- Haben Genesene, die sich gegen das Coronavirus impfen lassen, den besten Impfschutz?
- Mehrere Studien untersuchen aktuell die hybride Immunität.
- Zu welchen Ergebnissen die Forschenden gekommen sind und wie die Virologin Janine Kimpel die sogenannte Super-Immunität einschätzt.
Mehrere Studien belegen, dass die Immunreaktion bei jenen Menschen besonders gut ausfällt, die von einer Corona-Infektion genesen sind und sich zusätzlich impfen lassen. Jetzt gibt es auch Hinweise, dass das auch für die stark mutierte Omikron-Variante gilt.
Forschende der Uni Innsbruck haben in einer vergleichsweise kleinen Studie mit weniger als 100 Teilnehmenden untersucht, wie die Blutproben von Geimpften, Genesenen und Geimpften, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten, auf verschiedene Virusvarianten reagierten – unter anderem auf Omikron.
Die Studie, die als Preprint vorliegt und damit bereits veröffentlicht, aber noch nicht von einem unabhängigen wissenschaftlichen Gremium geprüft ist, bestätigt unter anderem, was bisher über die stark mutierte Omikron-Variante bekannt gewesen ist:
Ungeimpfte Genesene, die sich mit der Alpha-, Beta- oder Delta-Variante des Coronavirus infiziert hatten, wiesen nahezu keine neutralisierenden Antikörper gegen die Omikron-Variante auf. Zwar schnitten die Proben von Menschen, die zweimal mit dem Impfstoff von Biontech oder einer Kreuzimpfung geimpft wurden, ein bisschen besser ab. Generell hatten aber auch zweifach Geimpfte nur niedrige Mengen an neutralisierenden Antikörpern gegen Omikron.
Fluchtvariante Omikron - "Super-Immune" am besten geschützt
"Unsere Daten zeigen, dass Omikron eine immunologische Fluchtvariante ist, sie also einer schon bestehenden Immunantwort zu einem gewissen Maße entgehen kann", sagt Virologin Janine Kimpel von der Universität Innsbruck im Gespräch mit unserer Redaktion. Kimpel war an der Erforschung beteiligt.
Die besten neutralisierenden Antikörper gegen Omikron hatten in der Studie Menschen mit sogenannter Super-Immunität, also diejenigen, die – unabhängig von der Reihenfolge – geimpft und genesen waren. "Allerdings sind auch bei diesen Personen die neutralisierenden Antikörper gegen Omikron niedriger als die gegen Delta", betont Kimpel.
Damit liefert die Studie weitere Hinweise darauf, dass eine Corona-Impfung und eine -Infektion zu einer besonders hohen Immunantwort führen. Menschen mit "Super-Immunität" sollten auch eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, sich mit Omikron anzustecken als Ungeimpfte – immer in Abhängigkeit davon, wie ansteckend der Gegenüber beziehungsweise wie eng der Kontakt ist oder wie lange eine Infektion oder Impfung zurückliegt, erklärt Kimpel. "Wichtiger ist, dass Geimpfte sehr gut vor einem schweren Verlauf geschützt sind."
Auch frühere Untersuchungen deuten auf guten Schutz durch "Super-Immunität" hin
Bereits im September veröffentlichten Theodora Hatziioannou und Paul Bieniasz von der New Yorker Rockefeller University die Ergebnisse ihrer Forschung, die sich mit "Super-Immunität" auseinandersetzte.
Die Forschenden hatten für ihre Untersuchung einen zentralen Bestandteil des Virus verändert: Das sogenannte Spike-Protein, das das Coronavirus dazu braucht, um an menschliche Zellen anzudocken und sie zu befallen. Hatziioannou und Bieniasz "bauten" also ein künstliches Spike-Protein, das 20 verschiedene Genmutationen aufwies, darunter auch als "besorgniserregend" eingestufte wie die Delta-Variante. Heraus kam eine besonders aggressive, nicht real existierende Variante des Coronavirus, die allerdings nicht COVID-19 auslösen kann.
In der Medizin ist dieses Vorgehen übrigens gang und gäbe: Man spricht von einem Pseudovirus, das im Gegensatz zum realen, zu erforschenden Virus nicht ansteckend ist, ihm aber stark ähnelt - und für Experimente entsprechend verändert und kontrolliert wird.
