- Experten kündigen das Ende der Corona-Pandemie an – und schon bricht eine Debatte über das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen aus.
- Beim Ärzteverband Marburger Bund sorgt das für Unverständnis.
- Verbandsvorsitzende Johna sagt, eine Aufhebung der Maßnahmen "ist an Dreistigkeit gegenüber dem Gesundheitspersonal kaum zu überbieten".
Nach Äußerungen von Experten über das Ende der Pandemie hat im politischen Berlin eine Debatte über das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen begonnen. Der Virologe
Während vor allem FDP-Politiker die Maßnahmen schnell beenden wollen, kamen aus anderen Parteien am Dienstag vorsichtigere Stimmen. Der Ärzteverband Marburger Bund sprach sich gegen weitere Lockerungen aus.
Ärzteverband-Vorsitzende Johna: Alle Maßnahmen aufheben zu wollen, ist "an Dreistigkeit kaum zu überbieten"
Der Ärzteverband Marburger Bund kritisierte solche Forderungen scharf. "Die Aufhebung aller Maßnahmen ist zutiefst unsolidarisch mit dem Klinikpersonal, das in der Pandemie viel geleistet hat und gerade wieder die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat", sagte die Vorsitzende Susanne Johna dem RND. Der Winter sei "noch lange nicht vorbei und wir erleben erneut eine starke Belastung des Gesundheitswesens auch durch verschiedene virale Erkrankungen."
Krankenhauspersonal, Pflegekräfte und niedergelassene Ärzte und Ärztinnen seien vor weniger als einer Woche von der Politik noch angefleht worden, mehr zu arbeiten und selbst über Weihnachten wegen der Infektionswelle Überstunden zu machen, sagte Johna. "Trotz der hohen Belastung nun zu fordern, alle Maßnahmen umgehend aufzuheben, ist an Dreistigkeit gegenüber dem Gesundheitspersonal kaum zu überbieten." Weiter wies Johna darauf hin, dass die Maßnahmen vor allem wegen der enormen Belastungen für das Gesundheitswesen in Deutschland eingeführt wurden.
Die Diskussion um ein Wegfallen aller Corona-Maßnahmen bezeichnete sie als falsches Signal. Es ärgere sie sehr, "dass die Situation des Klinikpersonals und der niedergelassenen Ärzteschaft ausgeblendet wird, nur weil manch einer unter keinen Umständen mehr eine Maske tragen will".
Justizminister Buschmann: Besondere Zwangsmaßnahmen zur Pandemieabwehr sind nicht mehr gerechtfertigt
Bundesjustizminister
Wie der "Tagesspiegel" berichtete, schrieb Buschmann außerdem einen Brief an Bundesgesundheitsminister
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte im "Spiegel" die Aufhebung der Maskenpflicht in Fernzügen und eine Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, erklärte: "Wir können und sollten zum Regelfall zurückkehren."
Lesen Sie auch: Wird Pandemie zur Endemie? Wie es bei Corona weitergeht
Das von der CDU geführte Landesgesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen erklärte auf Anfrage der Zeitung, viele Bereiche des Gesundheitssystems berichteten aktuell von einer erheblichen Be- oder Überlastung. Diese sei zwar nicht allein auf Corona-Infektionen zurückzuführen, aber die bewusste Inkaufnahme von weiteren Corona-Infektionen würde eine zusätzliche Belastung auslösen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), forderte dagegen eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern Anfang Januar. Dort solle die Beendigung der meisten Corona-Maßnahmen gemeinsam koordiniert werden, sagte er dem RND.
Viele Politiker plädieren für mehr Vorsicht
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe), die hohe Zahl an Atemwegserkrankungen führe zu einem Rekord an Personalausfällen. "Mehr Rücksicht wäre hier das Gebot der Stunde, denn es gibt guten Grund zur Hoffnung, dass es dank der Impfung zumindest mit Corona mit dem Ende des Winters in Deutschland vorerst auch vorbei sein dürfte."
Auch Politikerinnen und Politiker der SPD plädierten weiter für Vorsicht. SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochsausgaben), die gesundheitlichen Folgen einer Infektion seien für viele erheblich. "Wenn wir über den Winter weiterhin rücksichtsvoll miteinander umgehen, werden wir die Corona-Pandemie bald überwunden haben."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte im ZDF-"Morgenmagazin": "Wir erleben jetzt noch vier Monate Abschiedstournee des Infektionsschutzgesetzes und wenn es dann keine Mutationen gibt, dann wird es auch wirklich in die Phase der Eigenverantwortung übergehen müssen." Auch die gesundheitliche Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, erklärte: "Den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April sollten wir beibehalten." Ein anderer Weg, wie von Buschmann gefordert, sei "voreilig".
Ärzte mahnen zur gegenseitigen Rücksichtnahme
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte im Bayerischen Rundfunk: "Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten."
Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer, warb für Umsicht. Beispielsweise solle sich ein paar Tage lang isolieren, wer einen Infekt habe, schlug er im Deutschlandfunk vor.
Bis zum 7. April gilt derzeit das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Fassung. Als bundesweite Maßnahme ist darin vor allem eine Maskenpflicht im Fernverkehr von Bus und Bahn und in Gesundheitseinrichtungen vorgesehen. Andere Maßnahmen liegen im Ermessen der Bundesländer.
Verwendete Quellen:
- afp-Meldung: "Debatte über Aufheben aller Corona-Schutzmaßnahmen nimmt Fahrt auf"
- RND: "An Dreistigkeit kaum zu überbieten": Ärzteverband kritisiert Rufe nach Ende aller Corona-Maßnahmen scharf
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.