272 Patienten haben in Deutschland die offizielle Erlaubnis, Cannabis zu rauchen. Annkathrin Fischer betreibt eine der wenigen Apotheken, die Cannabis zu Therapiezwecken verkauft. Gerade mal einen Kunden versorgt sie derzeit. Im Interview erklärt die Apothekerin, dass viel mehr Patienten von Cannabis profitieren könnten.
Die Verwendung von Cannabis als Medizin hat eine jahrtausendealte Geschichte. In Deutschland geht man damit jedoch zurückhaltend um: Lediglich 272 Patienten haben eine Kauf- und Konsum-Erlaubnis für die Droge, deren Wirkstoff THC chronische Schmerzen bis hin zur Beschwerdefreiheit minimieren kann. Das Verwaltungsgericht Köln hat am Dienstag entschieden, dass Patienten in besonderen Ausnahmefällen Cannabis sogar zu Hause anbauen dürfen. Die richtige Wirkstoffkonzentration ist allerdings nur in der Apotheke gewährleistet.
Frau Fischer, gibt es in Ihrer Apotheke "Cannabis auf Rezept"?
Annkathrin Fischer: Man muss unterscheiden: In Deutschland gibt es ein einziges Medikament, das Cannabis enthält und als Arzneimittel zugelassen ist. Das ist Sativex, ein Nasenspray zur Behandlung von unkontrollierbaren Spasmen bei Multipler Sklerose (MS).
Die Cannabis-Blüten, die man raucht, bekommt man dagegen ohne Rezept. Grundsätzlich darf jede Apotheke Cannabis an Patienten herausgeben. Dafür brauchen sowohl die Apotheke, als auch der Patient die Genehmigung von der Bundesopiumstelle. Die bekommt der Patient gegen Vorlage eines ärztlichen Bescheides auch in den meisten Fällen.
Cannabis-Blüten sind also im Grunde gar kein Arzneimittel?
Nein, sie sind nicht als Arzneimittel zugelassen.
Bei dem Gerichtsurteil ging es um Patienten, die es sich nicht leisten konnten, ihr Cannabis aus der Apotheke zu beziehen. Ist das so teuer?
Es kommt stark darauf an, wie viel der Patient braucht, um beschwerdefrei zu sein. Es können dabei durchaus mehrere hundert Euro im Monat fällig werden. Daran sind aber nicht die Apothekenpreise schuld. Den größten Teil der Kosten verursacht der Einkaufspreis.
Wie kommt Ihre Apotheke an die Ware?
Wir bestellen sie bei einer Firma, die ihren Sitz in Deutschland hat.
Unterscheidet sich das Cannabis aus der Apotheke von der herkömmlichen Droge?
Unsere Zulieferer und wir unterliegen strengen Kontrollen. Die Ware muss hohen Qualitätsstandards entsprechen. Es gibt genaue Bestimmungen, wie viel von den Wirkstoffen enthalten sein muss.
Sie versorgen derzeit einen einzigen Kunden mit Cannabis. Würden nicht viel mehr Patienten von einer solchen Therapie profitieren?
Viele Ärzte und Apotheker scheuen sich. Wir haben uns das Handling von Cannabis am Anfang auch sehr schwierig vorgestellt. Aber von den Arbeitsabläufen her besteht kein Unterschied zu den anderen Vorgängen, die wir täglich in der Apotheke bearbeiten. Gegenüber Cannabis herrschen große Vorbehalte. Es gibt viele Patienten, die Cannabis benötigen würden und bei denen eine entsprechende Behandlung Sinn macht. Sie finden aber keinen Arzt und keine Apotheke, die das unterstützen. Das finde ich schade.
Für welche Patienten eignet sich das Rauchen von Cannabis als Therapie?
Hauptsächlich hilft es Menschen mit chronischen Schmerzen, vor allem Patienten mit MS, Tumoren, Rheuma oder Fibromyalgie. Es kann außerdem eingesetzt werden gegen Appetitlosigkeit bei Aids-Patienten oder gegen die Tics beim Tourette-Syndrom. Bei akuten Schmerzen ist Cannabis allerdings nicht geeignet.
Sind Risiken bekannt?
Ja, es gibt - wie bei jedem Medikament - Nebenwirkungen. Diese sind zum einen psychischer Natur – weswegen es ja auch missbräuchlich geraucht wird, um Rauschzustände zu erreichen. Dabei können Angst- und Panikattacken ausgelöst werden. Es kommt mitunter auch zu Schwindel, Herzrasen, Mundtrockenheit, Verringerung der Lebenslust und Appetitsteigerung, die ja nicht in allen Fällen gewollt ist. Studien zeigen, dass das Risiko für Psychosen bei Jugendlichen, die Cannabis missbräuchlich verwenden, erhöht ist.
Die Wirkungen von Cannabis sind zwar sehr vielversprechend. Aber man muss wie bei allen Medikamenten die möglichen Nebenwirkungen berücksichtigen.
Frau Fischer, vielen Dank für das Gespräch.
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