Seit 2017 nimmt die Zahl der FSME-Fälle in Deutschland kontinuierlich zu. Doch vor allem eine Beobachtung bereitet Forschenden Sorge: FSME-positive Zecken sind auch in Kreisen unterwegs, die nicht offiziell als Risikogebiete eingestuft werden. Das könne zu einer Fehleinschätzung der Gefahr führen.
Zeckenzeit ist im Frühjahr und Sommer? Das ist zunehmend nicht mehr der Fall. Die Tiere, die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Borreliose übertragen können, seien mittlerweile ganzjährig aktiv, sagen Forschende.
Bei einer Pressekonferenz am 25. Februar machen die Expertinnen und Experten der Universität Hohenheim außerdem deutlich, dass ein zeckenreiches Jahr zu erwarten ist.
Was ist FSME?
- Frühsommer-Meningoenzephalitis wird durch Viren verursacht, die durch Zeckenstiche übertragen werden können. Die Krankheit kann Entzündungen der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks auslösen.
- Von Mensch-zu-Mensch kann das FSME-Virus nicht übertragen werden.
Schon jetzt seien wieder Fälle gemeldet worden, unter anderem in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. "Bis zum Ausbruch der Erkrankung vergehen etwa drei Wochen. Die Infektionen müssen also mitten im Winter stattgefunden haben", berichtet Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.
Wegen des Klimawandels können Zecken ganzjährig aktiv sein. "Die Tiere sind bereits ab fünf Grad Celsius aktiv", erklärt Ute Mackenstedt, Leiterin des Fachgebiets Parasitologie der Universität Hohenheim. Zudem würden die milden Temperaturen dazu beitragen, dass immer mehr Zecken den Winter überleben. "Temperaturen bis zu minus sieben Grad können sie problemlos für einige Tage aushalten", sagt die Parasitologin.
Nymphen (die jugendlichen Zecken) des Gemeinen Holzbocks seien schon jetzt unterwegs. Und auch die Auwaldzecke haben die Forschenden auf dem Schirm. "Sie ist die zweithäufigste Zeckenart in Deutschland und viel verbreiteter, als lange angenommen", sagt Mackenstedt.
2024 war Jahr mit zweithöchsten FSME-Fallzahlen – 2025 zeckenreiches Jahr erwartet
686 FSME-Fälle registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) vergangenes Jahr in Deutschland. "Nach einem Rekord im Jahr 2020 mit 718 Fällen ist 2024 damit das Jahr mit den zweithöchsten Fallzahlen", berichtet die Uni Hohenheim in einer Mitteilung. "Seit 2017 steigen die Fallzahlen kontinuierlich an. Aktuell ist jedoch noch unklar, wie hoch die Erkrankungszahlen im Jahr 2025 ausfallen werden", ergänzt Mackenstedt.
Forschende sehen seit einigen Jahren einen Rhythmus mit hohen Erkrankungszahlen in jedem zweiten Jahr. "Warum das so ist, wissen wir noch nicht", sagt Dobler. "Aber nach diesen Beobachtungen sollte es in diesem Jahr etwas weniger Fälle geben als im vergangenen Jahr."
Allerdings sehe man über die Jahre hinweg trotz dieser Schwankungen, dass die Anzahl der FSME-Fälle kontinuierlich steige. "Wir sehen also einen ansteigenden Trend." Die Zahl der Zecken habe nichts mit der Zahl der FSME-Fälle zu tun. "Es sind sehr komplexe Übertragungszyklen in der Natur."
Parasitologin warnt vor falscher Interpretation der RKI-Risikokarte
80 Prozent der gemeldeten FSME-Fälle im Jahr 2024 kamen aus Süddeutschland. Doch auch in anderen Bundesländern gebe es das Risiko, durch Zecken infiziert zu werden. "Neben Bayern im Süden melden Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin Höchststände für das Jahr 2024 bei den Erkrankungen", sagt Dobler.
Und: Auch in Landkreisen, die vom Robert-Koch-Institut nicht als Risikogebiete aufgeführt werden, seien Fälle gemeldet worden. Es bestehe inzwischen in ganz Deutschland ein Infektionsrisiko, warnen Dobler und Mackenstedt.
"Die RKI-Karte wird häufig falsch interpretiert."
Die Risikokarte des RKI weise Gebiete mit besonders hohem FSME-Risiko aus, erklärt Dobler. "Das schließt aber nicht aus, dass in nicht risiko-gekennzeichneten Gebieten FSME-Fälle auftreten", warnt er.
Mackenstedt benennt ein daraus resultierendes Problem: "Die RKI-Karte wird häufig falsch interpretiert." Dobler fügt an, dass es seiner Ansicht nach deshalb sinnvoller sei, von Risikogebieten und Gebieten mit erhöhtem Risiko zu sprechen.
Wie definiert das RKI ein FSME-Risikogebiet?
- Ein Kreis gilt als FSME-Risikogebiet, wenn in einem der 18 Fünfjahreszeiträume von 2002 bis 2023 entweder im Kreis selbst oder in der Region die Anzahl der FSME-Erkrankungen deutlich höher ist als eine Erkrankung pro 100.000 Einwohner.
Die Forschenden berichten weiter, dass mit dem FSME-Virus infizierte Zecken immer öfter in bisher nicht betroffenen Gebieten aufträten. "Es gibt immer wieder neue FSME-Stämme, die aus Osteuropa Richtung Westen ziehen", sagt Mackenstedt. Ein Stamm aus Polen etwa sei zunächst in Sachsen-Anhalt und später in Niedersachsen und nun auch in den Niederlanden nachgewiesen worden.
Die Experten berichten weiter, dass das Risiko für eine FSME-Infektion in den Nachbarländern Deutschlands gestiegen sei. "Auch in Frankreich, den Niederlanden, England und Dänemark wurden bereits FSME-positive Zecken und menschliche Erkrankungsfälle nachgewiesen", sagt Mackenstedt.
Wann eine Impfung sinnvoll ist
Eine Impfung sei angesichts der aktuellen Entwicklungen wichtiger denn je, appelliert Dobler. "Da das Infektionsrisiko in ganz Deutschland vorhanden ist, kann eine Impfung auch für Menschen außerhalb der offiziell ausgewiesenen Risikogebiete sinnvoll sein", sagt der Mediziner.
FSME-Impfung
- Für die Grundimmunisierung sind drei Impfungen notwendig. Diese sollten dann alle fünf Jahre aufgefrischt werden, ab dem 50. bzw. 60. Lebensjahr – je nach verwendetem Impfstoff – alle drei Jahre.
- Statistisch sei erst bei einer Durchimpfung von 50 Prozent der Bevölkerung ein Sinken der Fallzahlen zu erkennen: "Bisher erreicht kein Bundesland diese Impfquote", sagt Dobler.
Er nennt ein Beispiel: "Wenn jemand in Niedersachsen Pilze sammeln geht, würde ich dieser Person eine Impfung empfehlen – auch wenn der Kreis nicht als Risikogebiet vom RKI ausgewiesen ist." Und auch bei einer Urlaubsreise in die benachbarten Länder biete die Impfung einen zuverlässigen Schutz.
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz der Uni Hohenheim am 25. Februar
- Pressemitteilung der Uni Hohenheim: "Viele FSME-Fälle auch in Landkreisen, die nicht als Risikogebiet gelten / Im Jahr 2024 zweithöchste Zahl an FSME-Fällen"
- RKI: Karte der FSME-Risikogebiete (Stand Januar 2024)