Wahrscheinlich haben Sie davon schon mal gehört: Sprudel soll dick machen. Doch was ist da dran? Ist Kohlensäure ein heimlicher Diätkiller? Und woher kommt die Behauptung, man nehme vom Genuss des prickelnden Mineralwassers zu? Wir beantworten diese Fragen.
"Wenn Du eine Diät machen willst, dann trinke lieber stilles Wasser. Von Kohlensäure nimmst du zu!", lautete erst kürzlich der irritierende Rat im Freundeskreis. Aber was hat es damit auf sich?
Ursprung der Sprudel-Warnung
Die Meinung, Sprudel sorge für eine Gewichtszunahme, geistert seit etwa 2017 durch die deutsche Medienlandschaft. Auslöser war eine Studie der Universität Bir Zait bei Ramallah, die zuvor einen Zusammenhang zwischen Kohlensäure und Gewichtszunahme festgestellt haben wollte.
Biologen und Biochemiker hatten bei Experimenten mit Ratten die Wechselwirkung von Kohlensäure und Appetit untersucht. Vier Gruppen von Ratten bekamen ein Jahr lang die identische Kost und durften so viel essen, wie sie wollten.
Den Ergebnissen der Studie zufolge nahmen die Testtiere, die dazu kohlensäurehaltige Getränke zu sich genommen hatten, in der Tat deutlich mehr zu. Sollte also Kohlensäure fortan besser gemieden werden?
Appetitanreger Ghrelin
Zahlreiche Medien auf der ganzen Welt nahmen sich des Themas an und berichteten über dickmachende Kohlensäure. Doch die ist dafür gar nicht verantwortlich.
Der Grund für die Gewichtszunahme bei den Test-Ratten soll das Hormon Ghrelin gewesen sein, dass durch die Kohlensäure zur erhöhten Ausschüttung im Körper angeregt worden sein soll.
Ghrelin ist eines der Hormone, die maßgeblich an der Appetit-Regulation beteiligt sind. Außerdem wirkt Ghrelin antidepressiv - eine Art Glückshormon also.
Auch ein nachfolgendes Experiment mit Studenten bestätigte für die Forscher den Befund, dass Kohlensäure-Aufnahme den Ghrelin-Wert deutlich erhöht.
Es ist also nicht die Kohlensäure selbst, die dick machen kann, sondern schlichtweg die erhöhte Kalorienaufnahme, die sich aus dem Appetitanreger Ghrelin ergeben kann.
Kritik an Schwächen der Studie
So richtig diese Beobachtung auch ist, so sehr bietet die Studie in der Interpretation auch Angriffsfläche.
René Csuk, Professor für Organische Chemie an der Universität Halle, kritisierte bereits 2017 gegenüber dem MDR: "Die Autoren sagen ganz einfach: Durch das CO2 wird der Magen geweitet, dadurch kommt Druck auf die entsprechenden Zellen und die schütten deshalb Ghrelin aus und deshalb wird mehr gegessen."
Er gehe aber viel mehr davon aus, dass Ghrelin einen lang anhaltenden Effekt im Körper habe und nicht eine derart kurzfristige Wirkung erzielen würde. Zudem verweist Csuk auf andere Appetit-Hormone wie Leptin, Glucagon, Serotonin oder Cholezystokonin. Die wurden in der Studie aber nicht berücksichtigt.
Zudem war bei dem Ratten-Test nicht Leitungswasser mit Sprudel, sondern mit kohlensäurehaltiger Limonade verglichen worden.
Eine der Test-Gruppen bekam Leitungswasser, eine andere kohlensäurehaltige Limonade, eine weitere erhielt Diätlimonade mit Süßstoff statt Zucker und die vierte Gruppe wurden mit zuckerhaltiger Limonade ohne Kohlensäure versorgt.
Erst bei dem Test mit Menschen kam auch kohlensäurehaltiges Mineralwasser zum Einsatz.
Am meisten legten die Ratten bei der kohlensäurehaltigen Diätlimonade zu, am wenigsten beim Leitungswasser. Wirklich überraschend daran ist also nur, dass die Nager von kohlensäurehaltiger Limonade dicker wurden als bei der stillen Variante des Zuckergetränks.
Weiteres Manko: Der Ratten-Test lief zwar über ein Jahr, aber nur mit vier Ratten je Gruppe. Und der Test an den insgesamt 20 menschlichen Probanden dauerte sogar nur einen Monat lang.
Sprudelliebhaber können also erstmal aufatmen. Niemand muss befürchten, dick zu werden, nur weil er Sprudel trinkt. Außerdem sorgt die antidepressive Wirkung des Ghrelins beim Sprudelkonsum für gute Laune.
Sollten aber Diätwünsche anstehen, könnte der Griff zum stillen Wasser vielleicht tatsächlich unterstützend wirksam sein, um den Appetit besser im Zaum zu halten. Auch wenn man beim Abnehmen dann eventuell etwas weniger glücklich ist.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.