München/Hamburg - Haben Sie im vergangenen Jahr auch zu denen gehört, die sich vor den Feiertagen noch um eine Auffrischungsimpfung gegen Corona bemüht haben? Jetzt steht die Adventszeit wieder an - und damit Weihnachtsfeiern und Weihnachtsmärkte.
Viele Kontakte, viele Chancen für das Coronavirus. Manch einer fragt sich da: Sollte ich ihm jetzt mit einer weiteren Auffrischungsimpfung etwas entgegensetzen? Wie Sie zu einer Entscheidung finden.
Ganz von vorn: Was ist in diesem Jahr überhaupt anders als vergangenes Jahr zur selben Zeit?
"Die Immunkompetenz in der Bevölkerung ist deutlich höher", sagt Christoph Spinner, Oberarzt und Infektiologe am Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Heißt: Mittlerweile hat nahezu jeder Antikörper gegen Corona gebildet, ob durch Infektionen oder Impfungen.
In der Immunebridge-Studie, die vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, ist von 95 Prozent der Bevölkerung die Rede - deutlich mehr als vor einem Jahr.
Aber natürlich ist Immunität keine "Ganz oder gar nicht"-Angelegenheit: Nach einer Impfung oder Infektion lässt die Immunität mit der Zeit nach. Bei einigen Menschen langsamer, bei anderen schneller.
Wem genau wird eine vierte Impfung empfohlen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt derzeit allen Personen ab 60 Jahren eine vierte Impfung gegen Corona. Außerdem: Erwachsenen und Kindern ab fünf Jahren, die von einer Immunschwäche betroffen sind und damit ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Zudem gilt die Empfehlung für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und für alle, die in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen tätig sind - insbesondere mit direktem Patientenkontakt. Zwischen der Auffrischungsimpfung und der letzten Impfung oder Infektion sollten laut Stiko-Empfehlung mindestens sechs Monate liegen.
Infektiologen werben dafür, dass alle, die unter die Stiko-Empfehlung fallen, diese auch wahrnehmen. Ältere etwa profitieren laut Christoph Spinner gleich doppelt von einer vierten Impfung: "Das Immunsystem von Älteren lernt einfach schlechter Antikörper für Atemwegserreger zu bilden." Und ihr Immunsystem verlernt schneller, sich gegen Erreger zu wehren.
Und wenn ich nicht unter die Stiko-Empfehlung falle?
Dann müssen Sie abwägen: Welchen zusätzlichen Nutzen kann eine weitere Impfung für mich persönlich haben? Prof. Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat einen Tipp: "Die Stiko-Empfehlung lässt sich auch auf das Private beziehen."
Ein Beispiel: Wenn die Stiko Pflegekräften zu einem weiteren Piks rät, kann der auch angebracht sein, wenn an den Feiertagen die 90-jährige Großmutter mit Vorerkrankungen mitfeiert.
Ein wichtiger Faktor für die Entscheidung: Der Zeitpunkt des letzten Kontaktes mit dem Virus, ob durch Infektion oder Impfung. Laut Spinner ergibt es bei jungen Menschen ohne relevante Vorerkrankungen wenig Sinn, früher als sechs Monate nach dem letzten Kontakt mit dem Virus ein weiteres Mal zu impfen. Liegt der Kontakt so kurz zurück, werde eine Impfung kaum zusätzlichen Nutzen bringen.
Wann ist der perfekte Zeitpunkt für die Impfung, wenn ich an den Feiertagen gut geschützt sein will?
"Am besten drei bis vier Wochen vor der Feier", sagt Julian Schulze zur Wiesch. Allerdings: "Wenn man eine Indikation hat, sollte man auf keinen Fall auf etwas warten." Natürlich besteht auch vorher schon ein gewisses Infektionsrisiko.
Was ist eigentlich mit der Grippeschutzimpfung?
In diesem Winter könnte es eine besonders starke Grippewelle geben. Nach Beobachtungen des Robert Koch-Instituts hat sie in dieser Saison früher eingesetzt als in vergangenen Jahren.
Spinner rät vor allem den Über-60-Jährigen zur Grippeschutzimpfung, "denn auch die Influenza kann eine todbringende Krankheit sein".
Und Jüngere? Spinner empfiehlt ihnen, die Möglichkeit von Impfungen, beispielsweise über den Arbeitgeber, zu prüfen. "Wer die Möglichkeit zur Grippeschutzimpfung hat, kann das tun - es gibt viele gute Gründe dafür. Wer möchte schon eine Woche krank zu Hause liegen?" © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.