Natürlich gab es soziale Netzwerke bereits vor StudiVZ: Doch von MySpace schwärmten damals höchstens Leute, die in den USA zum Schüleraustausch waren. Xing hieß noch OpenBC, war aber schon damals ungeeignet, mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Bei Stayfriends waren – zumindest gefühlt – nur Leute, die ihr Abitur noch in den Achtzigern gemacht haben.
StudiVZ war eine so gute Kopie des US-Originals Facebook, dass die Deutschen gar nicht auf die Idee kamen,
Oh ja, gruscheln! Deutsche Studenten und die, die sich als solche ausgaben, um ein Teil des Netzwerks zu sein, waren im Gruschel-Wahn – auch wenn niemand genau wusste, warum man das eigentlich tat. Letztendlich wussten viele irgendwann auch nicht mal mehr, warum sie überhaupt auf StudiVZ waren.
Denn als Facebook einen deutschen Ableger startete, war fast allen Nutzern klar: Das Original ist doch besser.
StudiVZ ist zwar immer noch online, aber völlig irrelevant. Ende 2016 wollte der US-Konzern Momentous Entertainment Group (MEG) die VZ-Netzwerke für zehn Millionen US-Dollar übernehmen, doch aus der geplanten Leichenfledderei wurde nichts: Der Deal ist Anfang des Jahres geplatzt.
"Netzeitung" - Print goes Digital
Im Jahr 2014 mussten wir uns von der ersten Tageszeitung aus Nullen und Einsen verabschieden. Die "Netzeitung" war das erste deutsche Medium, deren Redaktion ausschließlich online publizierte.
Nachdem die "Netzeitung" im Jahr 2000 als Ableger des norwegischen Portals nettavisen.no startete, war die Aufregung über das neue Medium groß. Doch ganz problemlos verlief der Betrieb des vielversprechenden Projekts nicht, denn die Eigentümer wechselten regelmäßig - was für die klare Ausrichtung einer Medienmarke nicht gerade dienlich ist.
Zur Hochphase der Seite war sie 2005 dennoch das meistzitierte Online-Medium Deutschlands. 2006 waren dort etwa 60 Journalisten angestellt, die 1,2 Millionen User pro Monat erreichten.
Offensichtlich war das aber nicht genug, denn über die Jahre musste die "Netzeitung" immer mehr Personal abbauen - schließlich hatten die etablierten Medienmarken in der Zwischenzeit ebenfalls das Internet für sich entdeckt und einen großen Teil vom Traffic und damit auch von den Werbeumsätzen einkassiert.
Nachdem die "Netzeitung" 2010 in eine Art Koma verfiel und - komplett ohne Redaktion betrieben - nur noch als automatisiertes Nachrichtenportal dahinsiechte, zogen die Betreiber 2014 endgültig den Stecker - und die erste deutsche Online-Zeitung war Geschichte.
Lycos – Hier gingen die User online
Lycos steht für einen fast beispiellosen Aufstieg und Fall eines Internet-Unternehmens. Die Firma mit dem Labrador als Maskottchen war zu besten Zeiten 12,5 Milliarden Dollar wert. Zumindest bezahlte im Herbst 2000 eine Tochterfirma der spanischen Telefónica so viel.
Der Dienst erreichte eine immense Bekanntheit selbst bei den Leuten, die nichts mit dem Internet am Hut hatten - und das waren in den Neunzigern noch jede Menge. Der Lycos-Labrador eroberte die Herzen von Millionen Menschen durch Werbung in den klassischen Medien wie TV, Zeitung oder Plakaten.
Ursprünglich als Suchmaschine gestartet, überholte Lycos erst die direkten Konkurrenten Yahoo und AltaVista und überzeugt zudem als kostenloser Anbieter von Webhosting. Zur Jahrtausendwende erweckte die Firma das Gefühl: An Lycos kommt niemand mehr vorbei! 1999 stellte das Unternehmen die meistbesuchte Website der Welt.
Doch mit der Dotcom-Blase platzte ebenfalls der Wert des US-Unternehmens: Aus einem zweistelligen Milliarden-Betrag wurden innerhalb von vier Jahren 95,4 Millionen Dollar, für die das Unternehmen nach Südkorea verkauft wurde.
Schon vor dem Verkauf 2004 war das Firmenbild konfus, die Marke bot ein Wirrwarr an Dienstleistungen an: verschiedene Suchmaschinen, Mail-Dienste, Shopping-Anbieter - eine chaotische Ansammlung, mit der die vielen Betreiber den Kern der Marke verwässerten und die Nutzer den Blick auf das Wesentliche verloren – bis sie sich von Lycos abwendeten.
Auch wenn die Dienste irgendwo in den Tiefen des World Wide Web noch weiterleben, die Marke Lycos ist seit dem Jahr 2008 definitiv tot.
Megaupload - Der Rabauke unter den Websites
Der Dienst Megaupload war gewissermaßen in der Schmuddelecke des Internets zu Hause. Er befriedigte Interessen, von denen manche sicherlich behaupten, dass das Internet genau dafür geschaffen wurde: zum Verbreiten urheberrechtlich geschützter Inhalte wie Filme, Musik oder Spiele.
Megaupload machte das sehr erfolgreich. Unter anderem griff der Dienst kino.to auf Megaupload als Hoster zurück.
Das Besondere: Es gab keine Beschränkung der Dateigröße, man musste nur genügend dafür bezahlen, um große Datenpakete zu verteilen. Das Modell sorgte dafür, dass Megaupload laut dem Datenauswertungsunternehmen Alexa Internet auf Platz 73 der am meisten aufgerufenen Websites der Welt war.
Hinter dem umstrittenen Dienst steckte Kim Dotcom. Lange bestritt der gebürtige Kieler aber, einer der Portalbetreiber zu sein.
Im Dezember 2011 sorgte Megaupload aber mit einer besonders skurrilen Aktion für Aufsehen: Kim Dotcom veröffentlichte auf YouTube den "Mega Song", in dem Künstler wie Sean Combs, Kim Kardashian oder Will.i.am zitiert wurden. Nach diesem Song konnte Dotcom seine Beteiligung an dem illegalen Download-Portal nur noch schwer leugnen.
Kurz darauf wurde er wegen Urheberrechtsverletzungen in großem Stil verklagt. Am 19. Januar 2012 fand Megaupload dann ein jähes Ende: Das US-Justizministerium zog den Stecker und gegen Kim Dotcom, der 2010 nach Neuseeland flüchtete, wurde Anklage erhoben.
Erst Ende Februar 2017 hat das Oberste Gericht Neuseelands Dotcoms Auslieferung in die USA genehmigt, wo ihm eine lange Haftstrafe droht.
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