In diesem Fall untersuchte das Forschungsteam, wie sich die Antikörper in verschiedenen Blutproben verhielten, wenn sie in Kontakt mit dem künstlichen Erreger kamen und welche Bestandteile des Spike-Proteins von neutralisierenden Antikörpern angegriffen wurde. Das Ergebnis: Einzig die Antikörper einer bestimmten Personengruppe kam gegen das aggressive Spike-Protein an: Menschen, die von COVID-19 genesen waren und außerdem später einen mRNA-Impfstoff erhalten hatten.
Kimpel: Geimpfte Genesene haben hohe Mengen an neutralisierenden Antikörpern
Inzwischen gibt es einige weitere Forschungsergebnisse, die Hinweise darauf geben, dass die Immunantwort von Genesenen und später mit mRNA-Vakzinen Geimpften als besonders hoch eingestuft werden kann. "Studien zeigen, dass Genesene, welche dann auch noch geimpft wurden, sehr hohe Mengen generell an Antikörpern und auch an neutralisierenden Antikörpern haben", sagt Virologin Janine Kimpel.
"Außerdem haben sie eine diversere Antwort an neutralisierenden Antikörpern als nur Genesene oder nur Geimpfte." Das heißt, sie bilden neutralisierende Antikörper gegen verschiedene Bereiche des Oberflächenproteins aus. Sie sollten daher auch gut und langanhaltend vor einer Infektion geschützt sein.
Infektion führt "zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen"
Das ist auch aus dem Grund interessant, weil frühere Untersuchungen Genesener zeigten, dass bestimmte neutralisierende Antikörper nach mehreren Monaten nicht mehr in ihrem Blut nachweisbar waren. Dieser Umstand sei inzwischen überholt, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie. Vielmehr führe "eine SARS-CoV-2-Infektion beim Menschen zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen". Diese seien wiederum der "eigentliche Schutzmechanismus des Immunsystems gegen eine erneute Erkrankung".
Vereinfacht ausgedrückt: Diese B- und T-Zellen sorgen dafür, dass schnell neue Antikörper gebildet werden, sobald sie erneut mit dem Erreger in Kontakt kommen. Diese Antikörper seien, so die Gesellschaft für Virologie, "wesentlich wirksamer" als die Antikörper, die nach der ersten Infektion gebildet wurden - und könnten auch "Varianten von SARS-CoV-2 effizient neutralisieren". Wenn sich Genesene nun impfen lassen, "antworten" diese Gedächtniszellen also mit der Bildung besonders starker Antikörper.
Die gute Immunantwort von Menschen, die geimpft und genesen sind, begründet Virologin Kimpel außerdem so: "Bei respiratorischen Viren (Atemwegsviren, Anm. d. Red.) wie dem SARS-CoV-2 sind die Antikörper auf der Schleimhaut besonders wichtig für einen Schutz vor der Ansteckung. Diese werden durch die Infektion im Atemwegstrakt besser gemacht als durch eine Impfung in den Muskel."
Virologin Janine Kimpel: Infektion ist keiner Impfung vorzuziehen
Die hybride Immunität bietet nach aktuellem Forschungsstand einen sehr guten Schutz. Von Selbstversuchen rät die Expertin jedoch entschieden ab: "Sich absichtlich anzustecken ist sehr gefährlich, gerade auch mit Blick auf eine beginnende neue Welle."
Stattdessen rät die Virologin für den bestmöglichen Schutz zu einer dritten Impfung: "Auch Die Booster-Impfung erhöht die Menge an neutralisierenden Antikörpern gegen Omikron."
Mit dem Boostern auf einen Impfstoff gegen Omikron zu warten, hält Kimpel übrigens für wenig sinnvoll: "Die bestehenden Impfstoffe bieten einen guten Schutz vor einem schweren Verlauf mit Omikron. Es wird noch ein paar Monate dauern, bis ein angepasster Impfstoff verfügbar ist. Personen, bei denen die Zweitimpfung vier bis sechs Monate her ist, sollten sich jetzt eine Booster-Impfung geben lassen."
Verwendete Quellen:
- Schriftliche Interviews mit Janine Kimpel
- Nature.com: High genetic barrier to SARS-CoV-2 polyclonal neutralizing antibody escape
- Gesellschaft für Virologie: Aktualisierte Stellungnahme zur Immunität von Genesenen
- Science.org: mRNA vaccination boosts cross-variant neutralizing antibodies elicited by SARS-CoV-2 infection
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung: Glossar
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